Integration oder Das Akzeptieren des Unterschieds, auch sprachlich

Das betrifft Andersgläubige, bei denen diese Eigenart möglicherweise erst im Nachhinein bekannt wird, ebenso wie jene, die durch Sprachmerkmale – Dialekt oder ausländischen Akzent – nicht „passen“ oder sogar durch ihr Äußeres, z.B. als Afrikaner oder Asiaten, „aussortiert“ werden. Die Sprachmerkmale wirken besonders stark in Gegenden, in denen eine auch für nicht dort einheimische Deutsche die ortsübliche Mundart kaum verständlich ist. Das mag für Germanisten, die gerade diese Dialektspezialitäten studieren wollen oder studiert haben, ja ganz reizvoll sein, für den normalen Sprachgebrauch ergeben sich aber Hürden. Diese Dialektformen, wie Hessisch, Schwäbisch, Bayerisch, speziell Oberpfälzisch, haben nicht nur zahlreiche eigene Vokabeln, sondern sind auch durch das Verschleifen von Wortendungen, eigene Redensarten und Veränderungen der Wortaussprache gekennzeichnet. „Passt scho“ (= ist in Ordnung), „Krumpiere“(= Kartoffel), „Kumscht eini“ (= Kommen Sie bitte herein) sind harmlose kleine Sprachbeispiele. Kleine Sprachregionen kompensieren ihren Sprachstolz gegenüber sprachlich nicht perfekten Ausländern mit erkennbar besonderer Härte: die eigenen Unzulänglichkeiten werden dabei kaschiert, sicher häufig unbewußt. Man stelle sich einen ausländischen Lehrer in Bayern vor, der den Schülern im Biologieunterricht gegenübertritt, mit einigen sprachlichen Unvollkommenheiten, die aber – auch wegen der benutzten Powerpoint-Methode – kaum sachliche Probleme bereiten. Trotzdem werden diese Schüler diese Situation benutzen, um ihre allgemeine Aversion gegen das „Pauken“ an dieser Schwachstelle auszutoben und möglicherweise behaupten, dass sie den „ausländischen“ Lehrer nicht verstehen. Multikulturelle Kooperation würde hier bedeuten, dass das Lehrerkollegium von sich aus die Schüler beim Aufbau des Verständnisses und besonderer Toleranz gegenüber „Ausländern“ im Allgemeinen und diesem ausländischen Lehrer der eigenen Schule im Besonderen unterstützt. Unfassbar wäre es, wenn im Gegenteil der ausländische Kollege vom Schulleiter oder einem Fachgruppenleiter zu einem „Qualitätsgespräch“ gebeten würde, obwohl der „ausländische“ Kollege alle „inländischen“ Lehramtsprüfungen erfolgreich absolviert hat und eine reguläre Lehramtsstelle inne hat. Alles nur, weil sich einzelne Schüler beschwert haben, die meist auch an anderer Stelle durch diese Art von Sich-In-Den-Vordergrund-Spielen auffallen. Natürlich ist dieses „Qualitätsgespräch“ hanebüchen und nicht zulässig. Anders wäre es, wenn der „ausländische“ Kollege von sich aus um eine Unterredung bittet und über seine Unterrichtserfahrung spricht, einfach weil er Erfahrungsaustausch für normal hält. Hiervon können alle Beteiligten profitieren. – Eine besondere Situation ergibt sich bei „Feed-Back-Bögen“ bei Evaluationen an Hochschulen. Diese Bögen werden den Studierenden vom jeweiligen Professor am Ende des Semesters gegeben m.d.B., die Multiple-Choice- und Kommentar-Fragen zu beantworten. Die Studierenden tun dies ohne Angabe ihres Namens, also anonym. Der Professor erhält diese Feed-Back-Bögen ausgefüllt zurück und kann seine eigenen Schlüsse aus den Ergebnissen ziehen. Anschließend leitet er die Bögen zur weiteren personenneutralen Auswertung an eine zentrale Stelle der Hochschule weiter, die mit den statistisch ermittelten Daten an einem Hochschul-Ranking in Deutschland teilnimmt. Die Ergebnisse der Umfrage sind in jedem Falle nicht zur Kritik an einem Professor einsetzbar, da die Anonymität in jedem Falle zu gewährleisten ist. „Qualitätsgespräche“ – wie obenstehend für einen Lehramtsinhaber an einer Schule dargestellt – sind deshalb hieraus ebenfalls nicht ableitbar.

Multikulturell bedeutet sicher auch, nicht nur die Sprache anderer Regionen der Erde verstehen und sprechen zu können, sondern u.a. auch die anders abgeleiteten Sprachverständnisse in ihren Hintergründen zu begreifen oder sich wenigstens darum zu bemühen, und zwar gegenseitig.. Welche Unterschiede es hierbei gibt, kann z.B. an Sprichwörtern und ihrer Bedeutung erkannt werden: ich versuche hier einmal, einige Sprichwörter bzw. Redewendungen aus dem Chinesischen den entsprechenden Sprichwörtern bzw. Redewendungen der deutschen Sprache gegenüberzustellen; vielleicht hilft das mit, Wege zum Sprachverständnis aufzuzeigen.

CHINESISCH – DEUTSCH

die Kanone hinter dem Pferd – hinterher klug sein

auf dem Rücken einen verrosteten Topf tragen – jemanden zu Unrecht beschuldigen

das Gesicht nicht wahren wollen – unverschämt sein

eine große rote Person – jemandes Liebling

ein Gerüst aufstellen – dünkelhaft benehmen

ein eiserner Hahn – sehr geizig

sich als Knoblauch hinstellen – so tun als ob

einheimische Maultasche – hinterwäldlerisch

ein Tiger mit lächelndem Gesicht – heimtückisch

das weiße Gesicht spielen – Bösewicht spielen

Sojabohnenkäse essen – mit jemandem herumtändeln

die Kuhhaut aufblasen – prahlen

Deutschland und China rücken einander immer näher. Das liegt am gegenseitigen kulturellen und aktuell natürlich auch wirtschaftlichen Interesse. Beide Länder sind die Spitzenreiter im Export; China ist der weltweit am stärksten wachsende Markt, mit jährlich seit dreißig Jahren stetig mehr als zehn Prozent pro Jahr wachsender Wirtschaft, mit 1,4 Milliarden Menschen so bevölkerungsreich wie Europa, USA und Russland zusammen. Ich bin sicher, dass die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China weiter wächst. Trotz der Sprachbarrieren, die vielleicht auch immer mehr Deutsche in China überwinden werden; Chinesen sind gegenüber Ausländern herzlich und aufgeschlossen: ein oberpfälzisch gefärbtes Chinesisch könnte allerdings zu einem – von Toleranz überstrahlten – verwunderten Lächeln führen. Der Freude am Verwöhnen des willkommenen Gastes, auch durch dienstlich-offizielle, persönliche Betreuung, täte es jedenfalls keinen Abbruch. Man ist in China eben auch stolz darauf, dass ein Fremder die weite Reise nach China gemacht hat und nun dort zu Gast ist. Natürlich kann man diesen Gast nicht einfach allein lassen: das ist schon anders als in Deutschland, glaube ich.

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