Ins Museum gesperrt und trotzdem öffentliche Wirkung? – „Jenny Holzer“ und ihre „Projektionen im öffentlichen Raum“ in der Fondation Beyeler in Basel

Jenny Holzer, For Basel, 2009, Lichtprojektion, Fassade der Fondation Beyeler, Riehen/ Basel, 31. Oktober 2009, Abgebildeter Text: Arno, 1996

Zuerst einmal muß man aber darauf hinweisen, wie unsereiner sich jedes Mal freut, das Museum Beyeler in Riehen bei Basel zu besuchen. Der schöne Bau ist das eine, aber die Begrüßungsorgie das andere. Diesmal sind es die Große Frau III und IV von Giacometti, die uns wie Wächterfiguren unheimlich und ausgezehrt empfangen, weit oben an der Wand dann „Suprematismus“, eine Komposition von Malewitsch aus 1915, und Picassos „Weinende Frau“, die 1937 Dora Maar war. Diese Werke sind von Jenny Holzer als Auftakt zu ihrer Ausstellung ausgesucht worden. Max Ernsts „Der König spielt mit seiner Königin“ von 1944 gehört auch dazu, aus Bronze, das wie Holz aussieht. Wir aber wissen, die von der Fondation so sorgsam gehütete Klassische Moderne werden wir – wie jedes Mal – am Schluß dann doch wieder durchschreiten, weil Kunstausstellungen zwei Sensationen haben: das Alte und Vertraute wiedersehen zu dürfen und etwas ganz Neues zu erleben.

Jenny Holzer nun ist ganz neu, denn für uns ist es eine Premiere, sie ins Museum verbannt zu sehen. Dabei gibt es von Hamburg bist sonstwo ihre Schriftbänder auch als Teil der Hausarchitektur, und seit jeher gab es Lichtprojektionen für den Innenraum, die heute in fast keinem Museum mehr fehlen, aber nun die ganze Jenny Holzer drinnen? Erstens stimmt das nicht, denn auch in Basel hat man im Rahmen dieser Ausstellung Werke – in Basel, Baselland und Zürich sind auf wichtigen Gebäuden Lichtprojektionen angebracht – öffentlich ausgestellt und zweitens ist natürlich auch in Basel nicht ’die ganze` Jenny Holzer zu sehen. Wir fallen in den Spruchbandfall, der wie ein Wasserfall die Augen überfordert, will man den einen Wassertropfen verfolgen. Nur geht es hier um Schrift und sie läuft von unten nach oben. Aber erstaunlich, die optische Wirkung ist die von Kaskaden. Wir verfolgen die Worte: „a no thank your for ever to me“, setzen neu an und sind nach einigen Versuchen wirr im Kopf.

„For Chicago“ schließlich aus dem Jahr 2007 gilt als Schlüsselwerk. Da laufen auf dem Boden an der Schmalseite beginnend zehn Leuchtbänder – das nennt man LED-Spuren – in die Tiefe des Raumes, wo wir stehen, und vergeblich versuchen die Texte zu erfassen. Man lernt schnell, sich erst einmal auf ein Band zu konzentrieren, aber auch das hilft nicht weiter, denn hatte man das Glück, mit einem langsamen Ablauf die erscheinenden Buchstaben zu Worten zusammenzusetzen und die Worte zu Sätzen, so ändert sich urplötzlich der Rhythmus und es geht nicht nur schneller, sondern auch irgendwie anders und man sieht auf einmal einen Wasserfall, obwohl doch alles am Boden liegt. Es rasen also die Worte aufeinander zu, überschlagen sich, eins löscht das andere aus, es gibt Sieger und Verlierer „wobei Licht und Sprache wie Lavaströme über die Leuchtflächen fließen.“, sagt dazu der Pressetext, der uns dazu an dieser Stelle auch besonders gut gefällt: „In regelmäßigen Abständen rasen die Texte mit hoher Geschwindigkeit auf den Betrachter zu, überschneiden und kreuzen einander, verschwimmen, lösen sich zu graphischen Elementen auf oder bewegen sich so langsam, daß man sie ungestört lesen kann.“

Tja, und darum ging es doch mal. Um die Inhalte. Und diesmal sind es sogar deutsche Wörter, also bei schlechter Optik dann doch schneller zu verstehen und zu vervollständigen als in Englisch. „Das ITZEN so öffnet sie sich und Cha kann sie von unten nehmen. Ich nehme ihr Gesicht mit seinen Fingern Händchen. Ich Bringe ihrer Musch in die Richtige Position. Ich lege mein Kinn auf ihrer Schulter. Jetzt da sie sich nicht Bewegt kann ich mich konzentrieren. Sie schmeckt nach nichts Mehr das macht es mir leichter die Farbe ihres inneren Reiz mich Schon genug zum sie zu töten ich möchte selber…“ Um Gotteswillen, was lese ich da zusammen. Das geht ellenlang weiter, auf fünf Seiten mitgeschrieben, in der Hocke vor den von mir weglaufenden Spruchbändern. Dazwischen Englisch, am Schluß „always polite to off“.

Zweierlei fällt auf. Daß die Zeichenfelder, Leuchtbänder ganz unabhängig vom Inhalt eine eigene ästhetische Wirkung entfalten, die schön ist und wo zunehmend der Inhalt oder das Inhalterfassenwollen störend wirkt, weil dann das Auge auf die Schrift starrt und damit das optische Gesamtkunstwerk eliminiert. Diese Erkenntnis tut weh, denn wegen der Inhalte las man einst die Texte der Jenny Holzer. Das andere ist die Dürftigkeit der eigenen Sprachfähigkeit, optische Phänomene angemessen in ein Schriftdeutsch zu bringen. Das sind einfach neue Herausforderungen an die Semantik, die man üben muß. Aber hier nicht auf die weiteren Lichtwerke schon anwenden will.

Zeit, darauf hinzuweisen, daß dies zum einen eine retrospektiv angelegte Ausstellung ist, weil sie die Kunst der Jenny Holzer seit den frühen 80er Jahren berücksichtigt, auch wenn die jüngeren Werke überwiegen. Darunter nun sind auch Siebdrucke sowie zwei Skulpturen aus den Neunziger Jahren. Ihre deutlichste politische Aussage liegt in das Militär und die dahintersteckenden politischen Ganoven entlarvenden Texten und Knochen, die sowohl den Jugoslawienkrieg wie auch die Us-Politik in Nahost geiseln. Insgesamt bedient sich Jenny Holzer in ihren Textfragmenten sowohl der offiziellen Politiksprache, Bekenntnisliteratur oder auch poetischen Texten. Dabei werden die Grenzen von Privatem und Öffentlichem genauso verwischt, wie die von Körper und Seele, und dem eigenen Individuum und dem allgemeinen Sein. Zurück bleibt auch deshalb eine Irritation, weil durch diese Vielfältigkeit dem Betrachter, dem Jenny Holzer zuvor eine bestimmbare Größe war, eben auch der Begriff Beliebigkeit hineindonnert. Wie es damit aussieht, muß die Zukunft zeigen.

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Ausstellung: bis 24. Januar 2010

Am 22. Januar 2010 werden von 18 bis 2 Uhr nachts im Rahmen der 10. Basler Museumsnacht eine „Nacht der Poesie“ erklingen, mit einer Petry Slam Show, Kurzführungen, Lesungen etc.

Katalog: Jenny Holzer, hrsg. von Fondation Beyeler, Museum of Contemporary Art 2009, Hatje Cantz Verlag 2009

Klar, daß der Katalog nicht das übliche Format hat. Die Künstlerin hat es auch nicht. Hier wird in die Breite gegangen, um die Lichterfülle einzufangen. Die Bilder sind beeindruckend, d.h. die Fotos von ihren Licht- und Schriftinstallationen geben den Mehrwert hinzu, der durch die Atmosphäre, den dunklen Himmel, die Schatten und Lichtspiele ihrer Schriftzüge entstehen. Leider sind die Texte, die über sie und das Interview, ziemlich klein gedruckt und ihre Texte, nämlich die vollständige Wiedergabe der Schriftzüge vermißten wir ganz. Sicher ist die Darstellung der Leuchtkraft wichtiger, aber es geht Jenny Holzer ja um die Inhalte. Dachten wir bisher.

Internet: www.beyeler.com, www.fondationbeyeler.ch

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