In die wilde Welt hinaus – Spike Jonez wundervoller Abenteuerfilm zeigt „Wo die wilden Kerle wohnen“

 

Erst war es nur ein Spiel, als Max (Max Records) seine große Schwester Claire (Pepita Emmerichs) und ihre Freunde mit Schnee beworfen hat. Aber dann haben sie sein Iglu zerstört und sind weggegangen. Also hat Max Claires Zimmer verwüstet und das Herz zerrissen, dass er ihr gebastelt hatte. Mom (Catherine Keener) war ärgerlich und enttäuscht (noch schlimmer). Zeit hat sie auch keine, muss immer nur arbeiten. Und als Max sie abends in sein Raumschiff einlädt, sitzt sie mit einem fremden Mann auf der Couch (Mark Ruffalo). Also zieht Max seinen Wolfspelz an und wird wild. So wild, dass er Mom beißt und wegrennt zu einem Boot, das ihn über eine stürmische See dorthin trägt „Wo die wilden Kerle wohnen“. Carol (Sprecher: James Gandolfini), Judith (Catherine O ´Hara), Ira (Forest Whitaker), KW (Lauren Ambrose), Douglas (Chris Cooper) und Alexander (Paul Delano) sind groß und zottelig, Tier-Mensch-Ungeheuer-Wesen, und sie sehen aus wie im Buch. Zuerst wollen sie Max fressen, aber er jagt ihnen brüllend und drohend Angst ein. Beeindruckt erklären die wilden Kerle Max zum König. Nur wenige Seiten hat Maurice Sendaks Buch, auf jeder von denen ein Satz steht. Doch es ist übervoll mit Geschichten und Ahnungen von den Gefahren der Welt und den Biestern, den wilden Kerlen. Sendak kreierte ein Meisterwerk aus einer einfachen Geschichte. Vollends erklären lässt sich der Zauber des Buches nicht, man muss lesen und schauen „Wo die wilden Kerle wohnen“. Das ist das Beste. Aber nun kann man auch ins Kino gehen.

Dort lässt Spike Jonez in seiner dritten Regiearbeit Maurice Sendaks Kinderbuch in düsterer Poesie erstehen. Seine Bilder beben vor psychologischer Symbolkraft, befreit von belehrender Moral. Max schäumt vor Wut wie die Wellen, auf denen er zu den Kerlen reitet. Sein stürmisches Temperament führt ihn in eine raue Landschaft aus Wald, Wüste und zerklüfteter Küste, in der die zottigen Wesen hausen. Rührend und bedrohlich, sind jene Riesen, die zerstören, ohne an die Konsequenzen zu denken, die ihre Kraft kennen, ohne sie kontrollieren zu können. So spontan und freigiebig wie mit ihrer Zuneigung sind sie mit ihrer Ablehnung. Sie sind eifersüchtig, aufbrausend und oft uneinsichtig. Die Verletzungen, welche sie einander zufügen, heilen langsam. Manche bleiben für immer. Die Spiele, bei denen Max mit ihnen tobt, sind riskant und grob. Scherz wird zu Ernst. „Wo die wildern Kerle wohnen“ zeigt keine idyllische Märchenwelt. Jonez erzählt von der Kindheit als grausame, beängstigende und unsichere, einer Kindheit ohne Verklärung. Er lässt Max von unendlicher Trauer sprechen und Gewaltfantasien artikulieren, wie es echte Kinder tun, anstatt ein realitätsfremdes Ideal des unbedarft-unschuldigen Kindes zu errichten. Jagt Max Records jaulend durch die faszinierende und erschreckende Fantasiewelt, begreift man, wie domestiziert kindliche Filmfiguren meist sind. Max ist ein impulsives, auch aggressives Kind. Wie viele vernachlässigte Kinder sucht er Aufmerksamkeit: „Jetzt machen wir Krach!“.

Die wilden Kerle konfrontieren Max mit seinem Verhalten und fragen ihn nach Lösungen für ihre Probleme, die er nicht finden kann. In seiner Führerrolle als König wird Max in eine Erwachsenenposition gedrängt, der er nicht gewachsen ist. Aus der Distanz lernt er verstehen, wie schwer das Treffen von Entscheidungen ist und das Brutalität und Wut andere verletzen. Die zärtlichste Szene ist besonders beängstigend, denn sie zeigt die Gefahr, Nähe zuzulassen und Gefühle zu offenbaren.

„Wo die wilden Kerle wohnen“ erzählt eine universelle Parabel von Schönheit und Schrecken der Kindheit in Bildern, die den Illustrationen auf der Leinwand nachgebildet sind – ausgestopft und maskiert, aber aus Fleisch und Blut und nicht schematisch digitalisiert und darum fesselnd. In „Wo die wilden Kerle wohnen“ ist es oft düster, grausam und gespenstisch. Wird man wie Max nach der Heimkehr gut von den wilden Kerlen sprechen? Ja. Und vergessen, wie weh es tat, Kind zu sein.

Titel: Wo die wilden Kerle wohnen

Land/ Jahr: USA 2009

Genre: Fantasyfilm/ Drama

Start: 17. Dezember

Regie und Drehbuch: Spike Jonez

Darsteller: Max Records, Catherine Keener, James Gandolfini, Forest Whitaker, Catherine O ´Hara

Laufzeit: 101 min.

Verleih: Warner Bros.

www.WoDieWildenKerleWohnen-DerFilm.de

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