Im Zentrum in Mannheim „Die Staufer und Italien“ – Serie: Rund um das große Mittelalterprojekt der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen im „Stauferjahr 2010“ (Teil 1/6)

Ein Staufer auf dem Thron.

Die waren nämlich in der Hauptsache damit beschäftigt, ihr Leben zu fristen, sprich: die für das Überleben und Großziehen von Kindern notwendige Speis und Trank in harter Ackerarbeit zu beschaffen. Bauern und Landarbeiter waren gefragt und die anderen gaben als „Schmiere des täglichen Lebens“ ihr Handwerk als Schreiner, Schumacher, Maler, Schornsteinfeger, Bauarbeiter”¦ in strengen Zunftordnungen hinzu. Über ihnen – buchstäblich über ihnen auf Burgen und Schlössern auf der Höhe –saß der Adel, aber er thronte auch in den Niederungen, wenn die Ländereien eben flach waren. Und im Auftrag der Adligen wurde gedichtet und Musik gemacht, Codizes abgeschrieben und illuminiert und Kunstwerke geschaffen. So benennen wir die ästhetischen Gebilde heute, aber für damals waren diese handwerklichen Wunderwerke der Huldigung Gottes zugedacht, denn über allem, in allem und um alles herum war es die christliche Kirche, die dem Menschen Daseinsberechtigung, Fundament, Rückgrat, Jenseitssehnsucht, aber auch eine gehörige Portion Angst eingab.

„Die Staufer“ sind nun ein die deutsche Volksseele besonders berührendes Herrschergeschlecht und wenn diese Dynastie nur zwischen 1138 und 1254 das Heilige Römische Reich regierte, so sind sie insbesondere mit Friedrich I., genannt Barbarossa, der bis heute im Kyffhäuser sitzt, andererseits christlich edel beim Kreuzzug nach Jerusalem im Fluß Saleph ertrank, einfach die, mit denen sich diejenigen, die im 19. Jahrhundert Deutschland konstituierten, am meisten identifizierten. Schon Friedrichs Geburt hat mythologische Züge, denn in ihm vereinten sich die beiden damals führenden Adelsgeschlechter, sein Vater ein Staufer, seine Mutter, eine Welfin. Für die Welfen ging seine Amtszeit übel aus, aber das alles wird nicht nur im geschichtlichen Ablauf, sondern mit Originalen die Mannheimer Ausstellung konzentriert, wissenschaftlich und kunsthistorisch relevant bringen, die in den Reiss-Engelhorn-Museen vom 19. September an zu sehen ist, und Herz und Hirn des Stauferjahres ist. Darauf und wie es mit seinen Nachfolgern Heinrich VI. und dem ’italienischen` Friedrich II. weitergeht, werden wir dann berichten.

Die Ausstellung hat einen Untertitel, der auch deutlichmacht, warum drei benachbarte Bundesländer die Schirmherrschaft übernommen haben und viele eigenen Beiträge bringen: „Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa“. Damit aber nun sind nicht die heutige drei Bundesländer gemeint, die firmieren einheitlich als Rhein-Main- Neckar Kernregion, zu der sich Oberitalien – welchen Ärger hatte sich Friedrich Barbarossa mit Mailand eingehandelt und wie zwiespältig ist der Friede von Venedig 1177, dessen Gewinn hauptsächlich auf das Konto des Papstes, Alexander III. geht – und das ehemalige Königreich Sizilien gesellen. Erkenntnisleitende Fragestellung des Vorhabens ist es, herauszufinden, welche Innovationen für Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft, Kunst und Kultur von diesen drei Regionen in der Stauferzeit hervorgegangen sind, wie sie sich gegenseitig beeinflußten und konkret, wie die Austausch- und Transferprozesse aussahen.

Vorausgegangen sind dem Stauferjahr 2010 und der Superausstellung, die erstmals nach dem Erfolg der „Staufer“ 1977 in Stuttgart dies Geschlecht wieder über Ausstellungen in den Mittelpunkt des Interesses stellt, wissenschaftliche internationale Tagungen: im Jahr 2008 in Mannheim „Verwandlungen des Stauferreichs. Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa“ und 2009 in Mainz, wo es um „Staufisches Kaisertum im 12. Jahrhundert. Konzepte – Netzwerke – Politische Praxis“ ging, was in reich bebilderten Bänden veröffentlicht ist. Fortsetzung folgt.

Schriftwerke:

Katalog und Essayband „Die Staufer und Italien“, hrsg. von Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter und Alfried Wieczorek, zweibändig im Schuber, Konrad Theiss Verlag Stuttgart

Tagungsband „Verwandlungen des Stauferreichs“, hrsg. von Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter und Alfred Wieczorek, Konrad Theiss Verlag

Tagungsband „Staufisches Kaisertum“, hrsg. von Stefan Burkhardt, Thomas Metz, Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter, Schnell und Steiner Verlag, Regensburg

Reiseführer „Reiselust Stauferzeit“, hrsg. von Alfried Wieczorek, Schnell und Steiner Verlag, Regensburg

Info: Das Projekt „Die Staufer und Italien“ hat das Mittelalter zum Inhalt, dessen Machtzentren sich auf Burgen konzentrierten, weshalb es eine sehr gute inhaltliche Vorbereitung oder Nachbereitung ist, sich die beiden Burgen-Ausstellungen in Berlin und Nürnberg – vergleiche unsere Artikel – anzuschauen. Über deren Kataloge schrieben wir: Grundsätzlich gibt es zu den beiden Burgenausstellungen in Nürnberg und Berlin drei Bände, denn der Begleitband „Die Burg“ zu den beiden Ausstellungen „Mythos Burg“ und „Burg und Herrschaft“ , alle im Sandstein Verlag, Dresden 2010, faßt die wissenschaftlichen Ergebnisse zusammen, die im Vorfeld zusammenkamen und mitausschlaggebend dafür sind, daß die Ausstellungen mit viel Unsinn aufräumen, was sich in bundesdeutschen Köpfen durch falsche Mär eingenistet hatte.

Natürlich kann man auch die Bände in den jeweiligen Ausstellungen einzeln erwerben, aber im Dreierpack hat man etwas fürs Leben. Was den Nürnberger Katalog angeht, so zeichnet er die acht Stationen der Ausstellungen nach, was dem Lesen und Nachsinnen des Geschauten gut tut, weil man es im Katalog im selben thematischen Zusammenhang sieht wie in der Museumsschau. Die Exponate sind fast alle bebildert und haben ausführliche Texte. Die Literaturangaben stellen sicher, daß Sie die nächsten Jahre keinen Lektüremangel kennen und das alphabetische Personenregister macht möglich, daß Sie bekannte Künstler oder Personen der Geschichte sofort finden, auch ohne die acht Stationen nach ihnen durchzublättern.

Auch für Erwachsene geeignet der Kinderkatalog „Die Burgenratten sind los“ zu „Mythos Burg“, hrsg. von G. Ulrich Großmann, Germanisches Nationalmuseum 2010, in dem kulturgeschichtliche Grundlagen auf kindlicher Fragestellung gelegt werden und ein Glossar endlich „die Motte“ erklärt: „Frühe Form der Burg mit einem turmförmigen Gebäude, das meist aus Holz errichtet war und auf einem künstliche errichteten Hügel stand“. Angenehm, wie stark dieser Katalog auf das Leben der Leute auf den Burgen, einschließlich ihres Speiseplans eingeht. Die „Armen Ritter“ werden als Rezept mitgeliefert, einmal auf rheinfränkisch, Original von 1445, dann die hochdeutsche Übersetzung. Witzig ist, daß sich das alte Deutsch liest, wie ein Ausländer Deutsch spricht.

Internet: www.staufer2010.de

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