Im Land der Mormonen – Serie: Eindrücke aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (Teil 2/6)

Ständig neu einströmende Siedler stärkten seine religiöse Bewegung, die sich nennt: „The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints“. Und 50 Jahre später kurz vor Beginn des 20 Jahrhunderts wurde der Bundesstaat Utah ausgerufen, der Mormonenstaat. Auf dem Weg nach seiner Hauptstadt, Salt Lake City, erreicht man wenige Kilometer vom Highway entfernt, gut ausgeschildert, die historical site Cove Fort.

Ein befestigtes Motel für Postkutchen

Im April 1867 erteilte der rührige Präsident der Mormonen Brigham Young seinem Anhänger, dem Schmied Ira Hinckley, den Auftrag, eine Tagesreise mit der Postkutsche von der Stadt Fillmore entfernt, einen befestigten Ort für Übernachtungen zu bauen. Noch im gleichen Jahr wurde das Fort mit einer Mauer von 100 Fuß Länge und 18 Fuß Höhe fertig gestellt und diente mehr als 20 Jahre den Mormonen wie allen Durchreisenden als sicheres Quartier, ehe eine Eisenbahnlinie die Funktion des Forts erübrigte und es verkauft wurde. Die Nachkommen der Familie Hinckley kauften einhundert Jahre später das Fort zurück und bauten es als einen historischen Platz der Besiedlung in der Pionierzeit Amerikas aus.

Auf dem großflächigen Parkplatz werden wir von einem freundlichen älteren Herren begrüßt. Er trägt ein blütenweißes Hemd und einen großem schwarzen breitkrempigen Hut und lächelt. Wie vor 150 Jahren haben der 67 jährige Rentner Ronald Degen und seine Frau von ihrer Mormonengemeinde einen Auftrag bekommen. Sie sollen für ein halbes Jahr die Besucher durch das Cove Fort führen und über seine Geschichte erzählen. Dazu kampieren sie in der Nähe in einem Wohnwagen

Ronald Degen, der jahrzehntelang im Westen der USA Strommasten aufstellte und Elektrokabel spannte, ist ein angenehmer Plauderer. Er erzählt von den Hausherren im 19. Jahrhundert, der Mormonenfamilie Hinckley und ihrem Alltag. In der Küche steht ein langer Tisch, an dem die Fahrgäste der Postkutsche und durchziehende Siedler, nicht selten bis zu 20 Personen, gemeinsam gegessen haben. Hier wurde natürlich nur selbst angebautes Obst und Gemüse, Fleisch aus eigener Züchtung oder Jagd aufgetischt. Dann besichtigten wir den Frauenraum. Im Mormonen-Fort schliefen Männer und Frauen, auch Ehepaare, getrennt. In einem der liebevoll historisch eingerichteten Zimmer stellt Ronald Degen die Frage an seine Besucher, ob sie die vier Quellen des Lichts in dem Raum aufzählen können. Es werden das Fenster, der Kamin und die Lampe genannt, doch eine fehlt. „Die wichtigste Quelle der Erleuchtung liegt hier auf dem Tisch“ sagt Ronald Degen andächtig und zeigt auf eine Mormonen-Bibel.

Tempel mit vielen Kirchturmspitze

Ein toller Service für Touristen, die die Welthauptstadt der Mormonen, Salt Lake City besuchen, ist die kostenlose Straßenbahnfahrt auf einer Ring-Strecke in Down Town. Die Straßenbahn hat kompakte schwergewichtige Waggons, fast wie bei einer Eisenbahn und mit mindestens vier und mehr Waggons eine beträchtliche Länge. Vom Führerstand vorn in der Zugmaschine hört man kein nervöses Klingeln einer Straßenbahn, sondern einen Signal-Ton, der einem kilometerlangen Überland-Express würdig ist.

Zentraler Anlaufpunkt für Gläubige wie Ungläubige ist der „Temple Square“. Im Mittelpunkt steht der Mormonen-Tempel, die Hauptkirche. Sie wurde von der ersten Mormonen-Generation in einem Zeitraum von 40 Jahren errichtet und 1893 vollendet. Dieser riesige Tempel mit vielen Kirchturmspitzen ist nicht für die Besucher offen. Der monumentale Bau wird in einem Besucherzentrum an einem Modell genau beschrieben und kann für Hochzeiten und Taufen der Mormonen genutzt werden. Zu dem Gesamtkomplex gehören das Mormonen-Tabernacle, ein großer Konzertsaal mit einer Orgel, zwei Besucherzentren und das erst 2002 eröffnete riesige Konferenz-Center mit 21.000 Plätzen (!). Im Besucherzentrum steht die bekannte Christus Statue von dem dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldson. Eine Information zu Werk und Autor haben sich die Mormonen gespart. Ein dienstbarer Geist aus dem Mormonenteam begleitet die Neugierigen mit dem Fahrstuhl auf das Dach des Konferenzzentrums.

Übrigens gehört zu der gesamten Kultstätte auch ein Wolkenkratzer, sozusagen das Finanzministerium der Sekte. Immerhin sind alle begehbaren Einrichtungen kostenfrei zugänglich, allerdings lauern überall junge und ältere Mormonen, die ihre Informationen und Botschaften anbringen wollen. Aber niemand ist aufdringlich.

Ganz in der Nähe steht das Beehive House. Hier wohnte der Führer des Mormonenzuges nach Utah, Bringham Young. Gleich daneben wurde das Lion House errichtet. Für die schnell wachsende Familie des Sektenführers, angeblich brachte er es auf 27 Ehefrauen und 56 Kinder, musste Platz geschaffen werden. Die Mehrfach-Ehen, einst ein Markenzeichen vor allem für die Führer der Sekte, sind schon seit hundert Jahren in den USA verboten und werden deshalb offiziell von den Mormonen nicht mehr praktiziert. In letzter Zeit sind auch einige andere kernige Regeln wie das strikte Alkoholverbot arg durchlöchert. Zwar gibt es in Salt Lake City nach skandinavischem Vorbild für hochprozentigen Alkohol noch so genannte Liquor Stores, aber man muss in der Stadt nicht lange suchen, um einen Pub zu finden mit mindestens 20 Biermarken und einigen Whiskysorten zur Auswahl.

Antilope Island im Salzsee

Nur knapp 20 Meilen von Salt Lake City entfernt liegt Antelope Island, verbunden durch einen schmalen langen Damm. Mit neun Dollar Eintrittsgeld kann man auf die Insel fahren.

Auf der Insel befindet sich die Fielding Garr Ranch, die von 1848 bis 1981 betrieben und danach in einen staatlichen Park umgewandelt wurde. Das Wohnhaus der Farmerfamilie fungiert als ein begehbares Museum für ländliches Leben. Die Einrichtung zeigt wenig Spektakuläres, dafür den Alltag mit schwerer Arbeit und armseliger Einrichtung, die wenig Zerstreuung bot. Alte vor sich hin rostenden Traktoren stehen malerisch auf der Ranch herum. Bereits im 19. Jahrhundert wurden auf der Insel mehrere hundert Bisons angesiedelt. Später kamen auch wieder Antilopen dazu, die bereits auf der Insel lebten als sie erschlossen wurde und ihr den Namen gaben. Heute werden 800 Bisons auf der Insel gehalten. Jedes Jahr im Oktober kommen Cowboys auf die Insel, fangen die Tiere ein, registrieren sie. Mit dem Verkauf von rund 250 Tieren wird der seit 1981 gebildete Antilope Island State Park finanziert. Die verbleibenden 550 Bisons überwintern in ihren Herden in der freien Natur.

Von der Insel besteht aus besteht die beste Möglichkeit, im großen Salzsee schwimmen zu gehen. Badende waren weit und breit nicht zu sehen. Am Anfang muss man durch knietiefes von Algen total bedecktes warmes Wasser waten. Erst nach etwa 300 Metern wurde das Wasser klarer, aber immer noch nur etwa einen Meter tiefer. Auf dem Rücken liegend, schwimmt man auf dem lauwarmen salzigen Wasser wie eine alte Luftmatratze. Das ist keine Kunst, schließlich hat das Wasser einen Salzgehalt von 25 Prozent. Dreht man sich auf den Bauch, gelingt es kaum, normal zu schwimmen, weil der hintere Körperteil so viel Auftrieb hat – ein ungewöhnliches Gefühl. Am Strand befinden sich Duschen, die bei Geldeinwurf (vier Minuten für einen Dollar) ihre Arbeit aufnehmen.

Antilope Island besitzt eine bergige Landschaft. Vom Buffalo Point schaut man über die Insel, an einigen Stellen sind die Büffelherden zu entdecken. Und dann wird dem Besucher auch ein Gefühl von wirklicher Freiheit vermittelt, wenn eine Antilope in angemessener Entfernung in einer langen Bucht in scheinbar unendlicher Ruhe entlang schreitet. Auch eine Formation von sechs Wildgänsen, die schnatternd vorbei fliegen, kann die Antilope in ihrem erhabenen Gang nicht stören.

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