»Friedlicher, sangesfreudiger Mob» – Symphonic Mob mit Robin Ticciati am Sonntag in Berlin

Kent Nagano dirigiert den "Symphonic Mob" am 16. Mai 2016 in Berlin.
Kent Nagano dirigiert den "Symphonic Mob" am 16. Mai 2016 in Berlin. »Der Traum des Dirigenten Kent Nagano» , Dokumentation von Inge Kloepfer und Nadja Frenz, ARTE/NDR, vom Fernseher abfotografiert. Gelaufen am 26.11.17 23.30 auf ARTE.

Berlin, Deutschland (Weltexpress). So entstehen Traditionen. Was 2014 als Versuch begann, findet nun zum fünften Male in Berlin statt: Der »Symphonic Mob». Was ist das? Ein Spontankonzert von Musikern und Sängern, die sich auf einen Aufruf von Musikenthusiasten hin an einem öffentlichen Platz treffen, um gemeinsam zu musizieren und zu singen. Jeder bringt sein Instrument mit (auch die Stimme ist ein Instrument). Nicht nur die klassischen Orchesterinstrumente werden gespielt, sondern auch Gitarre, Okulele, Akkordeon, Saxophon, Blockflöte, Mundharmonika, Amboss, Klopfholz und so weiter.

Diese Form der Volkskultur entstand eines Tages in Toronto, Kanada. Der Orchesterdirektor des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (DSO), Alexander Steinbeis, übernahm sie und organisierte 2014 den ersten Berliner Symphonic Mob – auf Anhieb mit 400 Musikern und Sängern. Der Erfolg reizte zum Weitermachen. Seit 2015 findet der Mob auf der Piazza der Mall of Berlin statt. Die ist überdacht, wetterunabhängig. Die Besitzer wissen natürlich den Imagegewinn zu schätzen und stellen Räume und Technik kostenlos zur Verfügung. Das gilt auch für andere Kooperationspartner, die die Proben ermöglichen.

Spontan und professionell

Spontan im Wortsinne ist das Konzert insofern nicht, als es von den Musikern des DSO höchst professionell organisiert wird. Sie stellen die Noten für jede Stimme in vereinfachter Fassung, die Laienmusiker spielen können. Die Musiker halten mit Instrumentengruppen Proben ab und spielen selbst mit. Spontan aber ist der Mob in jedem Falle für Laienmusiker und Chorsänger jedes Fachs und jeden Alters. Sie kommen mit Begeisterung, lassen sich gern »schulen» und erleben die Gemeinsamkeit mit vielen anderen und mit den Profis. 2016 waren es schon 1000 Musiker und Sänger, dirigiert von Kent Nagano, der in seiner Laufbahn bereits mit vielen Laienmusikern gearbeitet hatte, aber von der Masse seiner »Musikanten» überwältigt war.

Offen für alle

Das Projekt »Symphonic Mob» ist offen für alle Orchester und Amateur-Musiker. Es fand viele Nachahmer in deutschen Städten, die vom Angebot der Noten Gebrauch machen können, inzwischen aus einem ansehnlichen Archiv. Es geht nicht um eine Schablone, sondern um den praktischen Nutzen. Die Orchester können auch ein Programm nach eigenem Geschmack gestalten. 2017 wurden Symphonic Mobs in Schwerin, Ludwigshafen, Hamburg, Halle, Berlin, Göttingen und Frankfurt an der Oder organisiert. Dieses Jahr ging ein Symphonic Mob bereits in Halle, Bremen, Coburg und Frankfurt an der Oder »auf die Straße», in Frankfurt polnisch und deutsch. Halle und Frankfurt veranstalten ihn bereits zum dritten Mal und wollen weitermachen.

Robin Ticciati zum zweiten Mal »am Pult»

Der neue Chefdirigent des DSO, Robin Ticciati, begeisterte sich sofort für das Massenkonzert und leitete es bereits im September 2017. Fest stand für ihn, dass alle Mitglieder seines Orchesters mitwirken sollen und dass zudem ein erfahrener Chor den Kern des Massenchors stellen muss – der Rundfunkchor Berlin mit 60 Sängern. Der Andrang ist gewaltig. Bis zum Montag hatten sich 1250 Teilnehmer angemeldet. Das Spektakel beginnt am Sonntag um 14 Uhr mit der Generalprobe und um 15.30 Uhr mit dem Konzert. Gespielt werden »In der Halle des Bergkönigs» von Edvard Grieg und »Nimrod» von Edward Elgar sowie von Giuseppe Verdi der »Choro di Zingari» aus »Der Troubadour» und der Chor »Patria oppressa» aus »Macbeth». Beste künstlerische und pädagogische Anleitung sind sicher, doch Ticciatis Anspruch auf hohes künstlerisches Niveau könnte auch den Schwung der Massenbeteiligung bremsen – an Orten, wo die Basis schmaler ist. Das Motto »Ihr spielt die Musik» meint »Musik von allen für alle».

Einen interessanten Zungenschlag tat das DSO in der Ankündigung, jeder könne kostenfrei mitmachen oder zuhören. Das sollte für eine Massenveranstaltung selbstverständlich sein, aber im Spätkapitalismus dreht sich eben alles ums Geld. Nichtsubventionierten Orchestern zum Beispiel fehlen die Mittel für das Allernötigste. 2015/2016 wurde das DSO (verdient) von der Bundeskulturstiftung gefördert, womit es die Internetplattform symphonic-mob.de einrichten konnte, zum Nutzen aller, die die Noten übernehmen. Wie wäre es, wenn die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) eine Förderung für jedes Orchester aussetzte, das einen Symphonic Mob veranstalten will – für alle, nicht nur für Ausgewählte?

Symphonic Mob, Sonntag, 23. September 2018, Mall of Berlin, Leipziger Platz 12, 14 Uhr Probe, 15.30 Uhr Konzert

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