Ich bin eine Mission – „Zwischen Himmel und Erde” dokumentiert Christian Labharts Bild von „Anthroposophie heute“

Der ursprüngliche Filmtitel lautete schlicht „Anthroposophie heute“. Wäre er beibehalten worden, hätten vermutlich nur Anthroposophie-Anhänger und Waldorf-Schulklassen Labharts Dokumentarfilm gesehen. So kommen noch diejenigen hinzu, die hinter „Zwischen Himmel und Erde“ eine Wiederaufführung der britischen Tragikkomödie „Among Giants – Zwischen Himmel und Erde“ vermuten oder eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der umstrittenen Weltvorstellung Steiners erwarten. Letztes wird nicht ansatzweise erreicht, dieser Film hat dies aber auch gar nicht vor. Sechs positiven Stimmen bekennender Anthroposophen steht lediglich eine skeptischen gegen. Doch deren Kritik ist so zaghaft, dass sie kaum als solche zu bezeichnen ist: „Ich habe nichts gegen Anthroposophen.“, versichert Christoph Homberger. „Aber ich kriege nicht die Antworten, die ich einfordere.“ So ergeht es auch dem Kinopublikum. Der Kernbegriff der Anthroposophie wird nie objektiv definiert. Stattdessen beschreiben dessen Anhänger in verklärenden Worten, was sie darunter verstehen und wie sie deren Begründer wahrnehmen. „Einen wunderschönen Jüngling“ auf einer Fotografie des Studenten Steiner und „den Denker“ auf einer späten Aufnahme. Eine Lehrerin der Waldorfschule erzählt von der Inspiration, welche Steiner und die Anthroposophie für ihren Unterricht darstellen. Man hört viel über umfassende Kräfte und das Große und Ganze: „Ich schaue in die Welt.“, wird Steiner zitiert. „Was will man mehr sagen?“ Wie wäre es mit etwas Informativem, Gehaltvollem über die Widersprüche Steiners? Etwa seine in Vorträgen geäußerten rassistischen Äußerungen, dass die Schwarzen Licht und Wärme im Weltraum aufsaugen würden und die Europäer der Ausgangspunkt alles Menschlichen seien? Oder sein esoterisch angehauchtes Obskures und sein Mystizismus?

Stattdessen fallen inhaltslose Floskeln und schön klingende Worthülsen. Das böse Wörtchen „Sekte“ fällt indes nur einmal, in ablehnender Form: der Vorwurf sei unberechtigt, meint Bodo von Plato, Vorstand des Goetheanums. An Bodo von Plato ist nicht nur sein Name unheimlich. Er sieht ein wenig aus wie Willem Dafoe. Der spielt im Kino fast immer Psychopathen, die erst normal tun und dann mit teuflischem Lachen alle abmurksen. Von Platos Äußerungen klingen nach einer sorgfältig ausgearbeiteten Rede, die er oft vor Publikum vorträgt. Nimmt man sie auseinander, bleiben die bekannten Phrasen: „Das drückt etwas aus.“ Was verrät von Plato nicht. Die übrigen Anthroposophie-Anhänger werden durch ihre eigenen Äußerungen ausreichend charakterisiert. Einen selbsterklärten „biodynamischen“ – vermutlich ist Biodynamik etwas „allumfassendes Strenges, aber dennoch Offenes“, was „die Dinge im Ganzen“ sieht – Bauern ereilte eine Vision auf einer Wanderung mit „Esel, Hund und Gitarre“. Ein Journalist und Zeitungsredakteur sagt: „Man kommt auf die Erde als eine Mission. Jeder Mensch ist eine Mission.“ Falls dem so wäre, ist Labhart wohl die Mission, der Anthroposophie ein filmisches Ehrenmal zu setzen. „Wenn man das fühlen kann, wird einem klar, dass nichts, was man tut, albern ist.“, fährt der Journalist fort. An seinen nächsten Satz hat er da wohl nicht gedacht: „Wenn ich so durch die Welt gehe, dann gehe ich plötzlich ganz anders.“

„Zwischen Himmel und Erde – Anthroposophie heute“ wirft neben vielem anderen die Frage auf, ob Regisseur Christian Labhart seine eigene Überzeugung auch als T-Shirt-Aufdruck im wahrsten Sinne vor sich herträgt, wie jener Redakteur einer Frankfurter Anthroposophie-Zeitschrift, der wie angeblich jeder Mensch eine Mission ist. Vermutlich nicht, denn „Zwischen Himmel und Erde“ ist in seiner kritiklosen Frontalität unmissverständlich. Eine Interviewte bringt es auf den Punkt: „Ich spüre ein großes Vakuum.“ Das gleiche gilt im Kino.

Titel: Zwischen Himmel und Erde – Anthroposophie heute

Land/ Jahr: Schweiz 2009

Genre: Dokumentarfilm

Kinostart: 4. März 2010

Regie und Buch: Christian Labhart

Mit: Bodo von Plato, Christoph Homberger, Martin Ott, Susanne Wende, Sebastian Gronbach

Laufzeit: 88 Minuten

Verleih: mindjazz-pictures

www.mindjazz-pictures.de

www.zwischenhimmelunderde.ch

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