„Honfleur, entre tradition et modernité 1820-1900“ im Musée Eugène Boudin in Honfleur – Serie: Die Normandie feiert mit zahlreichen Impressionistenausstellungen auch sich selbst! (Teil 2/2)

Eugène Boudin, la route de Trouville í  Honfleur vers 1860, huile sur toile - 57x 83 cm

Erst einmal ein Lob, wie gut die Ausstellungmacher das hinbekommen haben, einen einzigen Ort und seine vielen Ansichten von so vielen Malern dennoch übersichtlich und spannend zu halten. Dazu tragen auch die riesigen „Käseglocken“ bei, die wir so bezeichneten, weil im Ausstellungsraum, wo die Bilder ja an den Wänden hängen, auf Tischen mit einer großen Glaskuppel jeweils die kleineren Formate liegen, appetitlich angerichtet sozusagen, denn würden die an der Wand hängen, würden sie von den großen Ölgemälden erschlagen. So aber schauen sich die Besucher diese kleinen Ölskizzen wie Preziosen an, so wie Juwelen unter Glas. Auch der Eingang ist mit drei Glasfenstern erst einmal hervorstechend, denn hier wird gezeigt, daß nicht erst mit dem Impressionismus Ort und Gegend ein Ziel für Maler wurde.

Alexandre Dubourg (1821-1891) malt das alte Becken, Herz der Hafenstadt, umrandet von Häusern am Kai, er malt Sankt Catherinen und den geschäftigen Markt, er malt Saint-Siméon, wo unter grünen Bäumen gerastet wird, denn eigentlich sind es die Menschen, die vielen kleinen dahingehauchten und getupften Figuren, die seinen Bildern Leben einflössen und diesen Moment von Gegenwart erzeugen, der morgen schon ganz anders ist. Das Zufällige, das Flüchtige, das Augenblickliche spricht sehr stark aus diesen Bildern, für die – merkwürdigerweise – auch deren Gegenteil gilt: das Ewige, das für immer Seiende. Allein diesen doch eigentlich widersprüchlichen Gedanken nachzuspüren, der in den Bildern in eins geht, beschäftigt einen in der Ausstellung. Denn Dubourg, der ja die Stadt in jeder Hinsicht wiedergibt, malt auch die dunklen Wälder, wo Menschlein wirklich nur noch als Staffage auszumachen sind, um die es nicht gehen kann, wenn die majestätische Natur spricht: Hier bin ich. Hier bleibe ich.

Camille Corot (1796-1875) ist auch hiergewesen. Dieser große Maler ragt auch hier aus seinen Nachbarn deutlich heraus. Dunkel wirkt sein Gemälde nur im Vordergrund, das in Honfleur das helle Meer zwischen großen Bäumen durchschimmern läßt. Eine völlig einsichtige Lichtgebung, denn das Blaugrau des Himmels spiegelt sich auf der Meeresoberfläche wider, aber nicht einfarbig, oh nein, da kann man zwischen Weiß und Grau und Blau so alle Farbtöne unterscheiden, die alle zusammen dann Himmel und Meer ergeben, streng getrennt durch den Streifen am Horizont. Das Licht bricht durch die Zweige Corots hoher und nur oben belaubter Bäume, während unten zwei normannische Bäuerinnen mit weißen Hauben Rast machen.

Rast wird sehr oft auf diesen Bildern in der Umgebung von Honfleur gemacht. Gehört das auch zum Impressionismus?, überlegen wir uns, daß so oft die Menschen in gelöster Stimmung und ruhender Haltung gezeigt werden? Das ist nicht falsch, aber noch richtiger ist, daß es zum Genre Malerei eben auch der stillhaltenden Menschen bedarf, die beispielsweise Modell stehen. Sehr selten sind wirkliche Aktionen wie beispielsweise Kampfhandlungen in Gemälden wiedergegeben. Aber im Impressionismus und vor allem bei den Strand- und Badebildern herrscht naturgegeben die Ruhe, die Kontemplation, das Liegen, das Sonnenbaden, das am Tisch Sitzen und Essen und Trinken vor.

Und damit wären wir bei Eugène Boudin , der 1854 das Mädchen auf der Wiese sitzen läßt, 1860-65 eine Gruppe mit roten und blauen Farbtupfen auf dem Gras lagern läßt, 1861-1865 die windgeschüttelten Bäume sich wiegen läßt und 1859-1863 das Pferdefuhrwerk nach Trouville fahren läßt. Was es mit den Entstehungszeiten der Bilder auf sich hat, haben wir nicht herausbekommen. Hat er sie immer erst Jahre später fertiggestellt oder im Nachhinein verändert? Auf jeden Fall hat er jeden Flecken seiner Heimatstadt abgebildet und so sind in seinem Museum tatsächlich 55 Werke für diese Ausstellung zusammengekommen, die eine Huldigung an Honfleur sind. Man sieht seinen Bildern seine Entwicklung hin zum Licht an.

Aber wenn man ihn als Impressionisten bezeichnet, muß man wissen, daß er es war, der tatsächlich hier oben mit dem Freilichtmalen begann und das wechselnde Licht und seinen Einfluß auf die Farb- und Formwirkung von Natur und Architektur auf die Leinwand bannte, daß er aber noch absolut der Farbpallette seiner Zeit verhaftet blieb: also in dunklen Farbtönen malte und erst nach 1870, vor allem nach 1880 auch zu hellen Tönen fand. Das Dunkle war erst einmal Tradition und wenn sich heute mit Impressionismus helle Farben, vor allem das Weiß, das Blau, das Grau verbinden, sind es diejenigen, die von ihm gelernt haben. An erster Stelle Claude Monet (1840-1926).

Machen Sie den Versuch und gehen Sie mit leicht zugekniffenen Augen durch die Ausstellung und suchen sich ihre Lieblinge heraus. Die Monets fallen Ihnen sofort in die Augen. Die beiden Schönen am Strand von Trouville, 1870-1871 gemalt, ist ein hinreißendes Dokument für Langeweile und Erwartung von jungen Mädchen. Aber es gibt weitere bekannte Namen, die einen in der Ausstellung über Honfleur erstaunen. Auch die sogenannten Nabis: Felix Valloton und Emile Vuillard waren hier, es kamen Raoul Dufy, Georges Braque, Gustave Moreau, Gustave Courbet und Constant Troyon. Aber diejenigen, die diese Ausstellung tragen, heißen neben Boudin und Dubourg: Paul Huet (1803-1869), Eugène Isabey (1803-1886), Adolphe-Félix Cals (1810-1880), Johan Barthold Jongkind (1819-1891) und Henri Guérad (1864-1897). Es lohnt sich, mit ihnen die Reise in das frühere Honfleur zu machen, das sie anschließend beim Sitzen im Bistro und den drei „C“ am Hafen noch mehr lieben.

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Ausstellung: bis 6. September 2010

Katalog: Honfleur entre tradition et modernité. 1820-1900, íˆdition Societé des mais du musée Eugène Boudin 2010. Für die Katalogtexte, die in verschiedene Themen einführen wie: Der Salon der Impressionisten, Baudelaire und Boudin in Honfleur, Bilder der französischen Seefahrt, muß man schon Französisch können, aber die anderen Katalogteile nützen auch den nur Deutschsprechenden. Denn neben der Abbildung der Werke – ganzseitig und umfassen und dafür kauft man ja Kataloge – gibt es im hinteren Teil noch wichtige Hilfestellungen. Sucht man zum Beispiel einen Maler, wird in der Liste der ausgestellten Werke eine Namenliste präsentiert, wo man erst einmal über das fehlende ABC staunt, dann aber schnell versteht, wie sinnvoll das ist: es werden nämlich die Künstler der Reihenfolge ihrer Geburt nach gelistet, was einem eine gute Nachhilfe gibt. Innerhalb des Namens sind dann vorbildlich erst die Katalognummern angegeben, dann aber zusätzlich die Seite im Buch. Schon beim Blättern sieht man sofort, wer als Ausnahme in Honfleur war, und wer dort ständig zu Hause war und malte.

Info: Wir konnten die Ausstellungen des Impressionisten-Festivals mit sehr freundlicher Unterstützung der Französischen Bahnen SNCF durchführen. Zugfahren macht das Informieren leichter. Auf dem Hinweg waren das die Reiseliteratur und auf der Rückfahrt die diversen Kunstkataloge. Die schnelle Fahrt im ICE geht von Frankfurt nach Paris im Katzensprung, vier mal täglich möglich. Vom Gare de l`Est zum Bahnhof Saint Lazare wechseln, wo Sie in knapp zwei Stunden in Pont L`Eveque sind, einer besonders guten Ausgangsstation für die Normandie. Das ist keine reine Zugfahrt, sondern eine Besichtigungsfahrt der Normandie, von der man vor allem das tiefe satte Grün der Weiden und Wälder in Erinnerung behält. Einschließlich des friedlich weidenden Viehs. Entnehmen Sie die Ausstellungen und das darüber hinausführende Programm des gesamten Impressionisten-Festivals der Webseite.

Internet: www.normandie-impressionniste.fr, www.sncf.com

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