Heute wäre Frank Zappa 70 Jahre alt – Serie: Unvergeßlicher Frank Zappa (Teil 1/2)

Wir haben Frank Zappa in Frankfurt noch lebendig erlebt, was schlicht ein Ereignis war. Nichts da mit Bürgerschreck oder launischem Star, mit Gitarrenzertrümmerer oder Hippie. Frank Zappa war einer, der sich über seine Rolle in der Welt und seine davon abgetrennte Person klar definierte: „My secret ist I know what I’m doing.“ Wer kann das schon so sicher von sich behaupten. Zappa konnte es und wenn man heute rückblickend sein Leben, sein enormes Arbeitspensum, seine Kraft und Leidenschaft für das Musikmachen interpretiert, dann kommen einem solche Gedanken wie die, er habe gewußt, daß er nicht genug Zeit habe”¦

Hinzu kommt, daß er erst in den letzten Lebensjahren musikalisch da angelangt war, wohin er immer wollte. Daß dies mit dem avantgardistischem Ensemble Modern, in Frankfurt beheimatet, zu tun hat, konnte die Welt erst einmal nicht glauben und die Frankfurter erst, nachdem sie das Ergebnis: „The Yellow Shark“ gehört hatten, das übrigens als letztes Album zu seinen Lebzeiten im Oktober 1993 erschien. Wir Journalisten konnten aber schon zuvor bei den Proben und bei einer Pressekonferenz das Anderssein des Frank Zappa bestaunen, anders, als sein oberflächliches Bild transportiert worden war. Kenner allerdings wußten sowohl um seine musikalische Qualität wie auch um seine aufklärerische und überhaupt nicht populistische Gesinnung früher. Eigentlich sollte man von Haltung sprechen, denn Zappa besaß sie.

Obwohl er damals schon sehr krank war, zog Zappa die Proben in der Alten Oper im September 1992 mit dem Ensemble Modern durch. Heiter, listig, sophisticated und gütig, sind die Ausdrücke, die einem als wichtigste einfallen und voller Arbeitsintensität und musikalischen Gedanken, die im Hin und Her mit den Musikern aufblitzten, vergingen, weitergesponnen wurden. Ein unglaublich offener musikalischer Dialog und ein menschlicher auch. In ein paar Tagen wurden alle, die das mitbekamen, mitgerissen. Vorbereitet hatte sich sein Gastspiel in Frankfurt, das in Berlin und Wien ohne ihn fortgesetzt wurde, aber schon im Vorjahr. Da waren nämlich das Ensemble Modern auf eigene Faust zu Frank Zappa und seinem Studio nach Los Angeles gereist. Man wußte, daß er an den CDs des Orchesters Gefallen gefunden hatte und beim direkten Kontakt passierte das, was alle hofften: man fand die gemeinsame Sprache.

Und so wurde im September 1992 in der Alten Oper sein Orchesterwerk „The Yellow Shark“ uraufgeführt, das in technischer Präzision vom Ensemble Modern verwirklicht wurde, wie sie zuvor Frank Zappe niemals erlebt hatte, aber sich immer vorgestellt hatte. Es hatte für ihn sich das verwirklicht, was ihm mit 14 Jahren vorschwebte: rhythmische Vielfalt, Mischung von E- und U-Musik, Spannung zwishen Text und Musik, deren ironische, ja geradezu satirische Zuspitzung, insgesamt eine collagenartige Kompositionstechnik, die aus vielen kleinen Bächen einen gewaltigen Strom machte. Warum mit 12 Jahren schon?

Damals, im Juli 1953 schon war der spätere Komponist, Musiker und Weltgitarrist nämlich in einem Zeitungsartikel auf den italienischen Komponisten Edgar Varèse (1883-1965) aufmerksam geworden und auf dessen Complete Works, Vo. 1. Er kaufte sich gebraucht diese Langspielplatte und war verzückt, insbesondere vom Stück „Ionisation“, das 13 Schlagzeuger braucht. Später wünschte er sich zum Geburtstag ein Ferngespräch mit Varèse, wurde kurz vor seinem Tode vom ehemals besten und uralten Freund des Komponisten besucht. Die Neue Musik und die auf der Platte angegebenen Komponisten Bela Bartok, Igor Strawinski und Anton Webern haben seinen Stil, alles zur Musik zu machen, mit Geräuschen zu experimentieren, mit Stimmen, Elektronik und Texten und Collagen fundiert.

Trotzdem ist er für die Welt der Pop Papst gewesen, insbesondere die amerikanische Welt, die recht undifferenziert seine Provokationen und Sprüche zum anlaß nahmen, ihn zum Antichristen zu stilisieren. Dabei hätte Amerika nur seinen Texten zuhören müssen. Denn auch wenn er die Hippiebewegung zuerst unterstützte und ihr Teil wurde, war ihm schnell das Unpolitische daran und die Vereinnahmung dieser Haltung durch den Kommerz aufgefallen und er sagte, wo er konnte, dazu deutlich seine Meinung. Am besten ging das in seinen Liedern. In denen spricht er sich auch immer wieder gegen Drogen aus, die er selbst nie nahm und vermittelt eine antiautoritäre Grundhaltung.

Haben Sie gewußt, daß er noch Vaclav Havel getroffen hat, der ihn bewunderte, und dessen kultureller Berater er wurde. Ein Schock für den amerikanischen Botschafter der Tschechoslowakei. Wahrscheinlich waren die vorherigen Botschafter nicht so geschockt, wenn Sie hörten, daß Zappa-Musikhörer ins Gefängnis kamen. Haben Sie gewußt, daß er Präsident der USA werden wollte, die Krankheit verhinderte die Bewerbung. Haben Sie gewußt, daß Frank Zappa ein und dieselbe Ehefrau hatte (seine 2.), mit der er vier Kinder hatte.

Die Älteste, Moon Unit Zappa hat ein Buch geschrieben „America the Beautiful“, das 2001 bei Wilhelm Heyne auf Deutsch erschien, „zu 17,2“ Prozent autobiographisch“ und wo sie ihre nun wirklich unkonventionelle Kindheit sehr liebevoll verarbeitet. Auch sein Sohn Dweezil, ebenfalls Gitarrist, der davon lebt, daß er die Stücke seines Vaters spielt, sein Leben lang, war schon mit zwölf Jahren zusammenmit ihm öffentlich aufgetreten. Alle seine Weggenossen sprechen von ihm mit höchster Anerkennung und Liebe. Es wird Zeit, daß sich dieses Bild neben dem des Bürgerschrecks auch durchsetzt. Es muß es nicht ersetzen, denn schließlich wußte Zappa ganz genau, daß dieses kleinbürgerliche Amerika solche Gegenfiguren braucht.

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