"Come on Jim, we need the money!" Staub wirbelt auf, Hufe donnern über den vertrockneten Grasboden. Den Oberkörper tief gebeugt neben dem Pferdehals verlangt Jim das Äusserste von seinem Pferd. Knapp, sehr knapp, nur eine Kopflänge vor dem Gegner senkt der Schiedsrichter die Zielflagge. Neben uns wird getrampelt, jung und alt fällt sich gegenseitig in die Arme, man klatscht und schwenkt die Cowboyhüte. Dem glücklichen Gewinner winkt eine Geldprämie. Schauplatz des Ganzen: Big Island – Hawaii.
Die Straße nach Waimea, im nördlichen Teil, führt langsam aber stetig bergan. Auf den runden Hügeln zeigt sich ein zartes Grün, wie mit Samt überzogen. Wohl keiner würde auf der jüngsten der hawaiischen Inseln die größte private Ranch der USA vermuten: Samuel Parker legte den Grundstock, als er 1815 nach Hawaii kam. Heute besitzt die legendäre Parker Ranch 90 000 ha Land, auf dem 50 000 Stück Vieh weiden. Jedes Jahr werden ca. 6 000 Rinder nach Oregon verschifft und dort verarbeitet. Höhepunkt des Sommers ist das Rodeo. Jede Altersgruppe ist vertreten und zeigt ihr Können auf dem Rücken von bockenden Pferden und Bullen. Selbst die Dreijährigen versuchen solange wie möglich auf den dicht gelockten Schafböcken auszuharren. Bevor sie im Sand landen werden sie von ihren stolzen Vätern aufgefangen. Früh übt sich was ein hawaiischer Cowboy, ein "Paniolo" werden möchte. Nur 700 Meter hoch liegt der Ort im nördlichen Teil der Insel. Innerhalb kürzester Zeit verläßt man das heiße Küstenklima und betritt eine völlig andere Welt.
Die ständig durchziehenden Passatwolken sorgen für ausreichend Niederschläge. Grüne Wiesen und Wälder bilden einen angenehmen Kontrast zu den schwarzen Lavahalden, die sich bis zum Pazifik ausdehnen. Das angenehme Klima hat viele betuchte Senioren und Künstler ins Hochland gelockt. Bei klarem Wetter bietet sich von hier oben ein herrlicher Blick auf den Mauna Kea. Mit 4205 Metern ist er der höchste Gipfel der Insel. Als winzige weiße Stecknadelköpfe sind die Kuppeln der internationalen Sternwarten sichtbar. Die recht abenteuerliche "Saddle Road" darf mit einem Mietwagen nicht befahren werden. Sie soll jedoch in naher Zukunft einer modernen Straße weichen. Voller Stolz weisen die Insulaner auf die Wintersportmöglichkeiten hin. Hier kann man tatsächlich an manchen Tagen im Dezember die Ski anschnallen.
Unterwegs zu den aktiven Vulkanen liegt Hilo, die beschauliche Hauptstadt mit 38 000 Einwohnern. In verschwenderischer Vielfalt zeigt sich die Vegetation des Regenwaldes, den wir entlang der Ostkküste finden. Es riecht süßlich, leicht vergoren nach den Guaven, die im Straßengraben liegen und verfaulen. Ingwerpflanzen schieben knallrote Blütenstengel aus dem grünen Durcheinander, Papaya und Mango rechts und links des Weges, wahrlich ein Garten Eden. Wir sind unterwegs ins Reich von Madame Pele: Göttin der Vulkane; in den Volcanoes Nationalpark. Nirgendwo auf der Welt kann man so gefahrlos beobachten, wie neues Land geboren wird. Immerhin ist die Insel seit 1983 um 160 ha angewachsen. Wie in allen amerikanischen Nationalparks erhält man im Visitor Center ausführliche Informationen, Wegbeschreibungen, aber auch Verhaltensregeln. Entlang des Crater Rim Drive gewinnt man einen ersten Eindruck über Lavaausbrüche aus jüngster Zeit, sprich den siebziger und achtziger Jahren. Vom Kilauea Iki Aussichtspunkt beobachten wir einige Wanderer, die den Kraterboden durchqueren. Wie winzig klein sie erscheinen angesichts der mächtigen Wände, die den Kraterrand bilden. Im Laufe der Jahre haben sich kleinere Vulkane im Vulkan gebildet. An einigen Stellen strömt heißer Dampf aus Erdspalten. Grundwasser trifft auf heißes Lavagestein und entweicht durch die aufgebrochenen Felsen. Einige Kilometer weiter ein ganzes Feld mit "steam vents". Es stinkt nach Schwefel. Man merkt, dass es unterirdisch arbeitet. Die Lüftungslöcher wechseln dauernd.
Der kürzeste Weg zur "East Rift Zone", wo beständig Lava in das Meer fließt, ist die Chain of Craters Road. Prähistorische Grubenkrater und gigantische Lavafelder säumen die Straße. In manchen Senken haben sich bereits wieder kleine Büsche und Blumen angesiedelt. Schon von weitem ist die weiße Wolke zu sehen. Dann ist die Straße zu Ende, der gelbe Mittelstreifen unter schwarzer Lava begraben. Wer das Schauspiel hautnah erleben möchte, darf einen zwei-stündigen Fußmarsch über kantiges Lavagestein im Schein der Taschenlampe nicht scheuen.
Ein feuriger Glanz erhellt das Dunkel der Nacht, wenn der Kilauea seine heißen Gesteinsströme in den Ozean entläßt. Nichts bleibt wie es war. Jeden Tag kann sich eine neue Stelle öffnen unter dem Druck der dahinströmenden Lava.
Wie eindrucksvoll muss dieses Schauspiel für die ersten Siedler der Insel, die um 500 n. Chr. von Polynesien auf Big Island eintrafen gewesen sein. Viele Sagen ranken sich um die Naturereignisse.
Jurassic Park auf Kauai
Der Hubschrauber neigt sich leicht zur Seite. Grüne Wände kommen uns entgegen. Doch dann schwenkt er in die andere Richtung und steigt nach oben. Unter uns ragen die Na-Pali-Klippen 1000 Meter aus dem Meer heraus. Steile Grate, mit dichtem Grün bewachsen, staffeln sich, einer hinter dem anderen. Mit Recht wird sie als die schönste Küste Hawaiis bezeichnet. Nur 1420 qkm groß ist die westlichste und älteste der acht Hauptinseln. Fünf Millionen Jahre haben des Gesicht des Archipels geprägt: die schroffen Flanken der Na-Pali-Küste und den 1000 Meter tiefen Waimea- Canyon im Landesinneren. Er wird als "Grand Canyon des Pazifiks" bezeichnet. Rote Klippen und Felsformationen erinnern an das Gegenstück in Arizona. Eine ungeheure Vielfalt auf verhältnismäßig engem Raum erwartet den Besucher der Insel. Dinosaurier wandern jedoch nur in Spielbergs "Jurassic Park" durch den Dschungel. Doch schon lange vor ihm schwärmte Elvis Presley von "Blue Hawaii".
Seine üppige Vegetation verdankt das Eiland dem einzigen Vulkanberg, Mt. Waialeale. Er ist mit seiner hohen Niederschlagsmenge der feuchteste Punkt der Erde. Zum Glück regnen sich die Wolken in 1569 Meter Höhe aus, so dass man beruhigt an sonnigen Stränden Badefreuden genießen kann. Die Hauptstadt Lihu ´e liegt an der südöstlichen Küste. Es gibt dort einen Flugplatz und einen wichtigen Hafen. Im Kauai Museum stellen einheimische Künstler ihre Werke aus. Ein Blick zurück in die Zeit der Zuckerbarone gewährt uns die "Grove Farm Homestead".
Theaterszenen auf Maui
Grelle Blitze zucken hinter dem durchsichtigen Vorhang. Geistergestalten auf überlangen Stelzen poltern über die Bühne. Katzenartig schleicht sich eine Figur in das Geschehen. Monotones Trommeln unterstreicht das Unheimliche dieser Szene. Nur eins von vielen Bildern, die die Besiedelung Hawaiis darstellt: Ulalena heißt das äußerst eindrucksvolle Schauspiel, eine kunstvolle Kombination aus Mimik, Musik und Lichteffekten. Erst seit ein paar Jahren wird dem Besucher des historischen Walfängerstädtchens Lahaina im Maui Myth and Magic Theatre diese professionelle Show geboten, die zurückgeht auf alte Sagen, auf historische Tatsachen und Empfindungen des modernen Hawaiianer über die Vergangenheit und Gegenwart.
Draußen in den engen Straßen pulsiert das Leben, besonders nach Anbruch der Dunkelheit.
Gelächter und gute Laune schlägt einem entgegen, wenn man das Pioneer Inn betritt. Der 1901 entstandene Holzbau mit einem großen Innenhof dessen Vorderseite zum Yachthafen hinausgeht, ist ein architektonisches Relikt aus der Walfängerzeit. Fotos und Ausrüstungsgegenstände, aber auch Hausregeln, wie: "Frauen aufs Zimmer nehmen verboten" oder "Durchschlafen nur an Sonntagen erlaubt", vermitteln etwas Nostalgie der damaligen Zeit. Zum Glück dürfen die 200 bis 600 Buckelwale, die im Winter Hawaii aufsuchen nicht mehr erlegt werden. Beobachtungsboote nähern sich vorsichtig den sanften Riesen, ein Mindestabstand von 100 Metern muss eingehalten werden. Unglaublich die elegante Bewegung, mit der sich das tonnenschwere Geschöpf aus dem Wasser katapultiert oder einfach nur mit der Schwanzflosse einen Gruß an die neugierigen Touristen verteilt. Über Mikrofone werden die Verständigungslaute der Tiere übertragen. Gut, dass man nicht versteht, was sie sich sagen. So wie Herman Melville, einer der bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller, ist es sicher vielen ergangen , die Ende des 19. Jahrhunderts Arbeit in Lahaina suchten und keine fanden. Heute blüht der Ort, der wohl neben Honolulu die bekannteste Stadt Hawaiis ist, dank des Tourismus. 1962 wurde sie zum National Historic District erklärt und unter Denkmalschutz gestellt.
Sonnenaufgang- das wäre die beste Zeit, wurde uns gesagt. Man muss sich also früh auf den Weg machen, um dieses Schauspiel auf dem größten schlafenden Vulkan, dem Haleakala, erleben zu können. " Haus der Sonne", heißt der 3040 Meter hohe Berg, dessen Massiv sich aus dem 5400 Meter tiefen Meer erhebt. Kühl, manchmal bitterkalt und oft wolkenverhangen ist es hier oben. Das seltene "Silberschwert", eine eigenartige Pflanze mit dolchartigen silbernen Blättern wird bis zu zweieinhalb Meter hoch, scheint sich nicht an diesen klimatischen Verhältnissen zu stören. Für Freunde des Zweirades muss es ein besonderes Vergnügen zu sein, den Weg zurück zur Küste auf einem entsprechenden Fahrzeug zurückzulegen, vorausgesetzt die Bremsen sind funktionstüchtig.
Oahu – mehr als Waikiki und Wellenreiter
Das Flugzeug schwenkt über den "Black Diamant" und setzt zur Landung an. Hochhäuser, scheinbar endlos an der Zahl, starren uns entgegen. Dann wird das weiße Band sichtbar, der berühmte Strand von Waikiki, dahinter das tiefblaue Meer. Angesichts des Tumults in den Straßen und am Wasser zerfällt sehr rasch das romantische Bild von Strand und Palmen. Der Kultursuchende kommt beim Besuch der Museen auf seine Kosten. Mehr als Mahnung ist Pearl Harbour, wo man an die Ereignisse des II. Weltkrieges erinnert wird. Viele Parks und die Nähe des Meeres lockern die Großstadtatmosphäre auf. Glücklicherweise hat ja alles zwei Seiten, auch diese Insel. Wir erfahren von dem steigenden Selbstbewußtsein der Einheimischen, die nicht bereit sind, den letzten schönen Winkel dem Tourismus zu opfern. Grundstücke und Häuser werden nur noch an echte Hawaiianer verkauft. Und die nehmen alles, auch ihre Probleme recht locker. "Let loose" signalisiert uns der ausgestreckte Daumen und kleine Finger, los lassen ist das Motto der glücklichen Inseln.
Informationen:
Anreise: Die Hawaii-Inseln werden z. B. von der Lufthansa und ihren Star-Alliance-Partnern mit Zwischenstopp in Los Angeles oder San Franzisko täglich angeflogen. Viele Veranstalter haben die zu Polynesien gehörenden Eilande in ihren Programmen. Beliebt ist Inselspringen mit vorgebuchten Mietwagen und Hotels. So gibt es bei America Unlimited Gmbh ab ca. € 1700 eine 22tägige Rundreise mit „Inselspringen“, Details unter: www.america-unlimited.de
Reiseliteratur: Neuerscheinungen im Kunth Verlag, München
„ The World Travel Book – Die 1001 faszinierendsten Reiseziele der Welt“,
ISBN: 978-3-89944-438-4, Seiten: 592, Format: 23,4 x 29,7, Preis: EUR 49,90 und
„Faszination Erde – USA“ (Magnum Edition), 480 Seiten im Großformat, ca. 2000 Fotos, großer Reiseatlas, ca. 1000 Internet-Adresse, ISBN:978-3-89944-460-5, Preis Euro 39.90.
Weitere Informationen unter www.kunth-verlag.de