Gute Gerichte und schlechte Geschichte mit dreisten Dummheiten auf ein Dutzend Seiten oder Was soll „Baltisch kochen“ sein?

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Ein Blick in Wikipedia und wir lesen: „Der Begriff Baltikum erscheint erstmals in der Endphase des Ersten Weltkriegs als Sammelbezeichnung für das deutsche Okkupationsgebiet auf den Territorien der Ostseegouvernements des Russischen Reiches und etwa des Gouvernements Kowno. Er ist von der Selbstbezeichnung „Balten“ abgeleitet, die sich im späten 19. Jahrhundert die Angehörigen der deutschen Minderheit gewählt hatten, aus denen in den baltischen Provinzen des Russischen Reiches die Führungsschicht bestand.“

Die heutigen „Balten“ sind keineswegs die „Balten“ des 19. Jahrunderts in diesem Teil des Russischen Reiches, das zuvor Hunderte Jahre lang Siedlungsgebiet des Deutschen Ordens, dem Deutschordensstaat von von 1230 bis 1561 von der Oder bis zum Finnischen Meerbusen, war. Die Deutschen bauten Orte, vor allem Städte, in denen Deutsch gesprochen wurde. Die deutsche Sprache, vor allem Mittel- und Niederdeutsch, verdrängte die Sprachen der Stämme: Prußisch, Livischm, Kurisch, Lettisch und Estnisch, die nur noch auf dem flachen Land gesprochen wurde. Bald sprach die übergroße Mehrheit der Prußen Deutsch, aber auch die dort lebenden Litauer und die Masowen, die aus Masuren geflüchtet waren. Das Königreich Polen und das Großherzogtum Littauen, ab 1386 in Personalunion, lag – nebenbei bemerkt – zweihundert bis dreihundert Kilometer weit weg vom Baltischen Meer, lat. Mare Balticum, heute Ostsee genannt. Aus dem Land der Prußen wurde Preußen. Auch das deutschsprachige Preußen ist im Verständnis des Autors ein Staat am Baltischen Meer, der – keine Frage – nicht mehr existiert.

Wenn die Autorin von einer deutschen Besetzung dieses deutschen Landes spricht (S. 10), dann ist das ebenso Fälschung von Geschichte wie das Nichterwähnen der Vertreibung der Deutschen bzw. deutsch sprechenden im Osten des Baltischen Meeres. Auf jeder Seite dummes Zeug. 1202 soll es einen Kreuzzug gegen heidnische Balten gegeben haben. Doch als Balten bezeichneten sich die Deutschen der preußischen Küste des Baltischen Meeres. Die Prußischen Stämme waren, wohl war, Heiden, huldigten in der Mehrzahl einer Naturreligion. Doch die Heiden wurden weniger, die Christianisierung setzte Ende des 9. Jahrhunderts ein, wie diejenigen, die die Alt-Preußische Sprache sprechen konnten. Das Mittel- und Niederdeutsche als Ostmittel- und Ostniederdeutsch setzte sich durch. Doch wer sich nicht von tausend Jahren Zeugnis ablegen kann, der muss von Tag zu Tag leben und sollte statt Geschichte besser nur Gerichte wiedergeben.

Die meisten Gerichte, die bei Iburg mit der Herkunftsangabe Estland, Lettland oder Litauen versehen werden, wurden noch von meinen „deutschen“, „preußischen“ Tanten zubereitet, die für mich Heldinnen am Herd und ziemlich heidnisch waren. Ob es die Suppen und Eintöpfe, die Pfannkuchen und Eierspeisen, die vielen Fischgerichte, die Mahlzeiten mit Rindern, Schafen und Schweinen von den Feldern, mit Pilzen und Beeren aus den Wäldern, mit dem Federvieh vom Hof oder dem wenigen Wild vom Gutsherrn sind, für mich sind sie deutsche, preußische Esskultur oder besser gesagt: gute Gerichte, die alle kochen und kosten mögen.

Bibliographische Angaben

Anne Iburg, Baltisch kochen, Gerichte und ihre Geschichte, Edition diá , 224 Seiten, A5-Format, Hardcover, mit Rezept- und Stichwortregister, acht Seiten mit bunten Bildern, Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2008, ISBN: 978-3-89533-607-2

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