Das Mecklenburgische Staatstheater und die Staatskapelle Schwerin sind chronisch unterfinanziert. Bei einem Etat von 22 Millionen Euro ist es auf Subventionen von 17,7 Millionen angewiesen. Davon tragen das Land 9,6 Millionen und die Stadt 6,6 Millionen Euro. Seit Jahren ist jedoch der Zuschuß des Landes für alle Theater und Orchester bei 35,8 Millionen Euro eingefroren, ohne Rücksicht auf Kostensteigerungen. Eine Soforthilfe könnte jedoch trügerisch sein, denn auf einem Festakt zum 125-jährigen Bestehen des Theatergebäudes am 8. Oktober hatte Sellering »schwere Gespräche« zur Finanzierung und zur Struktur der Theater in Mecklenburg-Vorpommern angekündigt. Den Zuschuß von 35,8 Millionen will die Koalition nämlich nicht erhöhen. Das bedeutet nichts anderes als Personalabbau, Schließung von Sparten oder gar die Fusion des Schweriner Theaters und seines Orchesters mit dem Volkstheater Rostock und der Norddeutschen Philharmonie. Auch die Diskussion um eine Verkleinerung der Schweriner Staatskapelle wurde von der Koalition bereits wieder aufgewärmt.
Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) erblickt in der Hinhaltetaktik Sellerings einen Machtkampf zwischen ihm und der Schweriner Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (Die Linke). Er wolle die Stadt erpressen zu weiteren Einsparungen und deren unvermeidlichen Folgen. Die Zahl der Festangestellten des Staatstheaters sei seit 1992 von 410 auf 320 gekürzt worden, was auf Dauer ohne substanzielle Verluste nicht möglich ist.
Für die DOV wäre die Insolvenz der GAU, ein beispielloser Fall von Zerstörung. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik – und der DDR, kann man hinzufügen – sei ein Staatstheater in den Konkurs geschickt worden. Denn wo ein Insolvenzverwalter herrscht, warnt DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens, ginge es nur noch um Verwertung, und jede politische Einflußnahme sei ausgeschlossen.
Das Signal aus Schwerin könnte für alle Theater und Orchester in Deutschland verheerend sein. Oder soll es symbolisieren: wie einst die DDR zusammenbrach, soll es auch Theater und Orchester in Schwerin ergehen? Der 9. November – Günter Schabowski lässt grüßen.