Berlin, Deutschland (Weltexpress). Das Procedere der WM-Nominierung war kein Ruhmesblatt für Bundestrainer Joachim Löw. Erst den Verteidiger Jonathan Tah (Leverkusen) aus dem Florida-Urlaub ins WM-Vorbereitungs-Camp nach Südtirol gelockt und dann aus dem 23er Kader gestrichen zu haben. Dann den erfolgreichsten deutschen Torjäger in der Bundesliga, Nils Petersen, zur Freude seines heimischen Freiburger Umfelds eingeladen und den 29-jährigen in Eppan noch als wertvolle Offensiv-Ergänzung gelobt zu haben, um ihn dann schnöde nach Hause zu schicken, war vielen unverständlich.
Noch mehr Kritik allerdings erntete Löws Entscheidung gegen den besten jungen Spieler der hochgelobten englischen Premier League, Leroy Sané. Der 22-jährige Flügelspieler des Englischen Meisters Manchester City hat unter Startrainer Pep Guardiola seinen Marktwert auf etwa 90 bis 100 Millionen gesteigert. Das ist ein Wert, den kein anderer Profi aus Löws WM-Kader derzeit erreicht.
Dass der Leverkusener Torhüter Bernd Leno statt Kevin Trapp (Paris) durch das Nominierungs-Raster fiel, hat angesichts des Hypes um das Comeack von Kapitän Manuel Neuer kaum jemand berührt.
Dann schon eher die absurde Konstellation, dass der DFB für die Aussortierten Taxis mit abgedunkelten Scheiben für die Fahrt zum Flughafen organisiert hatte. Und so verließen jene wie abgeurteilte Straftäter nach einem Gerichtsurteil das Gelände. Die Medienmeute sollte nicht vor der offiziellen Bekanntgabe durch den Bundestrainer die Chance bekommen, vorzeitig die Ausgeschlossenen zu identifizieren.
Dass Löw sich bei diesem Pressetermin (Zitat: „Da bricht für manchen eine kleine Welt zusammen“) nicht wohl in seiner Haut fühlte, zeigte sich insofern, dass er als Monolog ablief. Nachfragen waren nicht vorgesehen. Was das noch mit Journalismus zu tun hat, das steht in einem anderen Beitrag im WELTEXPRESS. Beim Abgang allerdings ließ der Bundestrainer verlauten, Leroy Sané sei noch nicht richtig in der Nationalmannschaft angekommen.
Da hätte man gern erfahren, warum es Löw scheinbar nicht wie Guardiola in Manchester gelungen war, Sanés herausragende Qualitäten für die deutsche Formation nutzbar zu machen.
Das fragwürdige Procedere, mehr Spieler zur Vorbereitung einzuladen, Erwartungen zu wecken und diese dann bei der Reduzierung platzen zu lassen, gehört daher baldigst abgeschafft. Wenn Löw schon nicht selber darauf kommt, sollten ihm seine engsten Mitarbeiter eine andere Praxis empfehlen: Beispielsweise 23 WM-Kandidaten für die Vorbereitung nominieren sowie Reservisten, die sich für eine Nachberufung zuhause bereit halten. Also etwa ein Torhüter, ein Verteidiger und je ein Akteur für Mittelfeld und Angriff.
So ließe sich die peinliche und demütigende Prozedur der Ausmusterung vermeiden. Und würde die Betroffenen vor dem Makel von scheinbaren WM-Verlierern und -Versagern bewahren.
Sollten Löws Auserwählte die Selbstverpflichtung „Titelverteidigung“ nicht realisieren oder vor dem Halbfinale scheitern, dürfte ihm der Verzicht auf Sané um die Ohren gehauen werden.
Auf einer der ersten Pressekonferenzen in Eppan hatte Löw zum Posing der türkisch-stämmigen Teammitglieder Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatschef Erdogan nur kurz Stellung bezogen und dann das Thema für abgehakt erklärt.
In sozialen Netzwerken und Leserforen kündigten Fans dem Bundestrainer die Gefolgschaft. Und forderten ihn auf, das Duo aus dem WM-Kader zu streichen. Deutsche Nationalspieler sollten sich nicht in freundschaftlicher Pose mit Diktatoren ablichten lassen.
Ex-National-Torhüter Uli Stein bekannte, er hätte die beiden rausgeworfen.
Was allerdings aus Gründen der Political Correctness den vielzitierten „demokratischen Werten“ sowie derim Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit entgegen stehen würde. Und wohl die Befugnisse eines Bundestrainers übersteigen dürfte.
Da wäre eher der DFB-Präsident Reinhard Grindel befugt. Doch der vormalige CDU-Politiker ist routiniert genug, wegen der Folgen eines solch brisanten Vorgangs da nicht weiter tätig zu werden.
Dass die Thematik aber das Fußballvolk weiter beschäftigt, machten dann die Pfiffe gegen Özil/Gündogan aus dem deutschen Fanblock beim 1:2 in Klagenfurt gegen Österreich deutlich.
Und nach der Nominierungs-Prozedur war zu lesen, Nutzer x, y hätten eher die beiden Erdogan-Anhänger eliminiert.
Beim sogenannten Medientag mit freiem Frage-Antwort-Spiel hatte sich Özil ins Fitness-Zelt außer Reichweite begeben.
Gündogan erklärte auf Fragen, beim Treffen mit Erdogan sei es nie um ein politisches Statement gegangen. Seine Familie und er stünden 100 Prozent hinter den Werten, die in Deutschland als richtig empfunden werden!
Man darf gespannt sein, ob Löw beim letzten WM-Test am Freitag in Leverkusen gegen Saudi-Arabien weitere Protest-Bekundungen der Zuschauer riskiert oder die beiden auf der Bank lässt.
Wobei die Angelegenheit durchaus für Löw, bei dem Fans die Neigung zu unfehlbarem und selbstgefälligem Auftreten zu erkennen glauben, mehr Unbill in sich birgt als nur Kratzer am Lack.
Denn ein Klient von Löws persönlichem Manager, Roland Eitel, ist u.a. Mesut Özil bis 2015 gewesen. Zudem sind Onkel/Bruder von Özil und Gündogan in der Hannoveraner Sportmarketing-Agentur ARP beschäftigt, die vom Türken Harun Arslan geleitet wird. ARP berät u.a. neben Özil, Gündogan auch Löw. Als Letzterer 1998 kurz nach dem Pokalgewinn mit dem VfB Stuttgart (zu den Spitzenspielern gehörten Balakow, Bobic und Elber) entlassen wurde, vermittelte ihm Arslan den Trainerjob bei Fenerbahce Istanbul. Später dann, mit Löws Bundestrainer-Aufstieg, kamen lukrative Werbeverträge mit renommierten deutschen Unternehmen hinzu.
Löws türkisch-stämmige Schützlinge, beraten von einem türkisch-stämmigen Agenturchef – eine Konstellation der möglichen Interessenkollision, für die es eine Löw durchaus geläufige Bezeichnung gibt: Geschmäckle!
Anmerkung:
Im Beitrag stand, dass Herr Eitel Berater von Herrn Özil sei. Dies ist nicht richtig. Nach Auskunft von Herrn Eitel sei „diese Zusammenarbeit … bereits 2015 offiziell beendet“ worden. Wir haben die Stelle im Text entsprechend geändert.