Frankfurt am Main, Deutschland (Weltexpress). Ein Gorilla raubt eine Frau. Das ist nicht nur das Thema des bekannten Films King Kong sondern wurde von Emmanuel Frémiet als Skulptur „Gorilla, eine Frau raubend“ bereits fünfzig Jahre früher (im Jahre 1887) gestaltet. Ob es dieser Skulptur darum geht (wie die Kuratoren der Ausstellung meinen), zu zeigen, wie „die Frau als hilfloses Opfer erscheint, das dem Mann, der seine sexuelle und gesellschaftliche Macht über sie ausübt, vollkommen ausgeliefert ist“ oder ob der Gorilla nicht eher die Verkörperung des Animalischen, der verdrängten Lüste und Sehnsüchte der Frau ist, von denen sie befürchtet, hinweggetragen zu werden, sei dahingestellt. Für die These der Kuratoren (Felicity Korn und Dr. Felix Krämer (beide Kuratoren der Kunst der Moderne im Städel Museum)) bietet die Ausstellung im übrigen aber genügend klare Beispiele.
Die Ausstellung „Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo“ beleuchtet die künstlerische Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen und -beziehungen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Anhand von über 150 Werken zeigt die Ausstellung, wie kontrovers Künstlerinnen und Künstler der Moderne auf die Konstruktion von Geschlechtermodellen reagierten und wie sie Stereotypen, Idealbilder und Identifikationsfiguren in Malerei, Skulptur, Grafik, Fotografie und Film behandelten. Die Ausstellung baut auf dem Sammlungsbestand des Städel Museums auf, der mit Gemälden von Max Liebermann, Edvard Munch und Franz von Stuck, Skulpturen von Auguste Rodin sowie Fotografien von Frank Eugene oder Claude Cahun wichtige Positionen in Bezug auf diese Thematik umfasst. Anhand von bedeutenden Leihgaben werden bekannten Namen der Kunstgeschichte wie Hannah Höch, Édouard Manet, Gustav Klimt, Otto Dix oder Frida Kahlo gezielt kunsthistorische Entdeckungen zur Seite gestellt, die den Kanon um aussagekräftige Positionen erweitern, darunter Arbeiten von Leonor Fini, John Collier oder Gustav Adolf Mossa. Kontextbezogene Filme, die in der Ausstellung in Ausschnitten zu sehen sind, werden ab Januar in voller Länge im Deutschen Filmmuseum zu sehen sein.
Die Kuratoren weisen darauf hin, dass die auffällige Dominanz der Männer auf Seiten der Künstler (vor allem im 19. Jahrhundert) und die der Frauen in den Figuren der Bilder nicht der Auswahl der Ausstellungsmacher geschuldet sind, sondern den gesellschaftlichen Umständen, die Frauen, soweit sie überhaupt als Künstlerinnen registriert wurden, auf andere Sujets als den Geschlechterkampf festlegten. Aber auch andere Muster macht die Ausstellung ganz nebenbei deutlich. Nach wie vor greift man im 19. Jahrhundert gern auf Mythen zurück, um sich dem Thema zu nähern. Dem Betrachter fällt dabei auf, dass in der griechischen Mythologie vor allem die Frauen enthauptet werden (Medusa, Gorgo), in den biblischen Motiven aber die Männer den Kopf (Salome, Judith) oder zumindest Haar und Stärke (Delila) verlieren.
Die Wende kommt im 20. Jahrhundert, der Rückgriff auf Mythen wird obsolet, direkt werden Gefühle dargestellt (Munchs Eifersucht) oder die brutale Realität (Prostitution, Lustmord etc.)
Im Kontext des gesellschaftlichen Umbruchs nach dem Ersten Weltkrieg sahen sich die Frauen, die an der „Heimatfront“ an sozialer und beruflicher Selbstständigkeit und an Selbstbewusstsein gewonnen hatten, und die von den Kriegserfahrungen traumatisierten Männer mit neuen Rollenerwartungen konfrontiert. Als die Frauenbewegung mit dem Wahlrecht für Frauen im Jahr 1919 ein wichtiges Ziel auf dem Weg zur Erlangung politischer, sozialer und ziviler Bürgerrechte erreicht hatte, beförderte dies die weitere Herausbildung eines selbstsicheren und aktiven Frauentyps. Bildnisse von Otto Dix, Elfriede Lohse-Wächtler, Jeanne Mammen oder Christian Schad spiegeln dieses neue gesellschaftliche Rollenverständnis wider.
Den Abschluss bilden die Vertreter des Surrealismus um André Breton, Marcel Duchamp und Max Ernst, deren Kunst von einem libertären Verständnis von Sexualität und zugleich von einem Spiel mit bürgerlich geprägten geschlechtlichen Stereotypen bestimmt war. Besonders interessierten sie sich für die Figur des Androgyns, eines mythologischen Zwitterwesens mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen. Der Androgyn symbolisierte für die Surrealisten sowohl die Überschreitung konventioneller Rollenbilder als auch die Synthese der beiden Geschlechter.
Die Ausstellung läuft vom 24. November 2016 bis 19. März 2017. Es gibt wieder bemerkenswertes Begleitmaterial, abrufbar über die Homepage des Museums. Besonders sei zur Vor- und Nachbereitung das Digitorial empfohlen. Dazu gibt es einen ausführlichen Katalog, der im Prestel Verlag mit 336 Seiten und ca. 400 Abbildungen erschienen ist.