Teneriffa (Weltexpress). Nach Jahren der Ungeduld hat die Reisewelle auf die Kanarischen Inseln erneut Fahrt aufgenommen.
Trittbrettfahrer erfreuen sich zumeist nur geringer Beliebtheit. Anders verhält es sich jedoch im Fall der Kanarischen Inseln. Denn geologisch betrachtet gehören diese zur Afrikanischen Platte, der sie westlich vorgelagert sind. Im Verlauf ihrer tektonischen Bewegung nach Nordosten gleitet sie jedoch mitsamt den Kanaren über einen tief in der Erde verborgenen vulkanischen Hotspot. Dieser lässt die einzelnen Inseln im Laufe der Zeit durch immer neue Eruptionen anwachsen, um sie sodann wieder der Erosion zu überlassen.
In der letzten Eruptionsphase stand die Insel Teneriffa im Mittelpunkt des Geschehens. Aus ihr erwuchs nach mehreren Schüben der mächtige Teide, der mit 3715 Metern Höhe alle Konkurrenten im atlantischen Raum in den Schatten stellt. Selbstbewusst wie ein König sitzt er auf seinem hohen Thron und überschaut aus dieser überragenden Perspektive das Inselreich der Kanaren. Dabei muss ihm seine eigene Insel wie ein Thronsaal erscheinen, dessen landschaftliche Schönheiten er sicherlich nicht ohne Stolz bewundert.
Meeresströmungen und Passatwinde
So zum Beispiel das an der Westküste sofort ins Auge fallende Felsmassiv der „Giganten“. Rund geschliffen durch ständige Erosion recken sie sich über 500 Meter aus dem Meer hinauf in den strahlend blauen Himmel. Oder aber er bestaunt die Masca-Schlucht, mit deren steil abstürzenden Felsen die Insel ein echtes Naturwunder hervorgezaubert hat. So tief und so schmal, dass sie sich über viele Jahrhunderte hinweg allen Annäherungsversuchen widersetzte und sich mit ihrer Unzugänglichkeit Respekt verschaffte.
Irgendwann jedoch setzten die entdeckungsfreudigen Europäer der natürlichen Ruhe ein Ende. Denn spätestens seit der Entdeckung Amerikas wiesen Ihnen günstige Meeresströmungen und Passatwinde den Weg über die Kanaren hinaus. Hier konnte man vor der verbleibenden Hauptstrecke über den Atlantik noch einmal frischen Proviant an Bord nehmen. Dass es dabei an diesem attraktiven Ort unter den Großmächten nicht immer friedlich zuging, liegt auf der Hand. Doch schließlich waren es die Spanier, die sich mit ihrem Anspruch auf diese begehrte Einflusssphäre durchsetzten.
Inselhauptstadt La Laguna
Natürlich waren sie sogleich darauf aus, den weitab von ihrem eigenen Festland gelegenen Stützpunkt in ihrem Sinne zu befestigen. Eine Hauptstadt musste her, die für sie von strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung war. Und die darüber hinaus auch noch als spanische Kulturmetropole erkennbar war. So entstand an der Nordspitze Teneriffas die Kanarenhauptstadt La Laguna. ein Prunkstück damaliger spanischer Stadtarchitektur.
Und heute natürlich ein Treffpunkt neugieriger Inselbesucher bei ihrer Suche nach den Glanzstücken der Region. Dazu gehören die schmucken Häuserfassaden, deren Balkone sich gegenseitig zu übertreffen scheinen. Und natürlich die Kirchen und Klöster, die die Stadt noch heute als Bischofssitz ausweisen. Nicht zuletzt gehören die Universität mit ihrem Studentenmilieu sowie die gastlichen Tapa-Bars mit ihren kulinarischen Spezialitäten dazu. Kein Wunder, dass die Stadt inzwischen in den Rang eines UNESCO-Weltkulturerbes erhoben wurde.
Auditorium und Palmetum
Und doch war das Glück der Stadt nicht durchgehend hold. Denn die Lagune, einst Dreh- und Angelpunkt des wirtschaftlichen Lebens, trocknete aus und machte eine neue Hauptstadt erforderlich. Diese entstand mit dem benachbarten Santa Cruz, einem neuen urbanan Zentrum, das noch heute über den erforderlichen Raum und eine angemessene Dynamik verfügt. Symbolisch für den Neuaufbruch in die Moderne steht das Auditorium des spanischen Star-Architekten Santiago Calatrava. Als eindrucksvolle Außenfassade dient eine riesige in ihrer Bewegung erstarrte weiße Woge, die im Begriff ist überzuschwappen auf das Hauptgebäude der Anlage mit seinen zwei Konzertsälen.
Das Gegenstück zu dieser modernistischen Architektur bildet der Botanische Garten der Stadt. Gepriesen als „grüne Lunge“ hat sich das „Palmetum“ bereits weltweit einen Namen gemacht. Denn hier finden sich aus den verborgensten Winkeln des Globus systematisch zusammen getragene Pflanzenarten. Eingerahmt von Bächen und Wasserfällen sind es vor allem die Palmen, die in ihrer unglaublichen Vielfalt Begeisterung hervorrufen. Unschwer wird beim Rundgang die Gefährdung erkennbar, der manche Exemplare vor dem Hintergrund des zu erwartenden Klimawandels ausgesetzt sind.
Der „Zeigefinger Gottes“
Gefragt sind bei einem Aufenthalt auf Teneriffa stets auch die sportlichen Außenaktivitäten, die sich heute wieder als ein Markenzeichen Teneriffas darstellen. Dabei spielt die Fortbewegung auf Schusters Rappen bei den vorhandenen landschaftlichen Voraussetzungen natürlich stets eine wichtige Rolle. Bis hinauf in die Gipfelregion des Teide, in der wie stets bei Bergaktivitäten die Luft zuweilen recht dünn wird. Eine Seilbahn hilft jedoch dabei, die Kräfte zu schonen. Vielleicht will ein erodiertes Felsgebilde als „Zeigefinger Gottes“ auf diesen Zusammenhang aufmerksam machen.
Als weniger aufwendig präsentieren sich demgegenüber die Strände der Insel. Diese begegnen nicht in lang gezogenen Strandabschnitten, sondern in zahlreichen kleinen Buchten, die bei stets angenehmen Wassertemperaturen zur Aktivität einladen. Und nichts spricht dagegen, den Strandnachmittag bei untergehender Sonne entspannt und genussvoll mit einem Sundowner im „Le Club Playa Fanabé“ ausklingen zu lassen.
Gefühl ausgelassener Lebensfreude
Doch es geht auch anders. Zum Beispiel am Strand von El Medano an der Südspitze der Insel. Hier findet sich bei stets auffrischendem Wind das Eldorado der Kitesurfer, die sich hier einer nicht zu unterschätzenden sportlichen Herausforderung stellen. Zahlreiche bunte Flugdrachen tänzeln hier vor einem makellos Himmel umeinander herum. So vermitteln sie bei aller erkennbaren Anstrengung doch das Gefühl ausgelassener Lebensfreude.
Knisternder Konzentration bedarf es auch im „Golf del Sur“, einem 18 Holes Chamionship Course, den die sympathische Nely zu hohem Ansehen geführt hat. Doch es geht bei Bedarf auch eine Nummer kleiner. Zum Beispiel bei einem Schnupperkurs, bei dem – eventuell sogar bis zur späteren Platzreife – in die Technik des Golfens von der Pike auf eingeführt wird.
Tanzende Delfine und Grindwale
Als ein Erlebnis der besonderen Art präsentiert sich auch das „Whale Watching“ an der Westseite der Insel. Langsam und fast lautlos bewegt sich der „Freebird 13“-Katamaran in nördlicher Richtung und erhöht auf Höhe der „Giganten“ die Erwartungshaltung gegenüber einer nicht alltäglichen Begegnung. Meistens, so beruhigt der Kapitän, ist auf sie Verlass! Und da sind sie auch schon: Zuerst die Delfine, die vor dem Katamaran ihren Begrüßungstanz aufführen. Und dann erscheint gleich eine ganze Herde von Grindwalen, die nach ihrer nächtlichen Tiefsee-Jagd auf Riesenkalmare mit vollen Bäuchen eine beeindruckende Formation einnehmen und es nun erst einmal langsam angehen lassen. Wahnsinn!
Als Alternative zu dieser Wasserwelt lohnt sich ein Erkundungsgang im Naturreservat von San Blas. Eine bizarre Gegend, die bis heute an das Leben der Guanchen erinnert. Als Ureinwohner der Insel führten sie bereits vor der spanischen Übernahme einen harten Überlebenskampf inmitten von sprödem vulkanischem Gestein und kargen Urzeit-Sträuchern, die sich bis heute in diesem abenteuerlich anmutenden Niemandsland erhalten haben.
Insel des immerwährenden Frühlings
Welch ein Unterschied zu der heutigen Kanarischen Küche! In der Zubereitung von Fisch und Fleisch scheint allerdings der Grundsatz zu gelten, dass schmackhafte und qualitativ hochstehende Lebensmittel keiner übermäßigen Bearbeitung bedürfen. Dafür sollte es jedoch bei den Mahlzeiten nicht fehlen an einfachen Speisen wie den kleinen ungeschälte Kartoffeln oder dem legendären Gofio-Brei aus gemahlenem Getreide. Das beweist ein Besuch in der rustikalen Guachinche „El Cordero“ bei einem romantischen rustikalen Dinner unter dekorativ arrangierten Bananenstauden.
Ähnliche Genüsse stellen sich ein in der Casa del Vino „La Baranda“, einem ursprünglichen Gutshof auf der Nordseite der Insel. Er fungiert heute als Weinmuseum, in dem die besten Beispiele aus den fünf Anbauregionen Teneriffas verkostet werden können. In Verbindung mit herzhaften Tapas stellt sich spätestens hier das wohltuende Gefühl ein, angekommen zu sein. Und dies auf der „Insel des immerwährenden Frühlings“, die diese Ehrung schon seit alten Zeiten zu Recht erfährt.
Reisehinweise
Anreise: Attraktiv sind die zahlreichen Nonstop-Flüge mit Condor, Eurowings und Lufthansa auf einen der beiden Inselflughäfen ab Frankfurt, München, Düsseldorf und Köln
Einreise: Seit dem 6. April 2022 muss bei Einreisen nach Spanien auf dem Spain Travel Health-Portal nur noch der 3G-Nachweis hochgeladen werden.
Reisezeit: Rund um das Jahr herrschen auf den Kanaren angenehme Temperaturen, bei denen Baden ganzjährig möglich ist.
Reiseauskunft: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Büros Berlin, Frankfurt am Main, München, Heimatseite: www.spain.info/de, und bei Reiseveranstaltern.
Reiselektüre: DuMont Direkt Reiseführer „Teneriffa“, 2. Auflage, Januar 2022, ISBN: 978-3-6160-1095-3, Preis: 12,95 EUR (Deutschland)
Anmerkung:
Die Recherche wurde unterstützt vom Spanischen Fremdenverkehrsamt und FTI Touristik.