Galileos Frühstücksfernsehen – Wie eine Wissenssendung zum Fressfernsehen verkommt und warum Rainer daran nichts ändern kann

Wissenswertes über Fast-Food: Nie waren die Burger größer als bei Galileo

Viele würden auch sagen, dass eine Wissenssendung, so groß die Welt des Wissens auch sein mag, nicht pausenlos spannende naturwissenschaftliche Beiträge liefern kann. Das klingt einleuchtend, zunächst jedenfalls. Doch genau an diesem Punkt habe ich eine Beobachtung gemacht.
Nämlich die, dass die täglichen Themen sich quasi niemals von diesem unterscheiden. Und da Galileo direkt nach der einzigen Sendung, die ich mir öfter ansehe, den Simpsons, läuft, bekam ich auch jedes mal die Themen mit, die in kürzester Zeit schon zum Running Gag geworden waren.
Immer wenn eine Simpsonsfolge ihr Ende fand, war danach kurz ein Aiman Abdallah zu sehen und daraufhin eine Reihe von Aufnahmen, die entweder irgendwelche kulinarischen Spezialitäten, Fast Food oder neue, die Lebensqualität „erhöhenden“ Gadgets zeigen. Jedesmal aufs Neue flackerten Themen wie „die zehn größten Biermythen“ oder „ Geräte für die Fast-Food-Küche" auf, kurz bevor das Bild mit einem Flackern erlosch.

Und mehr und mehr kristallisierte sich für mich die Frage heraus, was daran eine Wissensendung sein soll. Halbwissenssendung würde es eher treffen, am ehesten jedoch schlicht und einfach: Infotainment.
Ganz im Sinne von Sendungen wie Taff beispielsweise. So ist es auch gar kein Problem gewesen, dass diese beiden so unterschiedlichen Sendungen spontan die Moderatoren ausgewechselt haben. Eine Sendung wie "taff" zu sein verleugnet Galileo jedoch fortwährend, allein durch das Intro, das nach wie vor Insekten und Augen in Detailperspektive sowie einen Papierflieger, der sich in ein Passagierflugzeug verwandelt, zeigt.

Es wäre auch seltsam wenn direkt nach dem Schriftzug „Galileo“ gigantische Dönerspieße und riesige Pizzen erscheinen würden, so könnte das Gesicht einer Wissenssendung nämlich nicht aufrecht erhalten werden. Dabei wäre dies viel treffender. Denn das ist das einzige Thema, das noch regelmäßiger behandelt wird als einfache Nahrungsmittel sind überdimensionale Nahrungsmittel.

Hierfür ist ein Reporter namens Jumbo Schreiner zuständig, der sich vor allem durch seinen Namen und sein Magen auszeichnet. Er reist um die Welt um das jeweils größte Gericht einer bestimmten Art zu finden und zu essen. Wenn er dann das größte Sandwich der Erde bei einem Italiener in New York gefunden hat und es ihm etwas zu fade geschmeckt hat, weshalb er nur vier von fünf Kochlöffeln verteilt, ist der dramaturgische Höhepunkt der Sendung erreicht, der Zenit überschritten und die Botschaft überbracht. Diese beiden Arten eines typischen Galileo-Beitrags, das Essen im allgemeinen und das in Übergröße, haben schon eigene Rubriken geformt: den Galileo Food-Check und Galileo XXL. Auf so etwas trifft man also, wenn man die naturwissenschaftliche Fassade durchbrochen, eher durchschritten hat.

Aber warum dieser Aufruf? Ist es nicht müßig, sich über so etwas aufzuregen? Ich finde, das Beispiel Galileo ist sehr treffend für die gesamte Entwicklung des Fernsehens, ein Fingerzeig in die Zukunft. Nicht, dass ich das Fernsehen vermissen würde, schließlich kann man hier Unmengen an Zeit verlieren und ist mit dem Internet eindeutig besser beraten. Aber die Entwicklung ist ja nicht nur auf einen Sender oder eine Sendung, noch nicht mal nur auf das Medium Fernsehen beschränkt.

In der Musik gab es schon immer die Unterteilung Indie und Mainstream, so auch bei Filmen. Die Beobachtung der Galileo-Themen ist übrigens mehr als fundiert. Dieser Artikel hat eine sehr lange in der Schublade gelegen und in dieser Zeit habe ich keinen Abbruch an der Banalität dieser Serie bemerken können, im Gegenteil: Der "Running Gag" ist bis heute quicklebendig.

Doch genug zu diesem Sachverhalt. Die Frage ist nun, warum er der Fall ist; warum er nennenswert ist: Er ist ein gutes Beispiel für die Entwicklung des heutigen Fernsehens, das sich rapide ändert und damit in dieser Veränderung als Medium nicht alleine ist. Denn es bewegt sich auf das große schwarze Loch „Einschaltquote“ zu. Dieser Umstand sorgt dafür, dass das Fernsehen größtenteils ungenießbar ist und sich deshalb auch längst kein Fernseher mehr in unserer Wohnung befindet, nicht zuletzt auch aufgrund seiner Zeit tötenden Wirkung.

Doch im digitalen Zeitalter ist es ja kein Problem mithilfe einer Tv-Karte auf dem Rechner fernzusehen, sonst hätte ich diese Beobachtung gar nicht machen können, oder müssen, aber dann hätte ich eben auch nicht die letzten guten Elemente dieses Mediums genießen können. Ich bin auch garantiert nicht der Erste, der dieses Problem aufzeigt; ich führe lediglich ein gutes Beispiel ins Feld und im Anschluss eine kurze Filmkritik.

Denn das Fernsehen ist mit diesem Problem natürlich nicht alleine.
Den Kinos geht es ähnlich. Die große Filmschmiede, Hollywood, will natürlich auch die größten Geldbeutel füllen und wendet sich nach den Vorlieben der Masse, die sich jedoch noch nie nach Abwechslung sehnte oder nach Tiefgang. Doch zum Glück ist auch das Independent-Kino gut entwickelt, sodass es keinen Expertensuchtrupp braucht, um Streifen von Filmkünstlern wie Jim Jarmusch oder den Coen Brothers zu finden und zu genießen.
Das Fernsehen jedoch scheint ärmer dran zu sein. Wirkliche Independent-Sender gibt es nicht.

In Frage käme in dieser Hinsicht höchstens noch arte. Natürlich stellt das Fernsehen auch andere Forderungen als Kino oder Radio, die das Überleben eines nicht gewinnorientierten Programms erschweren. Ein Independentregisseur hat natürlich sehr viel weniger Geld zu Verfügung, was bei der Füllung eines ganzen Senderprogramms problematisch werden kann. Ein Film ist schließlich schnell zu Ende und sollte auch nicht jede Woche wiederholt werden. Außerdem tendieren viele dazu, ihre Lieblingssendungen im Internet anzusehen. Es scheint so als würde ein Medium das andere ablösen. Na toll: Pop is dead, Jazz is dead (oder riecht seltsam, je nachdem), jetzt kommt also noch das Fernsehen dazu. (Wobei ja nichts wirklich stirbt, was als tot deklariert wird, sondern nur mutiert).

So mancher würde dieses Medium vielleicht auch retten wollen. Der Kampf um die Quote ist ja ein bekanntes Thema, gerade wenn es um Privatsender geht. So gab es auch schon Filme, die sich damit auseinander gesetzt haben, wie beispielsweise der Film „Free Rainer – dein Fernseher lügt!“ (2007) mit Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle.

Dieser konvertiert im Laufe des Films vom geldgierigen Fernsehmogul zum absolut idealistischen Quotenrebell. Der Film von Hans Weingartner stellt den Kampf dar, der um die Quote tobt und die „mediale Volksverblödung“ durch die immer stärker kommerziell orientierten, immer weiter abstumpfenden Sendungen.

Hier die Handlung in stark gekürzter Fassung: Rainer (Moritz Bleibtreu), besagter Fernsehproduzent, ist ein reicher, arroganter Angeber, der, um seinem kühlen gefühllosen Arbeitsumfeld zu entkommen, ständig unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen steht.
Unentwegt koksend lebt er in den Tag hinein. Auf einer Spritztour mit seinem Sportwagen, wird er beabsichtigt frontal von Pegah (Elsa Sophie Gambard) angefahren, die durch eine schlecht recherchierte Reportage von ihm ihren Großvater verloren hat.
Im Krankenhaus hat er obskure Komaträume. Darin befindet er sich wie in der Realität in einem Krankenbett, nur das sich dieses in einem gefüllten Fernsehstudio befindet und das Publikum, als überzeichnete Halbaffen dargestellt, entscheiden darf, ob er die Lebensnotwendige Operation erhält oder nicht. In ihrer Sensationssucht beschließen sie, ihn sterben zu lassen.
Diese Wahnvorstellungen verändern Rainer, und zwar schlagartig und dauerhaft.
Seine Ansichten werden sozusagen um 180 Grad gedreht. Alles, was er bisher unterstützt, wovon er gelebt hat, ist ihm plötzlich zuwider und sofort startet er mit Pegah einen Feldzug gegen die moderne Unterhaltungsindustrie.

Lobenswert, aber absolut unglaubwürdig. Hilfe erhalten sie von Phillip (Milan Peschel), einem soziophobischen aber an Verschwörungstheorien interessierten Sicherheitsmann, der bei der I.M.A., der Zentrale für die Ermittlung der Fernsehquoten arbeitet, sich aber bei der Festnahme von Rainer und Pegah überzeugen lässt, sich der Sache anzuschließen.

Sie scharen einige Arbeitslose um sich und beginnen, die Quoten zu beeinflussen. Trotz einiger Schwierigkeiten, gelingt es ihnen auch. Als sie ertappt werden, wird ihr Einfluss auf die Quote gestoppt, aber die Zuschauer haben sich bereits an das anspruchsvollere Programm gewöhnt und schalten von alleine auf arte und nicht mehr auf RTL. Dann ist der Film ist zu Ende. Und kurz wie der Inhalt fällt auch die Pro und Kontra- Kritik aus.

Als Leitsatz über diesen Film könnten man sagen: Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Denn natürlich ist die Botschaft des Films absolut löblich und es wäre eine großartige Sache, wenn sich die gezeigten Ereignisse bewahrheiten würden.
Der Film scheitert aber gewaltig an seinem anspruchsvollen Thema. Ihm gelingt es zwar teilweise, Authentizität aufzubauen, so ist zum Beispiel die kalte und falsche Atmosphäre der Welt der reichen Fernsehproduzenten sehr gut getroffen. Die Handlung, vor allem Rainers plötzlicher moralischer Umbruch jedoch, ist durch und durch banal und unlogisch. Nachdem der verletzte Rainer aus seinem Koma erwacht und zum ersten Mal zu seiner ebenfalls verletzten Attentäterin humpelt, lautet sein erster Satz nach einigen bedeutungsvollen Blicken: „Du kannst mich unmöglich mehr hassen als ich mich selbst.“

Momente vorher raste er noch vollgekokst über die Leipziger Straße in Berlin, demolierte fremde Autos und schien sein Leben im falschen Glanz voll und ganz zu genießen.
Nach seinem Unfall, ohne den Grund erfahren zu haben, ändert er sich buchstäblich im Schlaf und kündigt seinen Beruf, um von nun an mit Pegah illegal seinen Idealen zu folgen.
Es gibt keinen Prozess der Erkenntnis, nicht einmal einen Moment der Einsicht. Seit seiner geistigen Wandlung ist er von Anfang an hochüberzeugt und motiviert. Noch eingegipst beginnt er zu recherchieren. Als er wieder laufen kann, stiehlt er ohne zu zögern eine der Quotenboxen.

Und dabei spielt Moritz Bleibtreu noch akzeptabel, wirkt aber vor allem durch den abrupten Charakterwechsel unglaubwürdig. Seine Gespielin Elsa Sophia Gambardt hingegen spielt dermaßen eindimensional, dass sie als Figur gar nicht ernst zu nehmen ist. In ihrer Coolness benimmt sie sich wie Lara Croft, und nicht wie eine psychisch belastete, aber idealistische junge Frau. Gut hingegen agiert Milan Peschel in seiner Rolle als verquerer Verschwörungstheoretiker. Er ist die einzige glaubwürdige Hauptfigur in diesem Film.

Anscheinend wurde das Fernsehen am härtesten vom Zwang der Anpassung getroffen. Für mich bedeutet das nicht allzuviel, ich war nie ein großer Fernsehgucker, aber schade ist es trotzdem und vor allem eine Vorwarnung, denn wenn diese Entwicklung weiter ihren Lauf nimmt, werden irgendwann das Kino, das Radio etc. folgen. Es ist also absolut richtig, sich gegen den Lauf der Dinge zu stellen. Ich glaube jedenfalls nicht, dass Galileo Galilei seinerzeit, hätte es einen Fernseher gegeben, seine Sendung so gestaltet hätte. Dennoch: Das Fernsehen geht den Bach runter und Rainer kann daran rein gar nichts ändern.

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