Es beginnt mit einer Rückkehr. Hildegard Knef (Heike Makatsch) landet in Begleitung ihres zweiten Ehemannes James Cameron (Dan Stevens) 1966 in West-Berlin. Als erste Chansonsängerin gibt sie ein Konzert in der Philharmonie. Der bedeutungslastige Abend lässt sie zurückblicken auf ihr schon bisher ereignisreiches Leben. Entgegen dem Wunsch ihrer strengen Mutter ( Johanna Gastdorf) beginnt sie zu schauspielern. Ihre Schauspiellehrerin Else Bongers (Monica Bleibtreu) wird zur Mentorin für die junge Frau. Nach einer Affäre mit dem überzeugten Nazi von Demandowsky (Anian Zollner) bis zum Ende des Krieges, beginnt sie ihre Karriere am Theater. Filmproduzent Erich Pommer entdeckt sie. Mit dem politischen Aufarbeitungsfilm “Die Mörder sind unter uns” wird sie zum Star. Hollywood lockt, doch der ersehnte Erfolg bleibt aus. Frustriert kehrt die Knef nach Deutschland zurück. Die erste Ehe mit dem jüdischstämmigen Kurt Hirsch (Trystan Pütter) scheitert, nicht zuletzt unter den Druck der Medien.
Ihre Nacktszene in “Die Sünderin”, die erste im deutschen Nachkriegsfilm, machte Hildegard Knef zur skandalumwitterten Tabubrecherin. Das kann man sich heute, wo alles in Bild und Ton und Wort erlaubt ist, nicht mehr vorstellen, in welchen kleinbürgerlichen Mief die Fünfziger Jahre diese westdeutschen Bundesrepublik einhüllten. Da galt eine Nacktbadeszene als verworfen und ein gesellschaftliches Verbrechen, dass aber Altnazis wie Staatssekretär Globke trotz persönlicher Schuld im Dritten Reich ungehindert das neue Deutschland repräsentieren durfte, das galt als normal. Der Skandal war so umfassend, dass er jüngst in der Skandalgeschichte der Bundesrepublik, die das Historische Museum in Bonn zusammengestellt hatte, einen eigenen Platz erhielt. Das war gleichzeitig die Zeit, wo in Gerichtsurteilen Eltern, die den Freunden der Tochter (oder umgekehrt) das Übernachten erlaubten, mit dem Kuppeleiparagraphen bestraft wurden, gleichzeitig aber Judenmörder frank und frei blieben. Und das war die Zeit, wo es Westdeutschen verboten war, eine kommunistische Zeitung zu lesen und Ausländer die französische Humanitè nur mit Sondergenehmigung erhielten.
So stand der große Erfolg der Knef gleichzeitig ihrer Karriere im Weg. Denn sie hatte nicht das Rosenwangige der Maria Schell, nicht das biedere Frausein der Ruth Leuwerik und auch nicht das Mädchenhafte der sehr jungen Romy Schneider. Eine richtige Frau war in den deutschen Filmen der Fünfziger nicht unterzubringen, nicht in den Heimatschnulzen, nicht in den Arztfilmen, nicht in den Familiengeschichten. Also hielt ihr Filmerfolg nicht lange an, sie war aber längst zum Star geworden, die von diesem Level auch nicht herunterwollte noch konnte. Als die Schuldenlast erdrückend wird, beginnt die Knef eine Gesangskarriere. Diese krönt ihr Auftritt in der Philharmonie. Doch auch hier holt sie die Bitterkeit der Realität ein.
Wenn ´s am schönsten ist, soll man aufhören. Bevor auch die zweite Ehe scheitert, die Knef nach kurzem Ruhm wieder auf dem Wartegleis landet, verlässt man die Protagonistin. Biografische Filme brechen gerne ab, bevor es richtig schlimm wird, wobei schlimm auch belanglos bedeuten kann. Belanglos fühlt sich das Leben an, welches der Film zeigt. Obwohl es gerade das nicht war. Wie die gewöhnliche Biografie einer mittelmäßigen Schauspielerin gestaltet sich die Handlung. Mutter war dagegen, ein paar Skandale, ein paar gescheiterte Liebschaften, alles wie gehabt. “Wer ist Hildegard Knef?”, fragt ihr Förderer und persönlicher Freund Erich Pommer. Die Frage kann “Hilde” nicht beantworten, weder als fiktive Figur noch als Film. Regisseur Kai Wessel zeigt viele ihrer Gesichter. Da ist die selbstbewusste Schauspielschulanwärterin, das junge Ding am Theater, die Hollywoodschauspielerin. Zu einer kohärenten Persönlichkeit fügen sie sich nicht. Mehr als abgearbeitete Stationen ihres Lebens erscheinen die Filmszenen, denn als Facetten ihres Charakters. Unschmeichelhaftes verschweigt der Film, nämlich dass die Knef immer mehr Skandal als Star war, künstlerisch in der zweiten Riege blieb. Am ganz großen Erfolg schien sie immer knapp vorbeizuschrammen, ob zu ihrem Glück oder Unglück bleibt fraglich. Zu wenig wird auch herausgestellt, welche Möglichkeiten eine auf Internationalität eingerichtete deutsche Schauspielerin damals hatte. So bleibt der Eindruck zurück, dass sie beeindruckend vor allem als Persönlichkeit war. Keine Sängerin, sondern Chanteuse, die mit Charme und Lebensweisheit ausglich, was ihr angeblich an Talent mangelte. Vergleicht man ihren Gesangsstil mit heutigen erfolgreichen Frauen, so sieht man, dass sie ihrer Zeit voraus war. Ihre ersten Memoiren „Der geschenkte Gaul“ war die große literarische Sensation in den Siebziger Jahren der Bundesrepublik. Eine blitzgescheite, die Sache und die Republik durchschauende Person, das war für die Heimchen-am-Herd-Mentalität der biederen Deutschen eindeutig zu viel. Was sie wirklich hätte werden können, bleibt in den Sternen.
Am Ende steht sie im Kleinen Schwarzen allein auf der Bühne. Ein gelungenes Bild, doch vermisst man wie bei so vielen der apart in Szenen gesetzten Momente die Tiefe. Kein Licht ohne Schatten, besonders, wenn es Rampenlicht ist. Dort stand Hildegard Knef nur kurz. Ende der Siebziger verkauften sich ihre Schallplatten zunehmend schlecht. Statt das Dunkel zu erhellen, drängt der Film Unangenehmes hinein. Vom Tod des Vaters an der Syphilis erfährt man nichts, ihre Probleme mit Alkohol und Tabletten werden nur angedeutet. Die Schulden, mit denen sie immer kämpfte, werden mit einem Scherz beiseite gewischt, die Karrieretiefs dienen als Anlass für aufreizende Temperamentsausbrüche. Selbstzweifel, Angst vor der Zukunft und dem Alleinsein, Depressionen – das Schicksal gehorchte ihr nicht, verwaltet ihr Leben keineswegs immer mit Liebe. Auf der Leinwand aber regnet es rote Rosen für die Sängerin. Jeder Streit führt zur leidenschaftlichen Versöhnung, die spießige Mutter wird am Ende zahm, die noch spießigere Gesellschaft vergibt der “Sünderin”.
Zumindest, dass die Knef in vollen Zügen leben wollte, lässt Regisseur Wessel anklingen in den Zwischentitel, die immer wieder zitieren: “Ich will, ich will, ich will!“ Ihr unbezwingbarer Wille war eine ihrer beeindruckendsten Eigenschaften. Ohne ihn hätte sie sich nicht immer wieder aufgerichtet. Viel spürt man von diesem Willen nicht. Zu schön fügt sich das auf und ab aus Triumph und Niederlage zusammen. Mehr Variation hätte auch bei der Filmmusik nicht geschadet. Vielleicht “Black Voodoo” von der Dietrich oder “I ´m no angel” – aber genau der muss die Knef in “Hilde” leider sein.
* * *
Titel: Hilde
Regie: Kai Wessel
Drehbuch: Maria von Heland
Darsteller: Heike Makatsch, Monica Bleibtreu, Dan Stevens, Johanna Gastdorf
Verleih: Warner Bros.
Internet: www.Hilde-derFilm.de