Fast wie eine Heimkehr des verlorenen Sohnes – Serie: „ Berthold Furtmeyr – Meisterwerke der Buchmalerei. Aufbruch zur Renaissance in Regensburg“ im Historischen Museum der Stadt (Teil 1/3)

Altes Testament, Frontispiz: Maria Lactans mit Kaiser Augustus und der Tiburtinischen Sibylle. Von musizierenden Engeln begleitet, gleichsam von himmlischer Musik umgeben, reicht Maria dem Jesusknaben die Brust.

Dazu muß man kein Lokalpatriot sein und auch kein Kunsthistoriker. Die Augen aufzumachen genügt schon, um in diesen kleinen feinen und wundersam bunten phantastischen Bilderwelten des Berthold Furtmeyr unsere Welt genauso wiederzuerkennen wie die Vorstellungen der meisten von einem Paradies oder der Hölle. Denn wohlgeordnet und mit Gut und Böse versehen ist diese farbenprächtige Welt, die Furtmeyr im Geist seiner Zeit als göttliche Botschaft, aber auch zur Ehre Gottes zeichnete und malte. Aber, das muß man hinzufügen, das ist noch die Welt der Spätgotik, die von der kommenden Reformation unbelastet, sich noch den gemalten Wonnen der Fleischeslust hingeben darf und wie gerne und wie gut Furtmeyer allein die vielen nackten Weiblein dargestellt hat, ist ein Freude zu sehen, und auch, wenn der Mann unterm Heu oder beim aufgeschreckten Beischlaf dabei ist.

Die Nacktheit hat gleichsam eine ideologische Funktion, sie gibt den paradiesischen Zustand wieder, oder die ’gute Tat`, wenn die Begleiterinnen der Tochter des Pharao, die Moses aus seinem Weidekörbchen auf dem Fluß schwimmend rettet, ebenfalls nackt sind, verführerisch mit langen roten Haaren, wie sie heutzutage in Wagners Rheingold die Rheintöchter sein dürfen. Noch ist Fleisch nicht verderbt, sondern der natürliche Ausdruck des Menschen. Aber die meisten Figuren sind dann doch angezogen, allerliebst im Stil ihrer Zeit, denn ein Großteil der Buchmalereien ist den ernsten Themen von Passion und Bibelerzählungen gewidmet.

Was für uns den eigentlichen Wert dieser Ausstellung ausmacht, ist allerdings, wie die Ausstellungsmacher diesen Kleinod Furtmeyr in eine Fassung zusammen mit Tafelbildern, Fresken, Zeichnungen, Ölleinwänden integrieren, die die kleine Form des Buches nicht erschlägt, sondern durch kluge Einteilung in abwechselnde Schwerpunkte das Interesse wachhält und dann auch noch den Meister aus Regensburg, Albrecht Altdorfer mit seinen Gemälden Raum gewährt. Für ihn alleine wären wir schon nach Regensburg gekommen, ist dieser Maler der sogenannten Donauschule – ein kunstgeschichtlicher Ordnungsbegriff, der gerade auseinandergenommen wird – doch einer der ganz großen Renaissancemaler der Deutschen, was diese noch nicht alle begriffen haben.

Wer war Berthold Furtmeyr? Mit dieser Frage kommt erst einmal jeder Besucher. Und so beginnt die Ausstellung mit den bekannten Lebensdaten, die Schaffensdaten sind, denn nachweisbar ist nur, daß Furtmeyr zwischen 1470 und 1501 Bürger von Regensburg war. Das heißt, daß weder Geburt, noch Ausbildung zum Miniaturmaler bekannt sind. Allerdings war Regensburg in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein künstlerisches Zentrum der Buchmalerei, die sich Richtung Neuzeit auf den Weg machte. Und in der zweiten Hälfte scheint es die Werkstatt des Furtmeyr gewesen zu sein, die die lukrativen Aufträge an sich zog und für Künstler der Zeit, also die Kunsthandwerker Anziehungspunkt wurde.

Unser Führer – ein Student der Kunstgeschichte beim Kurator Christoph Wagner – spricht davon, daß Furtmeyr das Hundertfache eines normalen Handwerkers als Jahressalär einnahm – noch sind wir bei Malern im Übergang vom Handwerker zum Künstler – und damit zu den reichsten Bürgern der Stadt zählte. Seine Werkstatt war so erfolgreich, daß der erfolgreiche Unternehmer Furtmeyr sein Vermögen in kurzer Zeit fast verdreißigfachte. Aber nur diese erfolgreichen Jahre sind dokumentiert. Ob er dann 1502 starb oder ’unmodern` wurde, ist nicht bekannt. Heute wissen wir nur, daß er langsam, aber für fünfhundert Jahre in Vergessenheit geriet.

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Info:

Ausstellung: bis 13. Februar 2011.

Beachten Sie das umfängliche Begleitprogramm unter www.regensburg.de/furtmeyr und versuchen Sie es mit einer Führung

Katalog: Furtmeyer. Meisterwerke der Buchmalerei und die Regensburger Kunst in Spätgotik und Renaissance, hrsg. von Christoph Wagner und Klemens Unger, Schnell & Steiner 2010

Wie sollte man all das den meisten Unbekannte von und über Berthold Furtmeyr, zwischen 1460 und 1506 als Künstler nachweisbar, sowie die außerhalb Regensburg weithin unbekannte dortige Kunst der Spätgotik und Renaissance anders darstellen können, als im Format einer steinernen Gehwegplatte. Ja, tragen können müssen Sie, wenn Sie den Katalog nach Hause schleppen, aber dann erfahren Sie über viele Stunden, Tage, Wochen und Monate immer wieder ein großes Glück.

Tatsächlich ist es so, daß illuminierte Buchmalerei in Vergrößerungen uns erst die Augen öffnen können, für die vielen kleinen, oft versteckten Feinheiten der Originale, die nicht dafür gedacht waren, hinter Glas mit Abstand betrachtet zu werden. Wir sind froh, daß sie überhaupt wenigstens im Ausstellungszeitraum dem Licht ausgesetzt werden und wirklich glücklich, Sie in diesem wunderbaren Bildband in Ruhe betrachten zu können. Auffällig dabei ist, daß die wirklich hervorragenden Reproduktionen Furtmeyrs dennoch seine „Luxusspezialität“ nicht nachdrucken können: sein Aquamarinblau und sein Gold. Das schimmert nur im Original in dieser Farbenpracht.

Der eigentliche Wert des Bandes geht natürlich über diese wunderbaren Bilder hinaus. Er liegt in der kunsthistorischen Erforschung der Zusammenhänge um den Künstler, sein Oeuvre, die Wechselwirkungen mit anderen Künstlern, die damaligen gesellschaftlichen und historischen Lebens- und Arbeitsbedingungen in und um Regensburg, dann aber auch um die Buchmalerei selbst, ihre Korrespondenz mit der Malerei auf Tafel, Leinwand und Fresko, die Zeichnung, der Druck – es ist kein Gebiet der Kunstgeschichte ausgespart, wenn man sich wie in einem Biotop allein Regensburg vornimmt. Und es wird auf einmal tatsächlich so, wie es sich die Herausgeber des Katalogs vorgestellt haben mögen, daß einem der Text erneut Lust auf die Bilder macht, in denen man mit dem Wissen im Hintergrund nun noch mehr sehen und erkennen kann.

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