EU-Brüssel ist außer Rand und Band

Auf die Spitze hat das die deutsche Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel, am Sonntag, den 14. September 2014, vor dem Brandenburger Tor in Berlin getrieben. Wie ist es möglich, gegen den anti-semitischen Ungeist zu wettern und zum ersten Male in der Geschichte des freien Europa diesen Kräften in der Ukraine die Hand zu reichen? Dabei reicht es für den „gewöhnlichen Westeuropäer“ schon, den ukrainischen Ministerpräsidenten Jasenjuk im Fernsehen erleben zu müssen. Die demokratischen Verhältnisse in den Staaten der Europäischen Union sind schon seit längerem in einer verhängnisvollen Schieflage. Wenn man sich allerdings hier umschaut, dann ist eines gewiss. Dieser Herr mag zwar der Personalauswahl der amerikanischen Staatssekretärin, Frau Nuland, genügen. In einem deutschen Gemeinderat wollte man derartiges Personal nicht sehen wollen.

Was denken eigentlich die Türken darüber, dass sich die EU gleichsam überschlägt, wenn es um die Ukraine geht? Einem Land wohlgemerkt, das Lichtjahre von dem ökonomischen Erfolg und der wirtschaftlichen Dauerleistung der Türkei entfernt ist. Bei dem man, Hand in Hand mit Washington, sogar einen Krieg mit der Russischen Föderation riskieren will. Soll man nach Napoleon und Hitler jetzt mit Obama und Hermann von Rompoy gen Osten reiten?

Nachdem die Woge des „Shareholder Value“ seit gut 20 Jahren über den Kontinent fegt und endlich die berühmte „Deutschland AG“ geknackt werden konnte, regt sich am nördlichen Rand der EU erstaunliches. Schweden hat Mitte-links gewählt und gibt damit Signale. Soll es etwa ein Ende damit haben, dass Europa über eine sonst auf der Welt nirgendwo vorkommende „freie Marktwirtschaft“ von protektionistischen Großsystemen wie den USA, China und Indien geplündert werden kann?

Rettet über eine Mitte-links-Regierung Schweden seine auf starke Familienunternehmen angewiesene Wirtschaftsstruktur und was heißt das für Deutschland? Es war wohl nur der Zusammenbruch von Lehmann Brothers, der dem deutschen Mittelstand eine Atempause verschaffen konnte. Die Pläne waren längst aus den Schubläden rausgezogen, nach dem Plündern der „Deutschland AG“ sich auch über den deutschen Mittelstand mit seinen Weltmarktführern herzumachen. Sind die Nordlichter gar unsere Rettung, nachdem die EU gerade im Partnerschaftsabkommen mit der Ukraine das Hohelied der „freien (und nicht sozialen) Marktwirtschadt gesungen hat?

Der Norden hat es in diesen Tagen ohnehin in sich. Das verdanken wir den Schotten, deren Missvergnügen mit der Herrschaft Londons über Schottland sie in das Unabhängigkeits-Votum getrieben hat. Wenn man den Äußerungen aus Schottland genau zuhört, verbindet die Schotten mit den Dänen, Schweden, Isländern und Norwegern mehr als mit London. Man ist sozialer und gegen gesellschaftliche Ungleichbehandlung. Das ZDF bringt keine in sich geschlossene Sendung zu bester Sendezeit über die komplizierte Lage in Schottland und in der Ukraine zustande. Prinz Harry und sein Geburtstag sind es aber wert, prominent über den Bildschirm zu flimmern. Was sehen wir und das schon seit Jahren? Bilder des britischen Militarismus und des Obrigkeitsdenkens. Nur derjenige, der eine Uniform trägt, ist wer. Harry macht ´s möglich. Wer verdenkt es den Schotten, wenn sie das anders sehen.

Jüngst war auf France 24 ein Schotte zu hören, der mit seinen Sonderrechten für das britische Parlament für die City of London das britische Parlament in einem Atemzug mit der Knesset und dem Parlament in Riad genannt hat. Und dann das Öl und  nicht zuletzt das schottische Gesundheitssystem, das über das aus London favorisierte Transatlantische Freihandelsabkommen mit den USA vom Leben zum Tode befördert werden soll.

Die Art und Weise, wie die Schotten, tapfer wie sie sind, sich für das soziale Europa schlagen, müsste dem politischen Berlin die Schamesröte ins Gesicht treiben. Diesen Leuten will Brüssel den Stuhl vor die Türe setzen, wenn die Abstimmung nicht im Interesse Londons ist?

Da es überall in Europa gärt, wie die Massendemonstrationen in Barcelona deutlich machen – und an anderen Orten werden die Proteste noch kommen -, sollte Brüssel den Schotten klar sagen, dass sie nichts zu befürchten haben. Sie waren und sind Europas „Beste“ und warum sollten sie erst neue Anträge auf Mitgliedschaft im Club stellen müssen?

Bei der Aufnahme Großbritanniens zur Europäischen Gemeinschaft zählten sie dazu und daran hat sich nichts geändert. Es ändert sich durch das Votum in Schottland nichts an der demokratischen Gesinnung und dem demokratischen Staatsaufbau Schottlands und die Außengrenzen der bisherigen EU werden auch nicht verändert.

Die Probleme liegen in Brüssel. Man müsste sich doch in Brüssel fragen, warum bei aller Einheit in Europa sich Völker, die den Charakter von Nationen haben, in ein Korsett gezwängt fühlen. Im Stile von Apparatschiks kann man die Probleme nicht lösen und Brüssel sollte schleunigst vom menschenfernen „hohen Ross“ heruntersteigen oder Frontbegradigung betreiben oder beides.

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Willy Wimmer
Staatssekretär des Bundesministers der Verteidigung a.D. Von 1994 bis 2000 war Willy Wimmer Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).