Essen für die Seele – Alles mit Liebe zubereitet in Fatih Akins „Soul Kitchen“

Adam Bousdoukos, Moritz Bleibtreu und Birol Ünel in "Soul Kitchen"

Zentrum der Handlung ist ein Restaurant, Moritz Bleibtreu als Bruder des Hauptcharakters ist dabei und leitet diese Kneipe zeitweise, auch wenn er sie umgehend am Kartentisch verspielt und die Kneipe gehört den erwachsenen Nachkommen von Einwanderern. Das erinnert an Akins Film „Solino“. Die Handlung spielt in Hamburg, meist im Schanzenviertel. Das erinnert an „Kebab Connection“. Zu Zinos` Bruder gehört eine türkisch-griechische Bande. Das erinnert an „Kurz und schmerzlos“ (der nebenbei auch in Hamburg spielt). Zinos (Adam Bousdoukos) hat sich verhoben. Unternehmerisch mit seiner billiges Fertigessen servierenden Kneipe „Soul Kitchen“, in der Beziehung mit seiner ehrgeizigen Freundin Nadine (Pheline Roggan) aus wohlhabender Familie und körperlich an zu schwerer Last.

Selbstüberforderung als Folge von Selbstüberschätzung ist für den Deutschgriechen ein Dauerproblem. Nadine zieht ins Ausland, der kurzfristig angestellte Spitzenkoch Shayn Weiss (Birol Ünel) treibt mit seiner Gourmetküche die Stammgäste aus dem „Soul Kitchen“ und Zinos Bruder Illias (Moritz Bleibtreu) überredet ihn, ihm mit einer Anstellung mehr Freigang aus dem Knast zu verschaffen. Zinos Bandscheibe und Nerven sind gleichermaßen strapaziert. Sein einstiger Klassenkamerad Neumann (Wotan Wilke Möhring) setzt das Gesundheitsamt auf ihn an, das Finanzamt meldet sich von allein. Zinos plant schon die Ausreise nach China. Doch dank Shayns Kochkünsten, welche Küche und Seele nicht nur im Namen des Restaurants, sondern kulinarisch verbinden, strömen plötzlich die Gäste. Zinos überrascht das, den Zuschauer weniger.

Klassische Zutaten von Akins Filmen sind Liebe zum Essen und besondere Orte, an denen man sich geborgen fühlt. „Ich komme aus einer Familie mit männlicher Kochtradition.“, erklärt Akin. So inszeniert er lustvoll – einmal buchstäblich dank Aphrodisiaka – wie im und um die „Soul Kitchen“ gekocht wird. Dazu ein Schuss Ironie über die deutsche Essmentalität und haute cuisine. „Gaumenrassisten!“, schreit es Birol Ünel als Gourmetkoch heraus und zaubert zuvor vorgebliches Nobelessen aus Fischstäbchen und Mayonnaise. Die Szene visualisiert treffend den Stil von „Soul Kitchen“. Verfeinert sind weder Inszenierung noch Handlung. Die Dialoge tendieren ins Vulgäre, der Humor ist mehr grob als geistreich. Akin war nie ein Meister subtiler Nuancen. Daran hat sich in seinem neuen Film nichts geändert. Doch er besitzt Gespür für kantige Figuren, skurrile Dramatik und die Absurditäten des Alltags. Mitreißend ist die Handlung vor allem dank des Ensembles. Adam Bousdoukos humpelt überzeugend nerven- und bandscheibenstrapaziert durch die Handlung. Birol Ünel ist als Messer schwingender Koch leider selten zu sehen, dafür gibt es Kurzauftritte von Udo Kier und Ugur Yucel, mit dem Akin eine Episode des 2010 anlaufenden „New York, I love You“ inszenierte. Moritz Bleibtreu spielt witzig den nonchalanten Tagedieb, sieht man davon ab, dass der Münchener partout nicht südländisch wirkt.

Zärtlichkeit und Verve spricht aus den Bildern. An der in Filmmusik und Titel beschworenen Seele aber fehlt es.“Soul Kitchen“ unterhält, künstlerisch bleibt der Film etwas unbefriedigend. Wird nach dem Massengeschmack gekocht, zieht es Gäste zum „Soul Kitchen“, ob auf oder vor der Leinwand. Die provokante Kompromisslosigkeit mit der er „Gegen die Wand“ inszenierte, fehlt Akin in „Soul Kitchen“. Vielleicht wagt Akin in späteren Filmen wieder mehr. Auch wenn es nicht allen schmeckt. Und einen Film nach diesem grandiosen alten Doors-Song zu benennen und ihn dann nicht zu spielen, obwohl er perfekt in die Handlung passen würde, ist irgendwie eine Sauerei. Vielleicht läuft der Song bei nächsten Mal. Man lernt zu vergessen. Und kommt wieder.

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Titel: Soul Kitchen

Kinostart: 25. Dezember 2009

Genre: Drama/Komödie

Land/Jahr: Deutschland 2009

Regie und Drehbuch: Fatih Akin

Darsteller: Adam Bousdoukos, Birol Ünel, Moritz Bleibtreu, Anne Bederke, Pheline Roggan

Laufzeit: 99 Minuten

FSK: ab 12

Verleih: Pandora Film

Internet: www.soul-kitchen-film.de

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