Esprit Montmartre – Die Schirn in Frankfurt zeigt mehr als die üblichen Verdächtigen

© Foto: Dr. Jürgen Pyschik

Montmartre, zu dieser Zeit noch ein ärmliches Dorf am Rande der Großstadt Paris – die Fotos in der Ausstellung lassen teilweise an heutige südamerikanische Elendsviertel denken – bildete mit seinem der Stadt zugewandten Vergnügungsviertel eine Schnittstelle zwischen der bürgerlichen Welt der Metropole und den proletarischen Existenzen, die sich ein Leben im Zentrum nicht leisten konnten. Die Vergnügungsstätten lebten davon, dass sie den Alkohol hier außerhalb der Stadt billiger verkaufen konnten und nicht zuletzt auch davon, dass sie aus den hier wohnenden armen Schichten die Prostituierten und Tänzerinnen günstig rekrutieren konnten. Die Künstler, durchweg ebenfalls knapp bei Kasse, fanden hier spartanischen aber preiswerten Wohn- und Atelierraum und nicht zuletzt auch ihre Modelle.
Es ist das Verdienst der Ausstellung, dass neben den bekannten Namen, von Degas über Toulouse-Lautrec, van Gogh, Bonnard bis zu Picasso eine ganze Reihe weniger prominente Maler und Malerinnen präsentiert werden. Auch Maler wie  Ramon Casas, Giovanni Boldini, Max Jacob, Marie Laurencin oder  Suzanne Valadon schildern mit scharfem Blick das Elend vor allem der Frauen, die, wie Zola feststellte, angesichts der ihnen bezahlten Löhne nur die Wahl zwischen Prostitution und Hunger hatten. Besonders eindringlich zeigt sich dies in den Darstellungen der Vergnügungslokale, Varietes und Kneipen, wo man auf der einen Seite bräsig sich hinfläzende „Kavaliere“ sieht und daneben Frauen mit leerem Blick, offensichtlich auf einen Kontakt wartend. Dort wo im Bild die Freier fehlen, leisten Absinthflasche und -glas den Gestalten Gesellschaft.

Die Ausstellung gliedert sich in sechs thematische Schwerpunkte: „Der Montmartre – ein dörfliches Paris“, „Cafés, Absinthtrinker und Varietes“, „Modelle, Tänzerinnen und Prostituierte“, „Traumwelt Zirkus“ und „Netzwerk der Künstler und Kunsthändler“. Ein weiterer Raum ist der für diese Zeit bedeutsam werdenden Plakatkunst (die Beispiele von Lautrec kennt man ja) gewidmet und den damals vielen neugegründeten sozialkritischen Zeitschriften, die manchem Künstler durch seine dorthin verkauften Illustrationen die Existenz zu sichern verhalfen.

Die Ausstellung läuft vom 7. Februar bis zum 1. Juni,  Zum Mitnehmen gibt es einen lesenswerten Katalog (vor Ort 34€) und zur Vorbereitung empfiehlt Schirn-Direktor Max Hollein eine Audio-App, die bei iTunes und Google Play für 2,69 € erhältlich ist.

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