Es reicht! Mord an Natalja Estemirowa – Deutscher P.E.N. nimmt zu den vielfachen Morden an Journalisten im russischen Umfeld Stellung

Wir können nichts anderes tun, als darüber zu schreiben, zu reden, zu protestieren, anzuklagen. Solange, bis es den Machthabern in den russischen Republiken unangenehm wird und sie zum einen, ihre eigenen Aufträge zurückrufen und andererseits diejenigen konsequent verfolgen, die bis heute die Ausübung freier Meinungsäußerungen mit Auslöschen dieser Personen ahnden. Mittelalterliche Praxis? I wo, damals ging man mit politischen Gegnern zivilisierter um. Aber heute ist Mord die einzige Reaktion und zeigt doch gleichzeitig, wie schmal die Basis für diese Mörder ist. Denn wären sie in der Bevölkerung verankert, dann müßten sie nicht diejenigen mundtot machen, die sich kritisch zur Menschenrechtspraxis in den russischen Landen äußern. Ein Pack! Überall Spitzel und das von denen, die sich ’Staatssicherheit’ nennen. Eine Pervertierung des Wortes.

Für den Deutschen P.E.N. hat deren Vizepräsident Dirk Sager einen empörten Nachruf verfaßt, den wir im Folgenden abdrucken: „Morde säumen den Weg in eine ungewisse Zukunft. Nun traf die brutale Heimtücke der Hinrichtungskommandos die Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa. Gestern morgen wurde sie in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny entführt und wenig später in der Nachbarrepublik Inguschetien erschossen aufgefunden.

Natalja Estemirowa hat seit den Jahren des zweiten Tschetschenienkrieges für die russische Menschenrechtsorganisation "Memorial" gearbeitet. Sie berichtete über Verbrechen gegen die Menschlichkeit und war für viele Geschundene und Verfolgte ein Rettungsanker. Seit der Ermordung ihrer Freundin Anna Politkowskaja im Oktober 2006 schrieb Natalja Estemirowa auch für die Moskauer Zeitung "Nowaja Gaseta". Sie trug Sorge dafür, dass Willkür und Grausamkeit des Militärs und der örtlichen Behörden ans Licht der Öffentlichkeit kamen. Sie gab der leidgeprüften Bevölkerung ihrer Heimat eine Stimme. Ihr mutiges, selbstloses Engagement wurde mit der Robert-Schumann-Medaille des Europaparlaments und der Verleihung des Anna-Politkowskaja-Preises gewürdigt. Nun ist auch ihre Stimme verstummt.

Der deutsche P.E.N. appelliert angesichts der deutsch-russischen Regierungskonsultationen in München an die Bundeskanzlerin Angela Merkel, darauf zu drängen, dass die russische Regierung die Mörder zur Verantwortung zieht und die Hintergründe des Mordes aufklärt. Nur dann kann die Serie von Morden, mit der engagierte Vorkämpfer für Demokratie in Russland hingerichtet werden, ein Ende haben. Keiner der politischen Morde der letzten zehn Jahre wurde bislang aufgeklärt.

Der Schmerz über den Verlust von Freunden und Mitstreitern, aber auch die Förderung des deutsch-russischen Dialoges gebieten es, Klarheit zu schaffen über die Vorgänge in Russland.“

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