Es lebe die Freiheit! Hinauf, hinauf zum Schloss – Mit Volldampf unterwegs, aber am Stau vorbei – Serie: Durch die Pfalz auf Schusters Rappen (Teil 2/3)

Unterwegs mit dem "Kuckucksbähnle" durch den Pfälzer Wald.

Die Befürchtung langen Wartens auf dem Bahnsteig bewahrheitet sich nicht, wir sind hier ja schließlich nicht in Berlin. Im Gegenteil, schnell kommt die S-Bahn, für die wir ein speziell auf unsere Bedürfnisse zugeschnittenes Touristen-Ticket erworben haben. Nach kurzem Fußmarsch erreichen wir unser Ziel, das Restaurant „Bürgerstube Lambrecht

Hier erwartet uns ein reichhaltiges Mittagessen. Wie der Name schon andeutet, gibt es hauptsächlich gutbürgerliche Küche in rustikalem Ambiente. Ich nehme ein, wie sich herausstellt, beeindruckend großes Rumpsteak nach französischer Art, gewürzt mit schwarzem und grünem Pfeffer, das als Clou mit feinem französischen Cognac abgelöscht wird. Es ist auf den Punkt so gebraten wie ich es bestellt habe, nämlich Medium, aber mit noch etwas rotem Saft auf dem Teller. Beim Rumpsteak bin ich manchmal etwas zickig, aber hier gibt’s überhaupt nichts auszusetzen. Im Gegenteil: der dazu gereichte Salat kracht vor Frische, ebenso wie das ofenwarme Baguette. Auch wenn der im Anschluss servierte Espresso und der wunderbar milde Grappa noch zum Verweilen einladen, machen wir uns auf den Weg zum ersten echten Highlight der Reise.

Vom Bahnhof Lambrecht fährt das „Kuckucksbähnel“, das im Januar diesen Jahres 100sten Geburtstag feierte, dampfend, zischend und pfeifend durch das Elmstal in Richtung, genau, Elmstein ab. Nicht nur für Eisenbahnfreaks ist diese Art der Fortbewegung ein Knüller: Es riecht nach Kohle, Öl und Leder, der historische Duft umgewandelter Energie liegt in der Luft. Öko-Fundamentalisten würden sich angesichts der dunkelgrauen Rauchschwaden die Haare raufen, allein, das Herz im Kind vom Manne hüpft vor Freude.

Apropos Kinder: Die springen wie von der Tarantel gestochen zahlreich im Waggon herum, dabei gilt es im „Bähnel“ besonders aufzupassen, denn alle Ausgänge sind relativ offen und höchstens mal durch eine niedliche Kette gesichert. Abenteuer pur also für die Kurzen, deren mitgebrachte Eltern alle Hände voll zu tun haben, dass keiner vom Waggon fällt.

Währenddessen hält die alte Lok an einem verwaisten Bahnhof zum Fototermin. Beim Aussteigen ins knöchelhohe Gras fällt mir sofort die besondere Geschmeidigkeit des Untergrundes auf: da hatte sich doch eine beachtlich große „Jachdwurst“ im Gras versteckt. Nach der Größe vom Pferd, nach dem Geruch vom Hund, vielleicht aber auch vom „Elwetritsch“, der hier in der Pfalz als eine Art Mittelding zischen Golem und Donald Duck sein Unwesen treibt. An dieser pfälzischen Variante des Wolpertingers sind zum Gaudium des Betrachters vorne zwei formschöne Hupen angeschraubt, was die Phantasie zusätzlich beheizen dürfte.

Gemütlich zuckelt der Nostalgiezug weiter, schadenfrohe Bemerkungen der Mitreisenden begleiten die Schuhsäuberung, während der ehrenamtlich tätige Schaffner, in Original-Livrée, stoisch und heiter plaudernd, die Fahrkahrten durchlöchert. Leicht angefressen von den Lästerzungen in meiner Umgebung, schaue ich den Bäumen zu, wie sie gemächlich am Fenster vorbeiziehen, das konstante sanfte Ruckeln und Schunkeln lässt die Gedanken schweifen. Kurzzeitig in Tagträumen unterwegs, fahre ich nun mit Jim Knopf und Lukas über Lummerland, eine Insel mit zwei Bergen, da ist ja auch Frau Malzahn… .Ja, ja, schöne Zeit die Kindheit…

Jäh ins Leben zurückgeschleudert, endet die „Traumreise“ in Elmstein mit einem durchdringenden Pfiff unserer „Emma“. Sie scheint froh zu sein, den schweren Weg geschafft zu haben und tut das ihrer Umwelt lautstark und seufzend kund. Dass so eine alte Dame noch so schrille Töne erzeugen kann, ist erstaunlich. Aber sie wird ja auch gut gepflegt: alle Mitarbeiter der Nostalgiebahn arbeiten ehrenamtlich und sind mit Herzblut dabei.

Ein paar Meter weiter steht das erste Ziel der Reise an: die Besichtigung des Waldarbeitermuseums „Alte Samenklenge“.

Das Museum ist an genau dem Ort untergebracht, an dem lange Jahrzehnte die schrittweise und mühevolle Gewinnung von Saatgut aus Baumzapfen stattfand. Der ehemals staatliche Betrieb aus dem Jahr 1913 wurde 2008 zum Dokumentationsort umfunktioniert. Neben Anschaulichem über Försterei und Jagd, Köhlerei, Harzgewinnung und dem ausgeklügelten System des Holztransports auf schmalen Kanälen, erfahren wir hier alles über die schwere Arbeit und das harte Leben mit dem und im Wald, das den Bewohnern der Gegend überwiegend nur nein kärgliches Auskommen ermöglichte. Sehr interessant und liebevoll aufbereitet.

Nächster Programmpunkt des Tagespensums ist das so genannte „letterboxing“, einer Variante der altbekannten Schnitzeljagd. Eine Mitarbeiterin des Fremdenverkehrsamtes verteilt begeistert Hinweise (clues), die zum Auffinden einer wasserdichten Kiste (box) in der sich ein Logbuch (letter) und ein (selbstgemachter) Stempel befindet. Da der Weg bekanntlich das Ziel ist, muss die richtige Richtung durch das Lösen von allerlei Rätseln, Zahlenraten und Wortfisseleien gefunden werden.

Dies alles erklärt die sympathische Dame mehrfach, aber da die Gruppe durch diverse Verkostung von Sekt und Schoppen schon über den Konzentrationsrubikon geschritten ist, erschließt sich der Zauber des Prinzips trotz mehrfacher Wiederholung zunächst nicht allen. Dass hier in der Nähe auch Ausläufer des Jakobsweges vorbeiführen, ist eigentlich modischer Schnick-Schnack und deshalb nicht weiter erwähnenswert, aber vielleicht die Erklärung warum ein gnädiger Herrgott schon nach einer Stunde Fußmarsch für gesegnete Regenfluten sorgt, die dem lustigen Suchen nach Hinweisen zwecks Wegebestimmung ein spontanes Ende bereiten.

Der Herr ist mein Hirte und um es kurz zu machen:

Letterboxing ist toll für Familien mit Kindern mit ADS oder eine lustige Truppe von Keglern, die gerne Spässeken treibt. Für konservative Wanderer, die Ruhe und Erholung in der Natur suchen, ist das Ganze aber eher nicht zu empfehlen, in my humble opinion jedenfalls. Am besten ist, wie immer: selber herausfinden und entscheiden.

Am Abend, nach den aufreibenden Ereignissen des Tages, übernachten wir im idyllischen „Hotel Waldschlössel“ in Elmstein-Speyerbrunn. Der Ort ist ideal zum Abschalten, denn die in einem bewaldeten Tal gelegene Anlage von Ferienhäusern und Wohnungen bietet dem müden Wanderer absolute Ruhe.

Ich bewohne ein riesiges Appartment mit amerikanischer Küche und schönem Balkon, das locker eine vierköpfige Familie aufnehmen könnte. Die Möblierung ist optisch am unhippen Teil der 70er-Jahre orientiert,  dafür sind die Preise der Zimmer unschlagbar günstig. Alles, vom Toaster bis zum Bügeleisen, ist vorhanden, für preisbewusste Selbstversorger ist es hier ideal.

Kulinarisch ist im Waldschlössel, wie eigentlich überall in der Pfalz, alles in Butter: Fleisch und Wurst stammen aus eigener Schlachtung, die Fische aus eigenen Gewässern, das Wild aus eigener Jagd. Trotz der etwas einsamen Lage der Wirtschaft, ist die Gaststube schon am frühen Abend gut besucht, was ja immer ein gutes Zeichen ist. Es geht hoch her, alkoholische Freude wie sie sein sollte. Deshalb verdient an dieser Stelle die Wirtin des „Waldschlössel“ ein kleines Sonderlob: Als es bei der Belegung der Zimmer kurzzeitig unklar ist, wo wir denn nun genau hin sollen, bleibt Frau Haag cool: gelassen und freundlich behält sie trotz merklichem Stress die Übersicht. Danke dafür.

Erleichtert sinke ich nach einem voluminösen Abendessen pappsatt in die Federn und bin sofort in tiefem Schlummer geborgen. Irgendwo zwischen Lummerland und Letterboxing begegnet mir ein "Elwetritsch" und erzählt mir von der Pfalz. So geht meine Reise im Traum weiter bis zum Morgen… . Davon demnächst mehr an dieser Stelle.

Im nächsten Teil lesen Sie: Warum die Neustädter Stiftskirche eine ganz besondere ist und was das Hambacher Schloss, die Villa Ludwigshöhe und die Burgschänke auf der Rietburg zu sehenswerten Zielen macht.

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