Es gibt nichts Gutes, außer man tut es – „Ein Leben für Afrika“: Gavin Millners Filmbiografie über „Albert Schweitzer“

Szene mit Jeroen Krabbé aus dem Film "Albert Schweitzer - Ein Leben für Afrika"

Ende der vierziger Jahre wird Schweitzer (Jeroen Krabbé) international für seinen medizinischen Einsatz im afrikanischen Lambarene bewundert. Unter die anerkennenden Stimmen mischen sich in den USA jedoch auch kritische, da Schweitzer mit Albert Einstein (Armin Rhode) befreundet ist und sich nicht scheut, öffentlich dazu zu stehen. Beide sind Gegner der Atombombe und Einstein wird vom McCarthy-Regime verdächtigt, Kommunist zu sein. Schweitzer und seine ergebene Ehefrau Helene (Barbara Hershey) fürchten, die Spendengelder, auf welche sie für ihre Arbeit in Afrika angewiesen sind, zu verlieren, sollten sie sich gegen die Bombe aussprechen. Durch Sabotage und die ablehnende Haltung der Übergangsregierung des undurchsichtigen Louis Ngouta (Patrice Naiambana) droht die Schließung des Hospitals, welches Schweitzer in Lambarene aufgebaut hat. Begleitet von der französischen Fotografin Therese Bourdin (Judith Godreche) kehrt Schweitzer nach Lambarene zurück. Doch nicht alle seiner angeblichen Unterstützer sind ihm so wohlwollend gesonnen, wie sie es behaupten.

Von der ersten Szene an zeigt „Albert Schweitzer – Ein Leben für Afrika“ seinen Titelcharakter in fast verklärender Perfektion: als großen Humanisten, mitfühlendem Arzt, Ikone der Menschlichkeit. „Ich war mein Leben lang ein Fan von Dr. Schweitzer.“, behauptete ein Charakter. Auf den britischen Regisseur und Co-Drehbuchautor Gavin Millner scheint das gleiche zuzutreffen. Schweitzers Ängste, Schwächen und Fehler bleiben fast vollständig im Dunkeln. Ausgerechnet an Menschlichkeit fehlt es in „Albert Schweitzer“ dem engagierten Humanisten. Die Dialoge unterstreichen Schweitzers „über“menschlichen Einsatz: „Du könntest dir einen Tag frei nehmen.“, bittet Helene. „Nicht so oft wie Gott, aber einmal im Monat.“ Die filmische Idealisierung ist Schweitzers Verdienst abträglich. Sein Einsatz ist bewundernswert angesichts des persönlichen Verzichts, der Entbehrungen und Schwierigkeiten, welche ein solches Engagement unweigerlich mit sich bringen. Diese deutet „Albert Schweitzer“ zu zaghaft an und lässt manches im Dunkeln. Schweitzer weiß um die Position, welche er innerhalb der Krankenhausgemeinschaft einnimmt und handelt danach. Sein Urteil ist allgemeingültig, seine Entscheidungen werden als unantastbar empfunden, nicht zuletzt von Schweitzer selbst.

Keine Mediziner sind unter den Einheimischen ausgebildet worden. Das Krankenhaus ist in „Ein Leben für Afrika“ von Schweitzer abhängig: „Kein Grand Docteur, kein Hospital.“, sagt eine Gabunerin. Besaß Schweitzer nicht die Möglichkeiten, Einheimische medizinisch auszubilden oder bewegten ihn persönliche Motive, es nicht zu tun? Fürchtete er, seine unersetzliche Position zu verlieren oder betrachtete er die Einheimischen als intellektuell unfähig? „Das sind Kinder.“, sagt der Schweitzer des Films über die Gabuner. Die kritische Frage seines Kollegen, ob man die Menschen damit nicht wie Unmündige behandele, relativiert umgehend eine Entschuldigung von Seiten Schweitzers Kollegen: „Das war ungehörig.“ Die gottgleiche Ehrfurcht, welche die Eingeborenen Schweitzer entgegenbringen, gipfelt in eine Szene, in der sie ihm singend huldigen. Seine Ehefrau Helene entschuldigt jeden seiner persönlichen Fehler, obwohl Barbara Hersheys sensible Darstellung spüren lässt, wie sehr Helene Schweitzer unter ihrer Zweitrangigkeit hinter dem Einsatz ihres Gatten leidet. Eine forsche junge Ärztin bittet „Le Grand Docteur“ für ihre vermeintliche Respektlosigkeit, welche tatsächlich berechtigte Kritik war, um Verzeihung.

Der bloße Verdacht, Schweitzer könne keine untadelige Persönlichkeit gewesen sein, ist aus Millners Perspektive beleidigend. So fehlt es seiner Filmbiografie an Objektivität. „Die emsige Schlange, das gefräßige Krokodil – wie in einem Kinderbuch.“ An ein solches erinnert „Albert Schweitzer – Ein Leben für Afrika“, wenn auch eines für große Kinder. Respekt verdient der Mensch Albert Schweitzer, nicht nur Arzt, sondern Musiker, Theologe und Familienmensch. Humanität besteht darin, niemals einen Menschen einem Zweck zu opfern.“, sagte Schweitzer. „Ein Leben für Afrika“ opfert den authentischen Charakter der Ikone.

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Titel: Albert Schweitzer – Ein Leben für Afrika

Land/ Jahr: Deutschland/Südafrika 2009

Genre: Filmbiografie

Regie und Drehbuch: Gavin Millner

Darsteller: Jeroen Krabbé, Barbara Hershey, Samuel West, Judith Godreche, Jonathan Firth

Laufzeit: 144 Minuten

FSK: Ohne Altersbeschränkung

Verleih: NFP

Internet: www.albertschweitzer-derfilm.de

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