Berlinale – Das Leben ist hoffnungslos, aber nicht ernst – Dem Kabarettisten Josef Hader gelingt mit „Wilde Maus“ ein starker Debutfilm

Josef Hader im Schnee und in "Wilde Maus". © WEGA Film

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Inmitten der ernsten und manchmal auch schweren Thematiken der Wettbewerbsbeiträge ist eine Abweichung davon pure Freude und Erholung. Der Kabarettist und Schauspieler Josef Hader hat mit Wilde Maus nun für diesen Akzent bei der Berlinale gesorgt und einen Film präsentiert, der aus dem bisherigen Berlinale Oeuvre heraussticht. Sein Regiedebut ist ihm hier mehr als gelungen. Und das obwohl man dem Film nicht vorwerfen kann eine kritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen auszusparen oder keinen Anspruch auf ernste Themen zu haben. Nur er tut es auf andere Art und Weise und sticht gerade deshalb heraus. Josef Hader hat es sich für seinen Debutfilm nicht gerade leicht gemacht, zeichnet er doch für Regie, Drehbuch und Hauptrolle verantwortlich.

Szene mit  Georg Friedrich und Josef Hader in "Wilde Maus". © WEGA Film
Szene mit Georg Friedrich und Josef Hader in „Wilde Maus“. © WEGA Film

Josef Hader spielt in Wilde Maus den Musikkritiker Georg dessen Leben von einem Tag auf den anderen aus dem Ruder läuft. Er wird von seinem Chef Waller(Jörg Hartmann) entlassen um jüngeren Kollegen Platz zu machen, seiner Frau Johanna (Pia Hierzegger), eine Psychotherapeutin, die von ihm unbedingt schwanger werden will, verheimlicht er dies und hat fortan Rachegelüste gegenüber seinem Chef. In der Zeit, die er nun totschlägt, um seiner Frau vorzugaukeln er sei bei der Arbeit trifft er seinen ehemaligen Schulkameraden Erich (Georg Friedrich), der hat Georg als Kind immer verprügelt, und entwickelt eine neue Freundschaft zu ihm, die dazu führt, dass beide eine Achterbahn auf dem Jahrmarkt, die Wilde Maus, betreiben. Als Georgs Chef Waller aus Schikane an Johann herantritt, eben um sie als Coach für sein Angestellten zu gewinnen und nebenbei Johanna die Wahrheit erfährt und ihn verlässt, läuft bei Georg schließlich das Fass über und er beginnt einen Rachefeldzug gegen seinen ehemaligen Chef Waller.

Szene mit Josef Hader und Pia Hierzegger in "Wilde Maus". © WEGA Film
Szene mit Josef Hader und Pia Hierzegger in „Wilde Maus“. © WEGA Film

Die Geschichte, die Josef Hader erzählt ist eigentlich nicht neu und sehr klassisch, nämlich die des Mannes, der von heute auf morgen nahezu alles verliert, Job und Frau und eine handfeste Lebens-, ja Existenzkrise durchmacht. Im Grunde schon eine ernste Thematik, auch passend zu unserer Zeit. Doch Hader präsentiert uns das nicht als schwere Kost, sondern als Tragikomödie, die schon einen seriösen Anspruch hat, uns dies aber nicht spüren lässt, sondern immer und in jeder Szene mit einem Augenzwinkern präsent ist. Ja den Pluspunkt hat sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und das alles mit typischen Wiener Charme auftischt. Das Leben ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Während wir bei anderen Wettbewerbsfilmen den Eindruck haben, sie sind extra für ein Filmfestival gemacht, um sich dort eben mit einer anspruchsvollen Thematik zu präsentieren, um eben auch Preise abzuräumen; kommt Wilde Maus in seiner ganzen Art, Weise und Form überhaupt nicht so daher und könnte gerade deshalb am Ende durchaus zu den Gewinnern dieser Berlinale zählen; eben weil er gesellschaftskritische Anliegen hat und das Drama eines Mannes erzählt, uns dies aber auf tragikomische Weise erzählt und nicht in jeder Szene, wie bei manch anderem Film, der moralische Zeigefinger gegenwärtig ist. Wir merken wie bei Haders Film irgendwie doch der Kabarettist in ihm schlummert, er aber klug genug ist dies nicht an die große Glocke zu hängen. So bringt er seinem Schauspielerensemble und deren Figuren genauso viel Liebe und Gewichtung entgegen wie seiner eigenen. Da verzeiht man es auch und ignoriert, dass er Jörg Hartmann als „bösen Buben“ besetzt. Eine Rolle, die Hartmann seit der Serie Weißensee anhaftet. Und doch kann er uns auch bei Hartmanns Figur Waller am Ende überraschen. Und dies trifft auf alle seine Figuren zu, auch auf ihn, wenn seinen Georg immer pragmatisch, mit einer Wut im Bauch und von nichts zu erschüttern, von einem Moment auf den anderen jämmerlich zu weinen beginnt, als seine Frau Johanna, die Psychotherapeutin, ihm in unmissverständlich nüchternen rauem Ton klar macht, dass sie ihn verlässt.

Wilde Maus zeichnet sich durch ein gutes Drehbuch und ein Ensemble aus, allen voran Josef Hader, Pia Hierzegger, Georg Friedrich und Jörg Hartmann, das sich im Spiel die Bälle nur so hin und her wirft. Und sein Ende stellt keinen großen Showdown dar, sondern wartet mit Georges gescheitertem Selbstmordversuch und Flucht durch den kniehohen Schnee eben wieder mit dieser hoffnungslosen aber nicht ernsten Lebenshaltung auf. Obwohl in der Schlussszene zwischen Georg und Johanne im Auto und verregneter Straße, dann vielleicht doch ein Hauch Happy End mitschwingt und sagt, dass Leben ist ernst, aber nicht hoffnungslos.

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Originaltitel: Wilde Maus
Land: Österreich
Jahr: 2017
Regie: Josef Hader
Kamera: Xiaosu Han, Andreas Thalhammer
Schnitt: Ulrike Kofler, Monika Willi, Christoph Brunner
Darsteller: Josef Hader, Pia Hierzegger, Jörg Hartmann, Georg Friedrich, Denis Moschitto, Nora von Waldstätten, Crina Semciuc
Dauer: 103 Minuten
Produzenten: Michael Katz, Veit Heiduschka

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