Wiesbaden, Deuschland (Weltexpress). Bei alllem Respekt vor dem Künstler, der ganze Arbeit geleistet hat. Ich aber bin verstört. Erdogan in Wiesbaden, als goldene Statue auf dem Platz der Deutschen Einheit. Das hat was von gelungenem Slapstick. Unbekannte scheinen am Montagabend das „Mahnmal echter Demokratie“ enthüllt zu haben. Nach kurzem Nachdenken glaube ich eher, es handelt sich um eine feindliche Übernahme des Muselmanen. Selbst die Obdachlosen rund ums Revier geben sich empört und suchen sich einen anderen Schlafplatz.
In Windeseile spricht sich die Sensation unter den Türken in der Stadt herum, welch großzügiges Geschenk die Stadt Wiesbaden ihren Bürgern gemacht habe. Vermutlich soll das goldige Monument mit seiner integrativen Kraft und als Symbol aller noch auf freiem Fuß lebender Türken, eine Frieden stiftende Wirkung erzielen. Trojanische Pferde sollen damals auch als künstlerisches Geschenk dem Todfeind untergejubelt worden sein. Ob es in diesem Falle auch so laufen wird? Man weiß es halt nicht, man forscht noch.
Die Polizei war selbstredend auch sofort zur Stelle. Prävention, hieß es kurz. Scheinbar hat man mit handfesten Auseinandersetzungen gerechnet. Erdogan, der Güldene, reckt derweil seinen Zeigefinger gen Himmel, als wolle er seinen muslimischen Untertanen andeuten, dass Allah in Kürze die Regierungsgeschäfte des Ministerpräsidenten in Wiesbaden übernehmen werde. Jedenfalls blitzen türkische Handykameras auf, um die Weissagung des Sultans schon mal auf einem Foto festzuhalten. Man stelle sich vor, irgend ein durchgeknallter Türke würde auf dem Taksim-Platz mitten in Istanbul Angela Merkel in Gold aufstellen. Nein, dazu sage ich nichts!
Wie zu hören ist, glühten kurz nach der Enthüllung des erigierten Despoten die Telefondrähte im Rathaus, zumal osmanische Jünger aus dem Land der Teppiche und des Kümmels frenetischen Beifall spendeten. Immerhin haben schon 1683 die Türken Wien belagert. Es dauerte keine 350 Jahre, bis sie endlich in Form des islamischen Herrschers in Wiesbaden angekommen sind. Eine Verhaftungswelle ist jedoch nicht zu befürchten. Vielmehr können wir von einer integrativen Maßnahme eines evolutionär unterentwickelten, deutschen Stadtrates sprechen.
Kunst soll es sein, wie man weiter hört, während sich das Türkenvolk in freudiger Erregung um ihren Anführer schart. Genauer gesagt, es soll sich um eine Aktion des Kunstfestivals Biennale handeln. Das Kunstfestival Biennale begann am vergangenen Donnerstag in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden und dauert noch bis Sonntag, den 2.9.2018. Dieses Jahr steht die Biennale unter dem Motto „Bad News“.
Und Erdogan in Gold soll bis zum bitteren Ende auf seinem Sockel stehenbleiben. Dass sich aufgrund der aufgeheizten Stimmung die Geister an diesem Kunstobjekt scheiden, liegt auf der Hand. Am 3. September soll er endlich wieder weg, der Erdogan. Sensibilität, Feingefühl oder Zurückhaltung ist die Sache des Gemeinderates scheinbar nicht, Geschmack offenkundig ein Fremdwort. Bislang war ich immer der Meinung, dass mit vielen Politikern die geistige Talsohle erreicht ist. Jetzt weiß ich, Wiesbadens Oberbürgermeister ist das Loch in der Sohle.
Anmerkungen:
Vorstehender Beitrag von Claudio Michele Mancini wurde unter dem Titel „Der goldene Erdogan als Statue in Wiesbaden“ im Scharfblick am 28.8.2018 erstveröffentlicht.