Sprinterin Judith Hesse aus Erfurt glänzte mit Doppel-Erfolg über 500 m/1000 m, während sich der Chemnitzer Nico Ihle (500 m) und der Hauptstädter Samuel Schwarz (1000 m) da jeweils mit guten Zeiten Rang eins teilten.
Es war für das Lager der DESG-Kufenflitzer allerdings mehr als der übliche Re-Start in eine neue Saison und in den neuen Olympiazyklus bis zu den Winterspielen 2018 in Pyeongchang.
Denn das olympische Kräftemessen im Februar in Sotschi endete mit einem Desaster und stellt eine Zäsur in der Verbandschronik dar: Erstmals seit 50 Jahren gab es kein olympisches Edelmetall. Es drohte – wie nun dem Curling – der Wegfall der besonderen staatlichen Olympia-Förderung durch das zuständige Bundes-Innenministerium (BMI). Was leistungssportlich wegen des Mangels an Verbandsponsoren praktisch das Aus bedeutet hätte.
Der worst case ist aber (DESG-Präsident Gerd Heinze : „Gott sei dank“) nicht eingetreten. Weil die Dachorganisation Deutscher Olympischer Sport-Bund (DOSB) eins und eins zusammenzählen kann: Der klassische Eisschnelllauf allein bietet 36 Medaillenchancen. Zusammen mit der Kurzrundenvariante Short Track sind es noch deutlich mehr.
An der Teilhabe an einem so großen Medaillenkuchen freiwillig (oder aus finanziellem Kalkül) zu verzichten, wäre schlicht töricht!
Wie Präsident Heinze verkündete, wird es aber finanzielle Einschnitte geben. Wie groß die sind und mit welchen Folgen, sei im Moment nicht abzuschätzen. Weil ein Beschluss nicht vorliegt. Heinze: „Wir möchten die Trainerstellen halten, müssen aber sehen, wo wir sparen können.“
Zwei traditionelle, sommerliche Höhenlager in Livigno (Italien) und Fon Romeu (Frankreich) wurden gestrichen. Bei der Besetzung der Weltcups werde man „stringenter“ auf Qualifikationen achten, um die Kosten zu reduzieren.
Der DOSB hat zudem – begleitet von Sportler-Forderungen – personelle Veränderungen verlangt. Doch die Abberufung von Günter Schumacher – in Personalunion Sportdirektor und DESG-Generalsekretär und doppelter Gehaltsempfänger (!) – ist auf Eis gelegt. Der Bayer hat sich krank gemeldet.
Die Stellen-Ausschreibung läuft. Wie auch für den Posten des Chef-Bundestrainers. Den besetzt derzeit der Inzeller Markus Eicher, erfolgreich u.a. als Betreuer von Weltmeisterin und Olympiasiegerin Anni Friesinger (nun Postma). Er sagt: „Ich werde mich nicht bewerben, wäre aber bereit, wenn man mich fragt.“ Aber der DOSB geforderte Neuanfang mit Jüngeren wäre das nicht.
Mit dem Aufrücken von Eis-Ikone und Rekord-Weltmeisterin Gunda Niemann-Stirnemann (Erfurt), Andre Unterdörfel (Berlin), des ehemaligen französischen Inline-Weltmeisters Tristan Loy und Denny Leger (beide in Inzell tätig) ist der Re-Start auf dieser Ebene dagegen vollzogen. Wegen der unklaren Finanzlage ist momentan offen, wie künftig die Verbandstrainer-Bereiche (Sprint/Mehrkampf/Frauen/Männer) zwischen diesen aufgeteilt werden.
Zudem hat die DESG Verluste zu verkraften. Auf der Aktiven-Seite mit dem Karriere-Servus der Berlinerinnen Jenny Wolf (Weltmeisterin und Weltrekordlerin im Sprint) und Monique Angermüller (Weltklasse Mittelstrecke). Bei den Trainern den Abgang des Erfurters Stephan Gneupel, einer der global erfolgreichsten Eisbetreuer, mit Erreichen des Rentenalters.
Die fast schon chaotische Situation auf der Führungsebene dürfte mitverantwortlich sein, dass man den Chemnitzer Langstrecken-Spezialisten Alexej Baumgärtner ultimativ aufgefordert hat, sein Mitwirken in einem holländischen Privatteam einzustellen.
Wie gehen die Protagonisten mit all dem um?- Weltklassesprinter Nico Ihle, Vierter über 500 m in Sotschi: „Es wäre schöner, wenn im Verband eine klare Linie erkennbar wäre”¦ Aber ich versuche mich auf meine Leistung zu konzentrieren und kann das ausblenden. Und was die Hinweise auf andere Strukturen bei den dominanten Holländern angeht: Wir müssen unsere Möglichkeiten nutzen und sie einfach auf dem Eis schlagen.“
Ihle, Schwarz, Beckert landeten bei Olympia in Reichweite zu den Medaillen und dürften für eine Trendwende im bevorstehenden Winter sorgen – dass die Eismänner seit vielen Jahrzehnten eine bessere Erfolgsbilanz als die DESG-Frauen aufweisen. Denn bei jenen haben allein die 42-jährige Ausnahmeathletin und erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin Claudia Pechstein (9 Medaillen, 5x Gold) und vielleicht die 32-jährige Judith Hesse Podiumsperspektiven.
Weil aktuelle mediale Mauerfall-Rückblicke – und Bilanzen fast durchweg positiven Anstrich haben: Im Eisschnelllaufen ist das DESG-Aufgebot von den ersten Winterspielen nach jenem historischen Ereignis, 1992 in Albertville, mit der Medaillen-Rekordausbeute von 5x Gold und insgesamt 11 olympischen Plaketten sowie Rang eins in der Nationenwertung heimgekehrt. Das war in toto Sportlerinnen und Sportlern aus dem Beitrittsgebiet Ost zu verdanken. Darunter das 20-jährige Küken Claudia Pechstein als Dritte über 5000 m hinter zwei Erfurterinnen”¦ die Nullbilanz von Sotschi zeigt, dass die bundesdeutschen Leistungssport-Strukturen Schwächen aufweisen.