Drei Typen stehen in einer kleinen Bar am Platz und beobachten die Szenerie, alles könnte sein wie immer, nur dass die alte Frau nicht kommt, ihren Hund nicht an das Fallrohr neben dem Stand mit dem Schild „Vielfältiges Warensortiment“ anbindet und nicht ihre Runde durch die Marktstände dreht. Alle anderen Aktivitäten, die daran geknüpft sind, geschehen auch nicht. Durch ein kleines Detail an einem Samstagmorgen ändert sich alles. Zu dieser Erzählung „die letzte Begegnung auf dem Marktplatz von Utrine“, die nur gut drei Seiten Text umfasst, sind im neuen vorliegenden Buch der Reihe Sonar des Voland & Quist Verlages drei ganzseitige Abbildungen beigefügt. Nein, besser, dazu gezaubert, korrespondieren mit den Zeilen, ganz wie Sie wollen!
Es handelt sich hier wohl nicht um einen klassischen Graphic Novel, denn den schwarz/weiß Bildern in ihrer holzschnittartigen Tiefe ist mehr Text angefügt, als bei vergleichbaren Editionen. Und das ist auch gut so, denn es handelt sich immerhin um Edo Popovic ´, dessen Romane und Traktate in den vergangenen Jahren in der gleichen Reihe erschienen, einfühlsam übersetzt von Alida Bremer. Muss Edo Popovic ´ noch vorgestellt werden? Ich hoffe, nein! Der 1957 in Zagreb geborene und dort lebende Autor gilt als Kroatiens Stimme der Verlierer der gesellschaftlichen Transformation nach der Wende. Er war Mitbegründer einer der einflussreichsten Underground-Literaturzeitschriften des ehemaligen Jugoslawiens und sein erster Roman „Mitternachtsboogie“ (1987, bei Voland & Quist 2010), wurde zum Kultbuch seiner Generation. (siehe Rezension bei weltexpress.de vom 27.10.2010)*
Wie in seinen anderen Büchern kreisen Popovic ´s Geschichten und balladeske Gedichte auch im vorliegenden meerblauen Bändchen um Menschen in Außenseiter-Positionen. Entweder trinken sie zu viel oder nicht mehr, rauchen, sinnieren, ficken, erschlagen einen Hund, der ihnen am Schwanz geleckt hat (brrrh) oder basteln Punk-Weihnachtskarten. Yepp, so verrückt geht es zu in der Welt der Zagreber Looser. Auch der Comic-Künstler Igor Hofbauer stammt aus Zagreb, hat sich ein bisschen in der Welt herumgetrieben und ist mit Sicherheit mit Edo Popovic ´ befreundet, zumindest vertraut. Wunderbar seine plastischen Figuren mit verkürzten Beinen und übergroßen Köpfen, die grotesk durch ihre düstern Lebenslandschaften irrlichtern. Davon wollen wir mehr!
Fazit: mal wieder ein echter, räudig süffisanter Popovic ´! diesmal noch gesteigert durch herb-wüste Bilder eines Gesinnungsgenossen; abgefahren, krass und nicht für die Oma geeignet!
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Edo Popvic ´, Tattoogeschichten, mit Illustrationen von Igor Hofbauer, Aus dem Kroatischen von Alida Bremer, 178 S., Voland & Quist; Oktober 2011, 16, 90 €