Dieser lehnte Gott sei Dank ab und gibt Angelina Jolie die herrliche Chance zu zeigen, dass sie alles kann: glaubwürdig die in Nord Korea Gefolterte zu sein, die kühle Spionin, die sanfte und liebevolle Ehefrau, die ehrpusselige Geheimdienstmitarbeiterin, die selbst in eigener Not für den Hund fürsorglich Menschliche und dann – weil es nötig ist – die eiskalte, glasklar kalkulierende, alle waffentechnischen Möglichkeiten Nutzende und in allen denkbaren Körperkampftechniken die Männer Besiegende. Und dann ist so auch noch schön dazu.
Und dennoch ist das alles – gelinde gesagt – Firlefanz, denn der Film trüge auch ohne dieses ganze Getue und hastige Gemache, denn die zugrunde liegende Geschichte hat es in sich. ’Salt` heißt der Film nach dem bürgerlichen Namen der CIA-Agentin Evelyn Salt (Angelina Jolie), aber im Titel schwingt noch viel mit, was man mit ’Salz der Erde` oder der etymologischen Ableitung andeuten könnte. Aus dem Indogermanischen kommend, bedeutet ’sal` erst einmal das Schmutziggraue und beim Salz handelt es sich um eine aus Ionen in Kristallgittern bestehende chemische Verbindung. Diese Evelyn Salt bleibt kein harmloses Speisesalz, sondern ist regelrecht explosiv. Salt I und II hießen aber auch die Verträge zur nuklearen Rüstungsbegrenzung, die zwischen den USA und der UdSSR zwischen 1969 bis 1979 geschlossen wurden. Wir befinden uns also im heißen Minenfeld des Kalten Krieges zwischen den Supermächten, der auch nach 1989 teilweise weitergesponnen wird.
Zum Beispiel bei der faszinierenden Überlegung, die hier Ausgangspunkt der ganzen Filmerzählung ist. Russen und Russinnen werden vom russischen Geheimdienst KGB in den USA als Amerikaner ’implantiert`, wirken Jahrzehnte als Schläfer und werden in dem Moment wach, wo ihre Stunde geschlagen hat, und sie gegen die USA und für die Sowjetunion, heute Russland, tödlich und politisch durchschlagend wirken können. Nachdem wir Evelyn Salt erst einmal als die in Nordkorea ihre Unschuld Beteuernde, dann doch in der Aktion der Gefangenenübergabe als USA-Agentin wahrnehmen, erfahren wir auch, dass ihr CIA-Vorgesetzter, Ted Winter (zwielichtig Liev Schreiber) ,sie ihrem Schicksal überlassen wollte und nur ihr deutscher Ehemann (verlässlich August Diehl, den das Programmheft nicht mal erwähnt) aufgrund seiner wissenschaftlichen Reputation als Spinnenforscher gute Karten hatte und als Ehemann nicht locker ließ, bis sie nach Hause kam.
Wir erleben also eine loyale und fleißige Beamtin, die ihren Hochzeitstag feiern möchte, und gerade beim Nachhausegehen damit überrascht wird, daß ein russischer Überläufer ihr beichtet, daß in den nächsten Stunden ein Attentat auf den russischen Präsidenten verübt werden solle, der zur Beisetzung des amerikanischen Vize-Präsidenten nach New York anreist. Ein Attentat durch einen russischen Schläfer, der gut getarnt, als US-Bürger durchgeht, denn – so berichtet es der Russe Orlov (in gelungener Mischung aus müdem Krieger und abtrünnigem Kommunisten: Daniel Olbrychski) – es war eine geübte Praxis der Sowjets amerikanische Eltern verunglücken zu lassen, deren Kind in die UdSSR zu verfrachten und ein im Patriotismus geschultes und perfekt im Englischen aufwachsenden stattdessen in die USA als Waise und Amerikaner groß werden zu lassen. Der Name dieses Schläfers, der aktiv werde, sei Evelyn Salt.
Was sich nun tut, ist großartig. Denn wir erleben auch psychologisch die Situation mit, wie es einem geht, der gerade mit Privatem beschäftigt, beruflich auf einen Schlag alle gegen sich hat. Denn woher weiß der Überläufer ihren Namen? Was sollte er bezwecken, sie zu denunzieren? Das sind Fragen, die man sich erst später stellt, denn sofort mit seiner Benennung der TOP-Spionin für Amerika als russische Agentin, entfaltet sich das Szenario. Sie weiß, dass die Vorgesetzten (prägnant auch Chiwetel Ejiofor als strenger William Peabody) sie festsetzen wollen – deshalb muss sie aus einem Hochsicherheitstrakt fliehen, was ihr als erstes gelingt – und wie schwer es werden wird, die Wahrheit zu beweisen. Denn was ist die Wahrheit? Die entschlüsselt sich – und das ist das richtig Gute und Spannende an dem Film – erst ganz ganz am Ende und es wäre unlauter, diesen wirklichen Hakenschlag, mit dem Autor Kurt Wimmer uns am Schluss eins drauf gibt, damit die Welt wieder in Ordnung ist, hier zu verraten.
Robert Elswit hat mit der Kamera genug zu tun, die rasanten Verfolgungsjagten optisch auf die Leinwand zu bringen und die Hauptdarstellerin Jolie bringt einen bei ihrem von Brücken auf Laster, von Laster zu Laster springenden Aktionen fast um den Verstand. Wir aber hätten von Regisseur Phillip Noyce gerne auch im zweiten Teil zur eigentlichen Geschichte, dem Aufwachsen von russischen kindlichen Spionen in amerikanischem Gewand, mehr gehört, als nur noch atemlos Aktionen hinterherzugucken. Zudem, auch wenn wir das gerade noch schafften, es gab genug Zuschauer, die das Handlungsgerüst gar nicht richtig mitbekamen: war sie nun eine Agentin und für wen? Das können Sie selber herausfinden. Lohnend ist der Besuch allemal. Wegen Angelina Jolie.
Titel: Salt
Land/ Jahr: USA 2010
Genre: Spionage-Thriller
Kinostart: 19. August 2010
Regie: Phillip Noyce
Drehbuch: Kurt Wimmer
Darsteller: Angelina Jolie, Liev Schreiber, Chiwetel Ejiofor, Daniel Olbrychski, Andre Braugher
Laufzeit: 100 Minuten
Verleih: Sony Pictures