Als der Bauer Bjarni Gislason beim Abtrieb der Schafe zufällig mit seiner wohlgebauten Nachbarin Helga als letzter aus den Bergen kommt, beginnt eine Geschichte, die beider Leben verändert wird. Aus einer üblen Nachrede über eine unzüchtige Vereinigung in einer grasbewachsenen Mulde, werden sinnliche Gedanken. Aus den Gedanken wird Wirklichkeit. Als Helga schwanger wird, stellt sie Bjarni vor die Wahl. Er soll seine unfruchtbare und unglückliche Frau verlassen und mit Ihr nach Reykjavik gehen, um mit ihr zusammen ein neues Leben zu beginnen.
Paarungszeit ist ein Roman in Briefform, ein Bauernroman, eine Abrechnung mit dem Leben, die ein alter Mann in der Dämmerung seines Lebensabends schreibt. Es ist ein Liebesbrief und ein Abschiedsbrief: „Du findest es vielleicht derb, dies aufzuwärmen und an dich zu schreiben, Helga. Ruf und Ehre sind mir völlig egal. Was soll man damit schon anfangen, wenn alles vorbei ist?“ (S. 35)
Der Roman erzählt die Geschichte eines Mannes der die ganze Entwicklung von Island, als der rückständigen, bettelarmen Insel zu einer modernen Nation mitgemacht hat. Ein Bauer, der vom Anfang bis fast zum Ende des vergangenen Jahrhunderts gelebt hat, und sich Gedanken über die Gerechtigkeit und den Wandel macht: „Und wenn wir wie die Leute in den Großstädten heute glaubten, dass das Glück darin liege, so viel in den Geschäften zu kaufen, bis man innerlich bettelarm ist, und dass Glück bedeute, frei zu sein und alles wählen zu können, was einem im Leben einfällt, als ob die Welt ein Restaurant mit internationaler Küche wäre, würde das nicht alle vergangenen Generationen beleidigen, die nicht so leben konnten? Sind denn etwa Glück und Erfüllung nagelneue Erfindungen der Städter, alles vergangene Leben in diesem Land hingegen, und im Grunde der größte Teil allen Lebens zu allen Zeiten, ohne Bedeutung und ohne Glück gewesen? Ich frage mich, wie das helle Funkeln in den Augen meiner Großmutter Kristín und ihr frohes Gemüt in diese Weltanschauung passt.“ (S. 78)
Bergsvein Birgissons Roman ist eine zutiefst isländische Geschichte, in der die Frage gestellt wird ob es einem Mann möglich ist, das richtige Leben zu leben. Es ist eine Geschichte über den Wandel und das Glück.
Paarungszeit erzählt von der Schönheit der isländischen Landschaft, von Schafen und über die Schönheit der Frau. Einer Frau. Helga, deren Körper einer Landschaft gleicht. Fast liest sich der Roman wie eine Antwort auf die Frage, warum liebe weh tut. Einmal angefangen legt man ihn erst aus der Hand, nachdem man am das letzte Wort, das Wort liest: „liebe“.
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Bergsvein Birgissons, Paarungszeit, Roman, Aus dem Isländischen von Angela Schamberger, Steidl Verlag, Göttingen 2011, 110 Seiten, Leineneinband, ISBN: 978-3-86930-358-1, 16 €