Wir haben mit diesem, Vittachis fünften im Unionsverlag herausgekommenen Roman über dieses Faktotum Wong, diesen Fengshui-Detektiv und auch sein Personal das erste Mal kennengelernt. Wir sagen es gleich, wir sind nicht mehr objektiv. Erst haben wir uns bei der Lektüre halb kringelig gelacht und dann uns alle verfügbaren bisherigen Krimis von diesem drolligen Fengshui-Detektiv, die ja eigentlich gewitzte Romane sind, besorgt und reingezogen, anders kann man das nicht ausdrücken, was eindeutig ein Anzeichen von Sucht ist. Der dürre und schon alte Mister C.F. Wong, Chinese und Fengshui-Meister im Gespann mit der dünnen, blutjungen, orientierungslosen und sich oft läppisch verhaltenen und so wie Ihr Name schon sagt quiekenden Joyce McQuinnie aus Australien-Europa-USA, also Westen, also diese beiden haben das Zeug dazu, Kult zu werden. Kult für die Leser, die die Welt etwas kennen, die Urteile und Vorurteile über Völker, deren Geschichte im Hinterkopf haben, die grundsätzlich die Sprache und den intelligenten Umgang mit ihr lieben, die für Humor nicht nur halten, wenn man über andere lacht, sondern auch andere über einen, alle diese verpassen was, wenn sie auf Nury Vittachi verzichten.
Wir kannten ihn vorher nicht, was – so ist das immer – man sich nachher nicht mehr vorstellen kann. Interessanter Typ. 1958/59 in Sri Lanka geboren, das damals noch Ceylon hieß. Seine Vorstellung im Buch sagt: „Sein indischer Großvater stand angeblich neben Mahatma Gandhi, als dieser ermodert wurde; sein Vater, der ebenfalls Journalist war, mußte als Regimekritiker unter Todesdrohungen aus Ceylon fliehen und strandete mit seiner Familie völlig mittellos in Singapur“ . Schon diese wahre Geschichte klingt wie ein Romananfang von Nury Vittachi, wo jetzt Fengshui richten soll, was das Leben falsch angefangen hatte. Die Familie aber ging stattdessen nach England, das interpretieren wir, denn sicher ist nur, daß der Junge ins englische Schulsystem eingeschleust wurde und dort auch den Journalismus lernte.
Und dann heiratete er und – wie es sehr märchenhaft heißt – landete er 1986 auf der Hochzeitsreise mit seiner angloirischen Frau Mary in Hongkong, wo er blieb. Sie auch. Und auch zusammen, inzwischen eine Großfamilie mit adoptierten chinesischen Kindern. Er kam sehr schnell als Schreiberling groß raus – das merkt man den Romanen auch an, der Mann kann flüssig und zugespitzt witzig schreiben – und vor allem seine Kommentare zu Aspekten des dortigen Lebens und der Politik machten ihn berühmt. Aber nachdem 1997 die Kronkolonie an China zurückfiel, war er den Neuen Machthabern zu munter, nein, anders, im vorauseilenden Gehorsam erhielt er von seiner Zeitung Schreibverbot, wohl aber Gehalt, was ihn mit eigenen Worten „zum bestbezahlten Arbeitslosen Hongkongs“ machte und ihm die Zeit gab, seinen Ideen Papierform zu geben, wozu eben diese Abenteuer wider Willen gehören, die sein Fengshui-Detektiv zu bestehen hat.
Kommen wir zur Geschichte, von der wie gleich sagen, daß sie zwar turbulent und mit supermodernen Mitteln ausgetragen ist und spannend bleibt, daß uns aber dann längst nicht mehr nur die Inhalte, sondern das, was an Witz und Reflektion einem den Sinn verzückt, wichtig wurde. Auf geschickte Weise stellt Vittachi in jedem der Romane erst noch einmal die Grundkonstellation her, in dem er sein Romanpersonal immer ein wenig anders einführt, was den Einstieg in die Serie in jedem der Romane möglich macht. C.F. Wong ist eigentlich ein halsstarriger und geldgieriger alter Mann, der einem nur deshalb ans Herz wächst, weil er dauernd falsche Entscheidungen trifft, damit aber das Richtige tut. Ein tumber Tor, der mit Hilfe seiner Fengshui Geräte auf Dinge kommt, die uns als erstes dazu brachten, alle getrockneten Blumen im Haus wegzuwerfen. Halten nämlich Qi – auch Chi geschrieben und immer tschi gesprochen – auf. Das sind die Energieströme, die sich aus Luft, Dunst und Atem zusammensetzen und die man den „Atem der Natur“ nennen kann und die sich frei durch den Raum bewegen können müssen, was die Fengshui Meister beim Bauen von Gebäuden und beim Einrichten erkennen . So sagen es die Anmerkungen, denn zu den Vorzügen des Buches gehört, daß kein Larifari verbreitet wird, sondern der Autor genau recherchiert – auch in anderen Bereichen – und man so nebenbei eine echte Fengshui-Schulung mitbekommt.
Joyce dagegen hat nach einer verkorksten familienlosen Jugend den Wunsch in Asien eine der spirituellen oder esoterischen Theorien zu erlernen, über die sie dann ihre Zulassungsarbeit für ein Uni-Studium in den USA schreiben kann. An Wong gerät sie und dieser an sie, weil ihr Vater gut bekannt ist mit dem Ober-Arbeitgeber, in dessen Schutz und Trutz der ansonsten völlig eigenständige Wong sein Büro betreibt. In diesem Büro sitzt noch eine einheimische Sekretärin, die ihren Chef Wong schlecht behandelt und sich immer die Nägel lackiert und dabei telefoniert. Die Auftragslage ist dünn, dafür der Meditationsraum vollgestopft mit Toilettenpapier, als der Superauftrag erfolgt: Wong soll im Superjet für gutes Fengshui sorgen, denn hier finden die Verkaufsgespräche statt, in dem die Briten dieses größte, modernste und teuerste Flugzeug an China verkaufen wollen. Da passiert ein Mord in genau diesem Flugzeug und es ist die umweltaktive Joyce, die als erste erkennt, daß dies getürkt ist, die Mordanklage gegen den Jungen, der als einziger laut Videoaufzeichnungen als Schütze in Frage kommt.
Nein, mehr erzählen wir jetzt nicht. Na, höchsten noch, daß er mit der Mordermittlung beauftragt wird – mehr Geld! – und dann noch, daß er von Queen Elizabeth nach London eingeladen wird, um den Buckingham-Plast zu fengshuisieren, sprich: dort unsichtbare Unheilquellen aufzuspüren – noch sehr viel mehr Geld! Warum ihm das am Schluß alles gelingt, hat erneut mit dem Qi zu tun. „Gerade Linien soll man vermeiden, da bewegt sich die Energie zu schnell. Die Leute fühlen sich unsicher, das Glück entweicht. Auch Sackgassen sind schlecht, dort staut sich die Energie.“ Beim Leser muß sich gar nichts stauen, der platzt immer wieder mit lautem Lachen heraus und hat höchstens dafür zu sorgen, daß ihm keiner sein Exemplar zum Selberlesen entwendet.
Nury Vittachi im Unionsverlag (metro):
– Der Fengshui-Detektiv im Auftrag Ihrer Majestät, 2009
– Der Fengshui-Detektiv, 2003
– Der Fengshui-Detektiv und der Geistheiler, 2004
– Der Fengshui-Detektiv und er Computertiger, 2004
– Shanghai Dinner. Der Fengshui Detektiv rettet die Welt, 2008
Info: Uns haben die Geschichten des Fengshui-Detektivs, in deren Verlauf man bisher die Straßen und Gebäude, die Sitten und Gebräuche, das Essen und die Menschen von Hongkong, von Singapur, von Shanghai und Malaysien richtig kennengelernt, motiviert, auf den Spuren von Wong und Joyce zu wandeln, so daß wir uns jetzt einmal um Städtereisen dorthin kümmern werden und diese fortlaufen mitteilen wollen, denn wir hoffen die Fengshui-Reihe setzt sich fort.