Ein bisschen Friedensnobelpreis für den Oberboss der Supermacht – Presseschau vom 10.10.2009

Die unerwartete, überraschende Ehrung für den US-Präsidenten wertet Werner Pirker in der jungen Welt (www.jungewelt.de, 10.10.2009) als „eine von vielen Fehlentscheidungen in der Geschichte dieser Auszeichnung“. Unter der Überschrift „Trostpreis“ kommentiert er: „… Immerhin betreibt die Obama-Administration »verbale Abrüstung«. Sie hat den »war on terror« aus dem Wortschatz der US-Politik getilgt. Was freilich keineswegs bedeutet, daß sie ihn beendet hat. Auch der Begriff »nation building« wird von Obama und den Seinen nicht mehr in den Mund genommen. Die in Afghanistan angewandte Strategie der »vernetzten Sicherheit« entspricht im Wesen aber genau den Vorstellungen der Erbauer von Staaten, nachdem sie diese in ihrer souveränen Existenz ausgelöscht hatten. Der frisch gekürte Friedensnobelpreisträger ist im Irak nicht aus dem Schatten seines Vorgängers herausgetreten. Und in Afghanistan will er den Krieg mittels einer Truppenaufstockung sogar intensivieren. Seine Bemühungen, im Nahen Osten einen Friedensprozeß, das heißt einen Prozeß zur Befriedung des Palästinenserproblems, in Gang zu setzen, waren bisher eine einzige Lachnummer. Von seinem potentiellen Nachfolger als Friedensnobelpreisträger öffentlich vorgeführt, vermochte Obama die israelische Friedensblockade an keinem Punkt aufzubrechen.“

In der Tageszeitung (www.taz.de, 10.10.2009) sieht Bettina Gaus in dieser Wahl „Das falsches Signal“, weil der Preis bisher für Taten und nicht für Ankündigungen vergeben worden sei. Obama sei halt ein Nachwuchstalent, auf dem viele Hoffnungen ruhten. Sie schreibt: „… Vielleicht wäre der US-Präsident in einigen Jahren ein würdiger Preisträger. Bisher hat er viele nette Dinge gesagt und wenig erreicht, woraus ihm nach nur wenigen Monaten Amtszeit kein Vorwurf zu machen ist. Derzeit gilt übrigens sein besonderes außenpolitisches Engagement der Verschärfung des Kriegs in Afghanistan. Interessantes Anliegen für einen Friedensnobelpreisträger. Warum ist das wichtig? Weil es nicht viele Würdigungen gibt, die wenigstens grundsätzlich – wenn schon nicht im jeweiligen Einzelfall – von der ganzen Welt respektiert werden. Die also zumindest theoretisch für die Universalität bestimmter Werte stehen. Umstritten darf der Preis deshalb sein. Als Prämie der Begabtenförderung ist er ungeeignet.“

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In seinem Leitartikel in der Frankfurter Rundschau (www.fr-online.de, 09.10.2009) notiert Joachim Frank unter dem Titel „Inhumaner Friedensnobelpreis“: „… Während in den USA die Entzauberung des neuen Präsidenten innenpolitisch längst begonnen hat und Obama den schmerzlichen, aber unausweichlichen Prozess der eigenen Entmystifizierung vom messianischen Heilsbringer zu einem mehr oder weniger mächtigen Politiker durchlaufen muss, lädt das Nobelpreis-Komitee in Oslo noch einmal die ganze Last der globalen Glücksprojektionen auf ihm ab… Ärgerlich ist die Ehrung Obamas auch, weil sie unverkennbar als nachgereichte Verdammnis seines Vorgängers gedacht ist. Das Nobelpreis-Komitee steigert damit noch einmal seine – ohnehin problematische – Vergabepraxis früherer Jahre. Das Prinzip "Tadeln durch Loben anderer" wandte es mit Blick auf George W. Bush auch 2007 an, als es Al Gore, US-Vizepräsident unter Bill Clinton und gescheiterter Präsidentschaftskandidat 2001, für seinen klimapolitischen Anti-Bush-Kurs ehrte. Diese so durchsichtige wie merkwürdige Dialektik der Verleihung ist doppelt schädlich: Sie vermittelt dem Geehrten, seine Leistung zähle vor allem als "relative" – nämlich im Sinne einer Antithese. Und sie degradiert eine der symbolträchtigsten Auszeichnungen weltweit zu einem Statement, schlimmstenfalls zu einer Fußnote in laufenden politischen Debatten.“

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