Berlin, Deutschland (WELTEXPRESS). Wir dokumentieren nachstehend einen offen Brief von Oskar Lafontaine und Jürgen Todenhöfer an Olaf Scholz und Emmanuel Macron vom 5.5.2023 wie folgt:
„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz, sehr geehrter Herr Staatspräsident Macron, bitte helfen Sie mit, den Ukrainekrieg zu beenden!
Von Oskar Lafontaine und Jürgen Todenhöfer
Wir fordern Bundeskanzler Scholz und Staatspräsident Macron auf, gemeinsam nach Moskau und Washington zu reisen, um konkrete Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Ukrainekonflikts einzuleiten. Wir sprechen im Namen der schweigenden Mehrheit der Menschen Deutschlands und Frankreichs, die Verhandlungen und Frieden will.
In Deutschland widerspricht die diplomatische Untätigkeit der Ampel der Präambel unseres Grundgesetzes, die von allen Politikern fordert, „dem Frieden der Welt zu dienen“ und nicht dem Krieg. Die Ukrainepolitik der Ampel steht in klarem Widerspruch zum Friedensgebot und zum Geist unseres Grundgesetzes.
Ziel der Initiative von Scholz und Macron muss es sein, eine Friedenslösung zu finden, die sowohl die Sicherheitsinteressen der Ukraine als auch die Sicherheitsinteressen Russlands berücksichtigt.
Frankreich und Deutschland haben als europäische Führungsmächte eine besondere Verantwortung für den Frieden in Europa. Das gilt selbst dann, wenn die USA im Ukrainekonflikt möglicherweise auch andere Ziele verfolgen als die Europäer. Deutschland und Frankreich müssen ihre eigenen nationalen und europäischen Interessen vertreten und nicht in erster Linie die Interessen USA.
Niemand behauptet, dass Frieden mit Russland leicht ist. Aber er ist möglich.
So wie nach dem 2. WK die fast undenkbare Aussöhnung zwischen den jahrhundertelangen Todfeinden Frankreich und Deutschland möglich war. Weil es mutige und weitsichtige Politiker gab wie Adenauer und de Gaulle.
Dasselbe galt für die Aussöhnung Deutschlands mit der Sowjetunion. Unser Land hat im 2. WK 27 Millionen Sowjetbürger – darunter Millionen Russen und Ukrainer – getötet. Trotzdem haben verantwortungsbewusste Politiker wie Brandt in den siebziger Jahren durch intensive Verhandlungen erreicht, dass die Sowjetunion Deutschland die Hand zu Versöhnung reichte.
Was damals möglich war, ist auch heute möglich. Und nötig. Zu viele Ukrainer und Russen sind in diesem Krieg bereits gefallen. Täglich werden Menschen Opfer der Bombenangriffe, die Ukraine wird in immer größerem Umfang zerstört. Wir müssen dieses Blutvergießen so schnell wie möglich stoppen.
Ihre Aufgabe, Herr Bundeskanzler und auch Ihre, Herr Staatspräsident, heißt Frieden und nicht Krieg. Frieden jetzt, nicht irgendwann! Ohne Russland und ohne eine Politik der Vereinigten Staaten, die auch den Sicherheitsinteressen Russlands Rechnung trägt, wird es in Europa keinen dauerhaften Frieden geben.“
Die Erstveröffentlichung dieses Offenen Briefes erfolgte in „Frankfurter Rundschau“ (5.5.2023).