Dokumentation: Edith-Jacobson-Damm statt Hindenburgdamm in Berlin

Eine uralte mechanische Schreibmaschine im Berliner "Max und Moritz". © Münzenberg Medien, Foto: Stefan Pribnow, Ort und Datum der Aufnahme: Berlin, 29.4.2011

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Unter dem Betreff „Edith Jacobson statt Hindenburg in der Bundeshauptstadt“ schickte Wolfram P. Kastner am 12.2.2024 einen E-Brief zu einem Offenen Brief der Initiative Edith-Jacobson-Damm, den wir wie folgt dokumentieren:

„An die Bezirksverordneten Berlin Steglitz-Zehlendorf, den Berliner Bürgermeister, an den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler, die Bundestagspräsidentin u.a.

Edith-Jacobson-Damm in Berlin

Ehre wem Ehre gebührt

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir beantragen die Umbenennung des Hindenburgdamms in der Bundeshauptstadt Berlin, Bezirk Steglitz-Zehlendorf, der auf einer Strecke von drei Kilometern bis heute den Demokratieverächter, Militaristen und Steigbügelhalter Adolf Hitlers ehrt.

Wir bitten Sie, sich mit uns dafür einzusetzen, dass diese Schande endlich beendet und die Straße nach der Psychologin Dr. Edith Jacobson benannt wird, die an der dort gelegenen Charité arbeitete und von den Nazis verfolgt wurde.

Die negative Rolle Hindenburgs als Urheber der geschichtsfälschenden „Dolchstoß“-Propaganda und als Ermöglicher und Schirmherr der Nazi-Diktatur und ihrer Verbrechen ist hinlänglich erforscht und bekannt.

In vielen Städten (u.a. in München) wurden deshalb und aufgrund der Kontrollratsdirektive 30 der Alliierten nicht nur Adolf-Hitler-Straßen, sondern auch Hindenburgstraßen bereits unmittelbar nach Kriegsende umbenannt.

In der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn wurde 2022 die nach ihm benannte Straße in Loki-Schmidt-Straße umbenannt.

Um die Entstehung und die Verbrechen der NS-Diktatur als Teil der deutschen Geschichte zu erinnern, bedarf es sicher ebenso wenig einer Adolf-Hitler-Straße wie eines Hindenburgdammes in der Bundeshauptstadt Berlin im Jahr 2024.

Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf lehnte 2018 eine Umbenennung ab und stellte je eine „kontextualisierende“ Informationstafel an beiden Enden der Straße in Aussicht.

Abgesehen davon, dass durch eine „Kontextualisierung“ die fatale Ehrung des Demokratieverächters und -bekämpfers nicht aufgehoben würde, die angekündigten Informationstafeln wurden nie aufgestellt.

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin befindet sich am Hindenburgdamm 30. Es bietet sich an, die Straße nach einer Person zu benennen, die dort gearbeitet hat und im Kampf gegen den Hitler-Faschismus verfolgt, verhaftet und vertrieben wurde.

Wir schlagen vor, die Straße nach Dr. Edith Jacobson (1897-1978) umzubenennen.

Dr. Edith Jacobson wurde 1897 in eine in Haynau (Schlesien) lebende, aufgeklärte, jüdische Familie geboren. Ihr Vater war Arzt und ihre Mutter Musikerin. Ab 1917 studierte sie in Jena, München und Heidelberg Medizin und promovierte 1923 in Kinderheilkunde. 1926/27 arbeitete sie in der von Karl Bonhoeffer geleiteten Psychiatrischen und Nervenklinik in Berlin. Während ihrer Charité-Tätigkeit absolvierte sie am Berliner Psychologischen Institut (BPI) zwischen 1925-1929 eine psychoanalytische Ausbildung; bei Anna Freud erlernte sie Kinderanalyse. 1929 eröffnete sie eine Nervenarztpraxis in Berlin und wurde 1930 Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft.

1933, nach der Machtübergabe an die Nazis, war sie sich bewusst, dass sie als Jüdin gefährdet war, blieb aber in Berlin aus Solidarität zu ihren Patienten, die meist NazigegnerInnen waren. Im gleichen Jahr wurde sie Lehranalytikerin am BPI, nahm aber den zunehmenden Anpassungs- und Gleichschaltungsprozess der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft sowie ehemaliger Bonhoeffer-Mitarbeiter wahr. Bis 1935 behandelte sie ihre PatientInnen, arbeitete in der Fürsorge, in einer Sexualberatungsstelle und publizierte in linken Schriften. Sie unterstützte die sozialistischen Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“ im Kampf gegen den Nationalsozialismus, stellte ihre Wohnung für konspirative Treffen zur Verfügung und schickte Berichte an Exilanten nach Prag. Am 28. Oktober 1935 wurde sie von der geheimen Staatspolizei verhaftet, vor allem, weil sie die Daten einer bereits verhafteten Patientin nicht weitergab. Im Dezember 1935 klagten die Nazis sie wegen „Hochverrats“ an und verurteilten sie nach fast einem Jahr Untersuchungshaft 1936/37 zu zwei Jahren und drei Monaten Zuchthaus und der Aberkennung bürgerlicher Ehrenrechte. Die Strafe verbüßte sie im Zuchthaus Jauer in Schlesien, wo sie lyrische Texte und psychoanalytische Abhandlungen verfasste. Als sie 1937 in der Haft schwer erkrankte, verlegte man sie in ein Leipziger jüdisches Krankenhaus. Von dort gelang ihr die abenteuerliche Flucht über München und Prag in die USA, wo sie schnell wieder beruflich Fuß fasste und zahlreiche wichtige Veröffentlichungen vorlegte. Edith Jacobson starb 1978 in Rochester (New York). Ihre Studie „Betrachtung über physische und psychische Hafteinwirkungen“, die lange unentdeckt geblieben war, wurde 2015 als „Gefängnisaufzeichnungen“ veröffentlicht. Edith Jacobson gilt heute als führende Theoretikerin der nachfreudianischen amerikanischen Psychoanalyse.

Es gibt in Berlin bis heute keine Straße, die Dr. Edith Jacobson ehrt.

Eine bedeutende Straße der deutschen Hauptstadt nach Edith Jacobson zu nennen – eine Straße zumal, an der ihre Wirkungsstätte, die Charité liegt – wäre ein notwendiges Zeichen und eine deutliche Willensbekundung, totalitäre Gesinnung, Antisemitismus und Demokratiefeindschaft nicht platzgreifen zu lassen.

Wir freuen uns auf Ihre positive Antwort und Unterstützung des Anliegens.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfram P. Kastner                                       Dr. Gisela Notz                                Claus-Peter Lieckfeld

München                                                              Berlin                                                      Windach

Helmut Donat, Bremen; Dr. Ute Finckh-Krämer, Berlin; Evelin Frerk, Berlin; Hermann Fricke, Hann. Münden; Bernadette + Joachim Gottschalk, Laatzen; Peter Hess, Hamburg; Hajo Jahn, Wuppertal; Judith Kessler, Berlin; Jakob Knab, Kaufbeuren; Friedrich Niepmann, Olching; Julian Rosefeldt, Berlin; Dr. Ines P. Scheibe, Berlin; Martin Stiefel, München; Prof. Dr. Wolfgang Ullrich, Leipzig; Hans Wallner, Regensburg; Prof. Dr. Wolfram Wette, Waldkirch; PD Dr. Irmtrud Wojak, Bochum

Entsprechende Schreiben gingen an:

Bundespräsident Steinmeier, Bundeskanzler, Bundeskulturbeauftragte, BundestagspräsidentInnen, Bundestagsabgeordnete, Bürgermeister, Bezirksbürgermeisterin, Charité, Zentralrat der Juden u.a.

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