Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wer kennt nicht den Satz von Brecht, »Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?» Das gilt auch heute, aber die Methoden haben sich verfeinert. Die gegenseitigen Abhängigkeiten sind gewachsen. Wenn einer scheitert, übt die Klasse des Finanzkapitals Solidarität, wie man es in der Arbeiterklasse selten erlebt.
Am Dienstag bringt ARTE wieder einen seiner Themenabende: »Geld regiert die Welt». Dem unterliegen zwei Dokumentationen: »Die Skandalbank» (die Investmentbank HSBC), mit der obligatorischen Gesprächsrunde, und »Tod eines Bankers: Der Skandal um die älteste Bank der Welt». Den beiden Filmen über die schmutzigen Geschäfte der Banken folgt die »Gesellschaftsdoku» (???) »Bis zum letzten Tropfen. Europas geheimer Wasserkrieg». Doch der Reihe nach.
Im beschaulichen alten Siena besteht die älteste Bank der Welt, die »Banca Monte dei Paschi di Siena», gegründet 1442 und jahrhundertelang Geschäftsbank und Sparkasse der Region. Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde sie zum Kriminalfall im doppelten Sinne. Gewisse Politiker der Democrazia Cristiana hatten das ehrgeizige Ziel, die mittelgroße Regionalbank zur Weltbank zu entwickeln, wie der ehemalige Bürgermeister erzählt. Wer diese Leute waren, sagt er nicht, allenfalls bemerkt er, dass sie nicht kreditwürdig waren. Sie nutzten ihren politischen Einfluss, um sich Kredite von 50 Milliarden Euro zu verschaffen, die nicht zurückgezahlt wurden. Durch diese »Gefälligkeiten» und durch Verluste im Handel mit sogenannten Derivaten sitzt die Bank auf einem Berg von faulen Krediten im Wert von 300 Milliarden Euro. 2011 erhielt sie (oder musste sie erhalten) einen Notfallkredit von 2 Milliarden Euro, denn mit ihr wankte nicht nur das italienische, sondern das europäische Bankensystem. Wie spätere Untersuchungen ergaben, fälschten die Manager von 2012 bis 2015 systematisch die Bilanzen. Derivate wurden als Staatsanleihen deklariert, um eine seriöse Basis vorzutäuschen. Einer der Mitwisser, der Pressechef David Rossi, stürzte am 6. März 2013 aus dem Fenster seines Büros. Delikat: er hatte angekündigt, zwei Tage später vor der Staatsanwaltschaft aussagen zu wollen. Was offiziell als Selbstmord ausgegeben wurde, wurde alsbald in Zweifel gezogen und auf Forderung seiner Familie rekonstruiert – mit dem sehr wahrscheinlichen Ergebnis, dass Rossi aus dem Fenster gestoßen wurde.
Die Autoren und Regisseure Moritz Enders und Ingolf Gritschneder interviewen zahlreiche Banker, Politiker, Anwälte und Journalisten, deren Weisheiten man selbst hören muss, um das Ausmaß an Geldgier, Größenwahn, Lüge und Vertuschung ermessen zu können. Denen ist alles klar, aber es wird sich nichts ändern. Die einfache Regel ist: Eine Bank darf nicht pleite gehen, um keine Kettenreaktion auszulösen. Deshalb muss sie vom Staat gestützt werden. Lenins Feststellung bewahrheitet sich: Imperialismus ist verfaulender Kapitalismus. Es gibt genügend Geier, die vom Aas satt werden.
Einer der Eingeweihten lehnte ein Interview ab: Mario Draghi, der vom Chef der Bank von Italien zum Chef der Europäischen Zentralbank aufgestiegen war, und der seine schützende Hand über die marode Bank gehalten hatte.
Teil zwei. Da geht es um Geld in Form von – Wasser. Der Autor Yorgos Avgeropoulos geht von der zweifelhaften These aus, der weltweite Trend gehe zu einer Rekommunalisierung der Trinkwasserversorgung und der Abwasseraufbereitung. Wer Zeitung liest oder Verbraucher ist, erfährt täglich von der Privatisierung der Stromversorgung, der Autobahnen, der Eisenbahn, der Krankenhäuser, sogar der Schulen. Nach dem Willen der Europäischen Kommission sollten zum Beispiel die Kommunen ihren Öffentlichen Personennahverkehr europaweit ausschreiben. Die Europäischen Verträge, in welcher Form auch immer, erzwingen die Privatisierung der öffentlichen Versorgungseinrichtungen, also auch der Wasserversorgung. Der Film berichtet von ihrer Privatisierung in Paris, Berlin, Athen, Dublin, Cork und in Portugal. Das hat Preiserhöhungen bis zu 400 Prozent zur Folge, was dann (endlich) den Widerstand der Bevölkerung hervorruft. Sie bestehen darauf: Wasser ist keine Handelsware, sondern ein Menschenrecht, und es gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge.
Ein krasser Fall war die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe in Berlin, betrieben 1999 von CDU und SPD, mit Profitgarantie für die Konzerne Veolia und RWE bis 2028. Wenn die Verbraucher wegen gestiegener Wasserpreise Wasser sparten, musste der Senat den Konzernen den Gewinnausfall ersetzen! Als 2011 auf Initiative des Berliner Wassertischs ein Volksentscheid die Rekommunalisierung erzwang, bezahlten die Steuerzahler mit 1,3 Milliarden Euro den Konzernen die »entgangenen» Profite bis 2028. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass CDU und SPD 1999 den Verkauf tätigten, aber Die Linke ihren Mitgliedern untersagte, Unterschriften für das Volksbegehren zu sammeln. Die Initiatoren mussten vor das Berliner Verfassungsgericht ziehen, um die Rechtmäßigkeit des Volksentscheids bestätigt zu bekommen. Courage bewies die Berliner SPD-Abgeordnete Gerlinde Schermer, die trotz Verbots den Inhalt der Wasserverträge öffentlich machte. Dafür wurde sie von der SPD nicht wieder zur Wahl nominiert.
Die Privatisierungsgegner in Berlin ruhen nicht. Zur Zeit will eine Initiative »Gemeingut in Bürgerhand» die Privatisierung der Berliner Schulbauten verhindern. Ihr Mitglied Dorothea Härtlin hält die sogenannte Schuldenbremse für das entscheidende Druckmittel zur Privatisierung, das sowohl in Deutschland als auch in Europa abgeschafft werden muss. Und was habe die Privatisierung Berlin genützt? Statt 33 Milliarden habe Berlin jetzt 59 Milliarden Schulden.
In den Filmen des Abends zeigt die Europäische Union zwei Gesichter: Wohlwollen und jede Unterstützung für das Finanzkapital, auf der anderen Seite Ausplünderung des Volkes bis zur Existenzbedrohung. Einer erscheint in all den Affären als Bindeglied: Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank. Er schützt die Banken und drückt gleichzeitig die neoliberale Politik der EU durch (gemeinsam mit EU-Kommissaren und EU-Parlamentariern). Er habe die Macht, seine Fehler zu vertuschen, sagt der Kommentar. Er sei nicht zu halten, meint ein Zeitzeuge. Interessant aber ist die Rolle der Presse. In den Nachrichtensendungen erscheint er als der geschickte Manager, der immer recht behält. Wie viele erkennen und benennen seine wahre Rolle?
ARTE bietet gewollt oder ungewollt Lehrfilme. Ein Experte meinte in der Pressekonferenz, sie sollten am Sonntagnachmittag laufen. Wer glaubt da an den Weihnachtsmann?
Tod eines Bankers. Der Skandal um die älteste Bank der Welt. Gesellschaftsdoku von Moritz Enders und Ingolf Gritschneder, ARTE/ZDF, Deutschland 2017, 52 Minuten, 21.55 Uhr auf ARTE. Bis zum letzten Tropfen. Europas geheimer Wasserkrieg. Gesellschaftsdoku von Yorgos Avgeropoulos, ARTE/ERT, Frankreich/Griechenland 2017, 55 Minuten, 22.45 auf ARTE.