„Die Staufer und Italien“ in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim – Serie: Rund um das große Mittelalterprojekt der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen im „Stauferjahr 2010“ (Teil 5/6)

Löwen-Mensch-Gruppe Worms, Dom St. Peter, um 1150, Abguß: Hamm, 2009, Dompfarramt St. Peter zu Worms

Wir sagen es gleich. Da halten wir uns heute heraus. Denn diese Ausstellung ist durch ihre Exponate derartig herrlich – weil man Dinge zu sehen bekommt, von denen man weiß, daß man sie im Leben wohl nie wieder erleben kann, von so weit oder aus so versteckten Sammlungen kommen sie -, daß wir sie nicht als Geschichtsausstellungen werten wollen, was eh schwierig ist, sondern als eine Kunstausstellung . Deshalb beschreiten wir jetzt den Rundgang der Ausstellung auf drei Etagen, die jeweils einem Thema dienen. Ganz unten wird der Besucher mit Friedrich Barbarossa konfrontiert, der im Kyffhäuser tief tief schläft und auf den die Deutschen warten, daß er dereinst ihnen des Reiches Glanz, sprich: die Herrlichkeit des Reiches wiederbringt. Es geht also um Zweierlei. Einmal um die Staufermythen, die immer wieder legitimatorisch benutzt wurden bei der Absicht und dann der Verwirklichung eines (klein)deutschen Reiches, das ab 1871 als Nationalstaat bestand.

Es geht aber auch um die geschichtlich korrekte Darstellung der einzelnen Stauferherrscher, die namentlich aufgeführt und auf eigenen Stelen in ihrem Lebensweg und auch ihrer reichsgeschichtlichen Bedeutung gewürdigt werden. Auf ihren Siegeln treten uns neun staufische Könige und Kaiser entgegen, von denen wir Friedrich I., genannt Barbarossa (1152-1190), seinen Sohn Heinrich VI. (1190-1197) sowie seinen Enkel Friedrich II. (1212-1250), der sich 1229 selbst zum König von Jerusalem krönte. Seine Mutter Konstanze, normannische Erbin von Sizilien hatte dem Vater Heinrich VI. 1186 diese blühende und tief in der Antike und dem byzantinischen Reich verankerte Insel eingebracht und ganz offen muß man sagen, daß dieser Friedrich II. doch mehr Italiener als Deutscher war.

Aber das interessiert jetzt nicht. Was wir in der Ausstellung mit eigenen Augen sehen können, ist der enorme Kulturaustausch, der zwischen den nördlichen Landen und den südlichen, des sich immer noch Heiliges Römisches Reich nennende Gebiet stattfand. Was Sizilien, die Hofwerkstätten und eben das antike Erbe angeht, ist das schon lange bekannt. Die These aber, die hier im zweiten Stock wie selbstverständlich durch Landkarten und Exponate dargestellt wird, lautet, daß der Norden in der Kraftregion, der Innovationsregion von Münzenberg im Norden, bis Straßburg im Süden, bis Miltenberg und Wimpfen in Ostwest, das Kerngebiet der Staufer, eben auch der Gebende und nicht nur der Nehmende im Reich gewesen sei.

Das nun wird an wunderbaren Reliefs der Kaiserpfalz Gelnhausen gezeigt, und sonstigen Kostbarkeiten aus dem genannten Raum. Wichtiger aber ist noch die Entwicklung der Städte in dieser Kraftregion, die mit und ohne Pfalzgründung aus dem Boden schossen, daß nämlich eine Stadt nach der anderen gegründet oder ausgebaut wurde und zwischen den reichen Städten in Oberitalien, von denen die einen kaisertreu und die anderen als Langobardenbund unter dem Banner Mailands gegen kaiserliche Herrschaft zum Kampf antraten, und den Städten im Altgebiet des Reiches eine unterschiedliche Entwicklung einsetzte. Hierin kann man auch den Ausbau der Burgen einbeziehen, die der Wehrsicherung dienten, aber auch Zolleintreibung möglich machten wie ein das Land überziehender Gitterrost.

Der zweite Pfeiler der Staufermacht – und ebenso dem Ausstellungsteil im 1. Stock – ist dann Oberitalien, das zu beherrschen schon Friedrich I. große Mühe hatte und 1177 im Frieden von Venedig mit dem Papst Alexander III. doch eher kleinbeigab, dem die Städtekämpfe sehr gelegen kamen, weil sie den klerikalen römischen Einfluß vergrößerten. Hier nun finden wir neben den anderen wunderbaren Ausstellungsstücken zwei Skulptur bemerkenswert, weil sie aufzeigen, wie sehr wir mit der Interpretation mittelalterlicher Kunst, die ja nicht als „Kunst“ im heutigen Sinn geschaffen wurde, sondern eine Idee vermitteln wollte und etwas Höherem diente, wie sehr wir also immer noch mit Interpretationen fehlgehen können und neue Ansätze das Gegenteil der bisherigen Erklärung bieten.

So zum Beispiel beim sogenannten „Barbarossa-Relief“ aus Mailand, ursprünglich dort an der Porta Romana vom Ende des 12. Jahrhunderts, dessen Abbildung wir bringen, wobei ein Foto die plastische Wirkung schwächt. Man sieht nämlich aus weißem Marmor eine Figur 115 Zentimeter hoch und 39 breit, die einen bärtigen, barhäuptigen Mann mit einem Mantelumhang zeigt, der wohl ein heute zerstörtes Lilienzepter hielt und frontal mit weit geöffneten Augen und einem starren Blick, leicht geöffnetem Mund, der von einem Schnurrbart und unterem Kinnbart umgeben ist, ins Weite schaut. Das für uns Merkwürdige ist nun seine Beinhaltung, die in jeder Talkschau anzutreffen ist, aber selten bei alten Statuen und Reliefen, da die Beine überkreuzt sind. Unter seinen Füßen windet sich eine geflügelte Schlange. Lange hat man dies als Spottbild auf Kaiser Friedrich Barbaros angesehen, der den Mailändern besonders verhaßt war. Fortsetzung folgt.

Ausstellung: Bis 20. Februar 2011

Internet: www.staufer2010.de

Schriftwerke:

Katalog und Essayband „Die Staufer und Italien“, hrsg. von Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter und Alfried Wieczorek, zweibändig im Schuber, Konrad Theiss Verlag Stuttgart

Tagungsband „Verwandlungen des Stauferreichs“, hrsg. von Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter und Alfred Wieczorek, Konrad Theiss Verlag

Tagungsband „Staufisches Kaisertum“, hrsg. von Stefan Burkhardt, Thomas Metz, Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter, Schnell und Steiner Verlag, Regensburg

Reiseführer „Reiselust Stauferzeit“, hrsg. von Alfried Wieczorek, Schnell und Steiner Verlag, Regensburg

Info I: Das Projekt „Die Staufer und Italien“ hat das Mittelalter zum Inhalt, dessen Machtzentren sich auf Burgen konzentrierten, weshalb es eine sehr gute inhaltliche Vorbereitung oder Nachbereitung ist, sich die beiden Burgen-Ausstellungen in Berlin und Nürnberg – vergleiche unsere Artikel – anzuschauen. Über deren Kataloge schrieben wir: Grundsätzlich gibt es zu den beiden Burgenausstellungen in Nürnberg und Berlin drei Bände, denn der Begleitband „Die Burg“ zu den beiden Ausstellungen „Mythos Burg“ und „Burg und Herrschaft“ , alle im Sandstein Verlag, Dresden 2010, faßt die wissenschaftlichen Ergebnisse zusammen, die im Vorfeld zusammenkamen und mitausschlaggebend dafür sind, daß die Ausstellungen mit viel Unsinn aufräumen, was sich in bundesdeutschen Köpfen durch falsche Mär eingenistet hatte.

Natürlich kann man auch die Bände in den jeweiligen Ausstellungen einzeln erwerben, aber im Dreierpack hat man etwas fürs Leben. Was den Nürnberger Katalog angeht, so zeichnet er die acht Stationen der Ausstellungen nach, was dem Lesen und Nachsinnen des Geschauten gut tut, weil man es im Katalog im selben thematischen Zusammenhang sieht wie in der Museumsschau. Die Exponate sind fast alle bebildert und haben ausführliche Texte. Die Literaturangaben stellen sicher, daß Sie die nächsten Jahre keinen Lektüremangel kennen und das alphabetische Personenregister macht möglich, daß Sie bekannte Künstler oder Personen der Geschichte sofort finden, auch ohne die acht Stationen nach ihnen durchzublättern.

Auch für Erwachsene geeignet der Kinderkatalog „Die Burgenratten sind los“ zu „Mythos Burg“, hrsg. von G. Ulrich Großmann, Germanisches Nationalmuseum 2010, in dem kulturgeschichtliche Grundlagen auf kindlicher Fragestellung gelegt werden und ein Glossar endlich „die Motte“ erklärt: „Frühe Form der Burg mit einem turmförmigen Gebäude, das meist aus Holz errichtet war und auf einem künstliche errichteten Hügel stand“. Angenehm, wie stark dieser Katalog auf das Leben der Leute auf den Burgen, einschließlich ihres Speiseplans eingeht. Die „Armen Ritter“ werden als Rezept mitgeliefert, einmal auf rheinfränkisch, Original von 1445, dann die hochdeutsche Übersetzung. Witzig ist, daß sich das alte Deutsch liest, wie ein Ausländer Deutsch spricht.

Info 2: Mit freundlicher Unterstützung des MARITIM Mannheim, das ein guter Standort für den Ausstellungsbesuch der Staufer genauso ist, wie geradezu ideal für die um die Ecke liegende Kunsthalle Mannheim und auch sehr nah dem Nationaltheater, wo uns besonders der Opernspielplan interessiert. Wir melden uns also bald wieder aus Mannheim und dem dortigen MARITIM, einem Bau aus dem Jahr 1901, das so gründerzeitlich wie jugendstilig ist und komplett renoviert wurde, aber immer noch den Geist einer feudalen Zeit atmet, also inmitten moderner hochgebrezelter Hotels etwas Besonderes ist, was nicht nur für den Bau gilt.

Parkhotel Mannheim, Friedrichsplatz 2, 68165 Mannheim, Telefon: 0621-1588-0, Email: info.man@maritim.de

Internet: www.maritim.de

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