Der gefragte australische Intendant Barrie Kosky, Enkel jüdischer Einwanderer, ist bekennender Schwuler und dieses erklärt auch die opulente, glitzernd-bunte Inszenierung, wo Witzig- und Quirligkeit insbesondere durch die kecke Truppe junger Tänzer in Szene gesetzt wird, die mit kessen Lockenfrisuren, nackten Popos, die durch die mit großen Löchern versehenen Lederhosen und Designer-Strampelbadeanzügen die nackten Beine wie Revue-Girls in die Höhe werfen – immer mit einem Touch Ironie und herausforderndem Augenaufschlag versehen! Travestietheater vom Feinsten!
Wer weiß, dass Kosky Marx-Brother-Fan ist, wird auch gleich daran erinnert, wenn Schlagfertigkeit und Bon-mots í la Monthy Python sich die Hand geben in Staccatomanier.
Die Operette spielt im mythologischen Sparta kurz vor Beginn des Trojanischen Krieges. Erzählt wird die Geschichte von Helena, die sich mit ihrem Gatten Menelaus langweilt. Da kommt Paris, Prinz von Troja, gerade richtig, um sie mit großem Verwirrspiel und Amusement zu entführen.
Die Helena, gesungen von Cornelia Zink, ist äußerst sexy und ebenfalls mit selbstbewußtem, witzigen Draufgängertum dargestellt. Paris, dargestellt von Tansel Akzeybeck, besticht durch dezenten Charme. Der Großaugur Kalchas, dargestellt als Priester von Stefan Sevenich „fliegt“ trotz seines enormen Übergewichts – Belustigung herausfordernd – quasi durch die Szenen, was jeden Gesundheitsapostel Lügen strafen möchte. Der Chor und seine Kostüme sind ebenfalls an Kreativität nicht zu überbieten – kein einziger Zentimeter auf der Bühne, vor der Bühne, lässt auch nur einen Funken Langeweile aufkommen – ein Feuerwerk nach dem anderen wird gezündet.
Was neben der von sinnlichen Eindrücken und im Sekundentakt wechselnden optischen Eindrücke, die von Kreativität überborden, ebenfalls für die Zuschauer zum Genuss führt, ist die physische Nähe zu den Akteuren, die auf einem extra vor dem Orchestergraben erbauten Catwalk direkt vor den Zuschauern in den ersten Reihen singen, agieren, parlieren, pulsieren und diese auch durch Kleinigkeiten mit einbeziehen.
Die champagnerperlenartige Inszenierung ist ein unbedingtes Must, nicht nur bei Winterblues – alle Sinne werden angesprochen und wachgerüttelt: Sex as Sex can – sehr sophisticated !
Jacques Offenbach, deutsch-französischer Erfinder der Operette (Offenbachiaden), ebenfalls jüdischer Herkunft, feierte in Paris die größten Erfolge mit humorvollen Operetten, in denen er mit Zynismus und politisch-kultureller Satire große Opernwerke parodierte. „La Belle Hélène“ ist eine Opéra bouffe in drei Akten, deren Uraufführung 1864 in Paris stattfand. Sehr zu empfehlen sind die kostenlosen Werkeinführungen 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn im Foyer, die sehr schön die Operette, den Komponisten und die Hintergründe der Zeit beleuchten.
Noch 6 weitere Aufführungen bis Februar 2015.