Die Roberts/ Owen – Affäre – Wer betrügt wen in Tony Gilroys “Duplicity – Doppelte Geheimsache”?

Für die richtige Mischung braucht es einen gerissenen Agenten, besser noch zwei, am allerbesten Mann und Frau. Claire Stenwick (Julia Roberts) und Ray Kovac (Clive Owen) sind Schnüffler vom Dienst. Mittlerweile stecken die Ex-CIA-Agentin und der einstige Spion im Auftrag Ihrer Majestät die Nasen höchsten in Parfum- und Pizzapackungen. Als private Industriespione für den Firmenboss Richard Garsik, angenehm unangenehm gespielt von Giamatti, finden sie heraus, dass dessen Konkurrent Howard Tilly (Tom Wilkinson) ein lukratives Produkt auf den Markt bringen will. Der klassische McGuffin – ein Handlungsgrund für die Charaktere in Hitchcockscher Manier – , das Produkt, zu dem beide Informationen ergattern sollen. Garsik ahnt nicht, dass Claire und Ray alte Bekannte sind und längst eigene Pläne schmieden. Nur trauen die beiden einander genauso wenig über den Weg wie ihren Mitmenschen. Wer wen betrügt, steht bald nicht mehr fest. Nur eines: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Nach “Duplicity – Doppelte Geheimsache” ist man einen Moment verdutzt. Was für einen Film hat man da eigentlich gesehen? Einen spannenden Krimi ohne eine einzige Leiche. Nicht einmal eine Schlägerei gibt es, abgesehen von dem Schuljungengebalge am Anfang. Einer der Firmenmitarbeiter wird von Julia Roberts an die Heizung gefesselt, doch welcher Mann wünscht sich das nicht? Einen Film voll neckischer Erotik ohne explizierte Sexszene. Einen Film mit verbalem Schlagabtausch ohne vulgäre Witzchen. Statt um Geheimräte geht es um Geheimratsecken, denn die Formel, der das Spionduo hinterher jagt, betrifft eine wahrhaft „haarige“ Angelegenheit. “Duplicity” ist ein altmodischer Thriller. In der schmeichelhaftesten Facon, denn altmodisch hat hier nichts mit altbacken zu tun. Regisseur Tony Gilroy, von dem auch das ironische Drehbuch stammt, besinnt sich auf die klassischen Kriminalfilme Hitchcocks und John Hustons. Doppelbödig ist in „Doppelte Geheimsache“ nicht nur die Handlung, sondern der detailverliebte Humor – Stichwort Pizzaschachteln – der Krimi-Romanze um korrumpierte Firmen, Überwachung und Industriespionage. Die verschachtelten Intrigen spielen sich auf mehreren Zeitebenen ab und Gilroys gezieltes Wiederholen von Dialogpassagen ist so durchtrieben wie seine Figuren.

Clive Owen muss ein weltbewanderter Mann, so viel lassen seine Regisseure ihn reisen. Wie schon in „The International“ findet er sich in diversen Metropolen wieder. Dubai, London, Rom und New York zeigt Gilroy hauptsächlich vertreten durch Hotelzimmer. Nicht Filmproduzenten so gierig wie die Industriellen der Handlung sind an den fehlenden spektakulären Stadtbildern schuld. Als ironischen Verweis auf die Versprechungen der Marketingbranche spielt Gilroy hier mit den Erwartungen seines Publikums. Stellvertretend für glamouröse Produktverpackungen präsentiert Gilroy luxuriöse Innenräume, die von ihrem Standort losgelöst scheinen und letztendlich austauschbar sind. Kein Wunder, dass Claire und Ray ihr Berufsleben in diesen Hotelzimmern unerfüllt erscheint. Ihre bereits kostspieligen Firmenaufenthalte wollen sie gegen Privataufenthalte in noch größerem Luxus eintauschen und planen daher ihren gemeinsamen Coup. Von der unterschwellig kritisierten Geldgier in „Duplicity“ sind auch die Hauptfiguren nicht frei. Julia Roberts übertrumpft zwar nicht Faye Dunaway, doch besitzt sie die bemerkenswerte Fähigkeit, von Film zu Film darstellerisch vielseitiger zu werden. War George Clooney in Gilroys Regiedebüt „Michael Clayton“ eine Spur zu perfekt, ist Clive Owen kantiger. Ließ Tom Tykwer in „The International“ die ironischen Facetten des Darstellers ungenutzt, darf Owen in „Duplicity“ diese um so effektiver ausspielen. Das größte Vergnügen an der rasanten Scharade sind Clive Owens Wortduelle mit Julia Roberts. Hier bewegt sich Gilroy auf dünnem Eis. Nicht, weil er den Degen gegen die Humorkeule eintauscht, sondern weil er ob der Qualität seiner Dialoge zu selbstgefällig daherkommt. Kovals Kollegen spielen sich dessen abgehörtes Gezänk mit Stenwick nicht nur vor, sondern zitieren es obendrein genüsslich. Da charmante Rache eines der Kernthemen der Handlung ist, verdient Gilroy, in diesem Geiste erinnert zu werden, dass er kein Hitchcock ist. An dessen “Der Unsichtbare Dritte“ und „Über den Dächern von Nizza“ reicht „Duplicity“ nicht heran.

Claire und Ray sind finanziell abgesichert, keiner muss um sein Leben oder die Familie bangen. Reichtum wäre für sie das Sahnehäubchen auf der zuckersüßen Existenz. Reizvoller als das avisierte Millionengeschäft ist die Spannung bei den Betrügereien. Mit dem doppelbödigen Spiel wächst ihre Anziehungskraft aufeinander. So genießen auch die Zuschauer das gegenseitige Hereinlegen der beiden als Vor-, Neben- und Nachspiel des physischen Akts. Mit einer sarkastischen Pointe, die ebenso dem Zuschauer gilt, schließt das unterhaltsame Glanzstück. Nobel geht die Welt zu Grunde.

Titel: Duplicity – Gemeinsame Geheimsache
Start: 30. April
Regie und Drehbuch: Tony Gilroy
Darsteller: Julia Roberts, Clive Owen, Tom Wilkinson, Paul Giamatti, Carrie Preston
Verleih: Universal

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