Der Carl Hanser Verlag legt aus dem Nachlass Roberto Bolaños den besprochenen Roman vor, Anfang der Achtziger Jahre begonnen und nunmehr aus Teilen zusammengefügt, die im Computer des Autors gefunden oder als Schreibmaschinen-Manuskripte vorlagen. Was den Einstieg in diesen vielleicht letzten Bolaño etwas entzaubert, ist die 6-seitige Textanalyse, die dem Roman vorangestellt einige Enthüllungen vorwegnimmt, die sich der neugierige Leser lieber selbst erschlossen hätte. Im Roman, der mit einem Abriss zur Homosexualität von Lyrik beginnt (köstlich!), erkunden wir bald mit dem Exil-Chilenen Amalfitano die Welt und die Literatur, treffen auf Arcimboldi, korrespondierend mit Bolaños anderen Werken wie „2666“. Barcelona, wo die Geschichte einsetzt, muss der Hochschuldozent gerade verlassen, da seine homosexuellen Kontakte zu Studenten ruchbar werden. Er zieht mit Tochter Rosa nach Santa Teresa, Mexiko. Schreibt dem Geliebten Padella Briefe übers Meer, und empfängt Antworten. In erstaunlichen Gedankenspielen reflektiert der Literaturprofessor Leben und Tod, sucht und findet einen neuen Gespielen und kann den alten nicht lassen. Padella Einfluss auf Amalfitano wird stärker. Padella selbst bekommt es mit dem „Gott der Homosexuellen“ zu tun. Nebenher erfahren wir von Arcimboldis Romanen, Feinden und Brieffreundschaften, dem Polizisten Francisco Pancho Monje, den Vergewaltigungsnachkommen Maria Expositos und einem Ausflug über die nordamerikanische Grenze. Virtuose Turbulenzen.
Viele Elemente des Romans sind zeitverschoben, einige Handlungsstränge werden nicht zu Ende erzählt. Gleichwohl besticht dieses verdichtete Konglomerat aus typischem Bolaño. Alles an Trauer und Mystik, Ironie und Melancholie seiner anderen Werke scheint hier zu einer neuen Konstellation geronnen zu sein. Und erzählt über den Schöpfer selbst.
„Als Jugendlicher wollte ich Jude sein, Bolschewik, Neger, Homosexueller, Drogensüchtiger und schräger Vogel, am besten noch einarmig, aber ich bin nur Literaturprofessor geworden. Zum Glück habe ich Tausende Bücher lesen können, dachte Amalfitano.“
Fazit: ein Muss für Bolaño-Fans, eine Offenbarung für frischgekürte Jünger!
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Roberto Bolaño, Die Nöte des wahren Polizisten, Roman, aus dem Spanischen übersetzt von Christian Hansen, 270 Seiten, Carl Hanser Verlag, März 2013, 21,90 €