Das Entdecken und Entdecker spielen in der Winter-Langen-Nacht eine besondere Rolle. Im Sinne des Mottos „W wie Wissenschaft“ ist statt Nachttier, Nachtschattengewächs oder Nachtkerze als Maskottchen Alexander von Humboldt geistiger Schirmherr der Veranstaltung. Seine Vorstellung des Verbindens verschiedener wissenschaftlicher Zweige steht als Leitgedanke über dem Programm. Zahlreiche Berliner Wissenschaftseinrichtungen feiern 2010 ihr Jubiläum, darunter die 300-jährige Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und die 350-jährige Staatsbibliothek. Die Humboldt-Universität blickt auf 250 Jahre Bestehen zurück. „Grund genug, Berlin zur ‚Hauptstadt für die Wissenschaft‘ zu erklären.“, so Wolf Kühnelt, Initiator der Museumsnächte. Gewiss hat Alexander von Humboldt über seinen Forschungen manch lange Nacht gegrübelt. Entspannter können die Kunstlustigen der Faszination der Forschung erliegen. Bedeutende Entdeckungen werden in den Museen als Orten des Bewahrens, Archivierens und Präsentieren meist in Magazinen und Restaurierungswerkstätten gemacht. Diese sonst Fachpersonal vorbehaltenen Räume dürfen die Besucher unter Führung erkunden, so in der St. Marienkirche, dem Naturkundemuseum und dem Deutschen Historischen Museum.
Der Schwerpunkt der Winter-Langen-Nacht liegt traditionell auf den zentral gelegenen Häusern. Viele Einrichtungen sind zu Fuß vom Roten Rathaus, wo um 18.00 Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit die Lange Nacht eröffnen wird, erreichbar. BVG-Gebühren und Bus-Shuttle sind im für alle Einrichtungen gültigen Kombi-Ticket enthalten. Die Nacht hat ihren Preis: 15 Euro kostet eine Karte. Umsonst ist die Nacht nur für Kinder unter 12. Da die selten allein zu der späten Veranstaltung gehen, zahlt eine vierköpfige Familie leicht 50 Euro. Der Ermäßigungstarif in Höhe von 10 Euro ist im Grunde keiner. Die Preispolitik der schönen Veranstaltung ist ein Unding. Gerade unter den ärmeren Bevölkerungskreisen, vor allem den Kindern, wird ein künstlerisches und kulturelles Bildungsdefizit beklagt. Und gerade die Lange Nacht der Museen zieht seit ihrer Begründung gerade ein weniger kunstorientiertes Publikum an. Die sogenannten „bildungsfernen“ Schichten halten die Veranstalter durch die hohen Kartenpreise systematisch fern. Sozialhilfeempfänger, denen mit dem Berlin-Pass die staatlich geförderten Museen kostenlos offen stehen, werden sich zweimal überlegen, die Lange Nacht zu besuchen.
Nicht nur für sie lohnt es, mit dem Kombi-Ticket satt der „Klassiker“ der Museumsnacht – Neuer und Alter Nationalgalerie, Museumsinsel, Kulturforum am Potsdamer Platz – kleinere und unbekannte Häuser zu erkunden. Das Außergewöhnliche im Verborgenen zu finden fügt sich optimal unter das Leitwort „W wie Wissenschaft“. Wer weite Wege scheut, kann direkt hinter dem Roten Rathaus im Nikolaiviertel im Hanf-Museum die verschiedenen Nutzungsweisen der Pflanze kennen lernen. Wenige Schritte entfernt gibt es im Knoblauchhaus nicht Penetrantes von der Knolle sondern Salonmusik im einem der besterhaltenen Berliner Bürgerhäuser des 18. Jahrhunderts. Wem die „Sonderausstellung Tiefsee“ des Naturkundemuseums nicht lebensecht genug ist, der kann im Zoo-Aquarium bei Schaufütterungen der Haie und Rochen zusehen. Das hinter der Philharmonie versteckte Musikinstrumente-Museum lockt um Mitternacht mit einem an der Wurlitzer-Orgel begleiteten Stummfilmprogramm, drei „Laurel & Hardy“-Kurzfilmen.
Das Museum für Kommunikation sticht mit einem besonders aktuellen wie interessanten Programm hervor: Geld als Kommunikationsmittel. Im Rahmen des Kinderprogramms soll vermittelt werden, wie Kinderarmut in Berlin von den Betroffenen erlebt wird. Das lobenswerte Programm ist auch ein trauriger Hinweis darauf, dass teure Kulturveranstaltungen zunehmend der Elite vorbehalten sind, die „spielerisch“ lernen muss, was es bedeutet, kein Geld zu haben. Wer es hat, kann es vor Ort im „Casino Royal“ verspielen, sich dank Kostümreservoir in den Wirtschaftskrisen-Schick der Zwanziger werfen und die Burlesque-Tänzerin „Lady Lou“ in ihrer Nachtrevue beweisen lassen, dass barfuß manchmal schöner als Lackschuh ist. Am äußersten Ende der Shuttle-Bus Linie lädt erstmalig das sanierte und restaurierte Schloss Schönhausen zur Besichtigung der königlichen Residenz, welche von 1945 bis 1960 die Repräsentanz der DDR-Regierung war. Im Berliner Planetarium und der Sternwarte Wilhelm Foerster Vorträgen über Schwarze Löcher, ferne Galaxien und Leben im All lauschen oder selbst durch das Fernrohr den Winterhimmel beobachten.
In den entlegenen, unscheinbareren Orten geht es meist ruhiger zu als in den mitunter überlaufenen Kernveranstaltungsorten. Hier lässt sich noch die Atmosphäre von Staunen und Spannung Spannung erhaschen, welche zu der ersten Langen Nacht der Museen 1997 herrschte. Man selbst musste damals noch keinen Eintritt zahlen („Zum Glück bist du unter zwölf.“) und durfte trotzdem überall rein („Die paar Monate bist du heute älter.“). Das damals besuchte Medizinhistorische Museum der Charité ist auch 25 Lange Nächte später einer der sehenswertesten Schauplätze der Museumsnacht. Besonders, da die Charité mit 300 Jahren als Jubilar und als medizinische Forschungsstätte doppelt im Zentrum der Nacht unter dem Motto „W wie Wissenschaft“ steht. Noch 24 Lange Nächte und die Berliner Lange Nacht der Museum darf ihr eigenes silbernes Jubiläum feiern. Bevor es soweit ist, haben Kunst- und Kulturfreunde am 30. Januar das nächste mal Gelegenheit, die Nacht zum Tag zu machen.
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26. Berliner Lange Nacht der Museen
Zeit: 30. Januar, 18.00 – 02.00 Uhr
Eröffnung: 18.00 Uhr, Platz vor dem Roten Rathaus
Museumsinformation Berlin, Telefon: (030) 24 74 98
Internet: www.lange-nacht-der-museen.de