Berlin, BRD (Weltexpress). Am 8. April 1525 verwandelte der Hochmeister des Deutschen Ritterorderns, Albrecht von Brandenburg-Ansbach, den geistlichen Ordensstaat in das weltliche und erbliche Herzogtum Preußen um und führte gleichzeitig die Reformation durch. Bei ausdrücklicher Anerkennung seiner Oberhoheit stimmte der polnische König Jagiello II. zu. Das war die Geburt der reaktionären Geschichtsbilder der Nachfahren der Kreuzritter, die sich nicht mit dem Scheitern ihrer Expansionspolitik abfinden wollten.
Die faktische Staatsgründung Preußens erfolgte nach der Niederlage, die das vereinte polnisch-litauische Heer unter Jagiello II. der Streitmacht des Deutsche Ritterorden unter dem Hochmeisters Ullrich von Jungingen, der in der Schlacht fiel, am 15. Juli 1410 auf den Feldern von Grunwald, das die Deutschen Tannenberg nannten, zufügte.
Durch die Unterwerfung der heidnischen Preußen und ihre Missionarisierung hatte der Orden einen deutsch beherrschten polyethischen Staat (Preußen, Slawen, Deutsche) mit starken wirtschaftlichen und kulturellen Potenzen gegründet. Durch die Germanisierung Ostelbiens erhielt das deutsche Volk neben lateinischer Bildung seit dem 12. Jahrhundert auch eine starke Zufuhr slawischen Blutes. Diese Potenzen wurden jedoch nicht für die Schaffung eines deutschen Zentralstaates genutzt. Der Orden selbst verfügte über keine feudalstaatliche Struktur. Er stieß auf seinem Territorium zunehmend auf den Widerstand des ständischen Landadels und der Städtebürger, die sich zeitweise mit Polen gegen ihn verbündeten. Mit der weit über seine östlichen Grenzen hinaus ohne sein zutun vor sich gehenden Christianisierung durch Polen selbst, entfiel das Motiv der Heidenbekehrung als wichtiger politisch-ideologischer Grundlage. In Polen hatte bereits im 14. Jahrhundert der Vereinigungsprozess der Fürstentümer stattgefunden, der in der Union des Königreichs Polen mit dem Großfürstentum Litauen 1385 unter König Jagiello II. seinen Höhepunkt fand. Die Niederlage des Ordens war so zwangsläufig nicht nur eine militärische, sondern mehr noch eine staatliche und politische.
Nach der Niederlage bei Grunwald begann im 15. und 16. Jahrhundert der Niedergang des Ordens, auf den die Krise der katholischen Kirche, die Reformation und die frühbürgerlichen Revolutionen in Europa einwirkten. Im Frieden 1411 zwischen Polen und dem Orden in Thorn1 (1. Thorner Frieden), musste der Orden die Dobrzyner Gebiete an Polen zurückgeben und Kriegsentschädigungen zahlen. Litauen erhielt Samagotien. Nach erneuten Niederlagen in von ihm angezettelten militärischen Auseinandersetzungen verlor der Orden im 2. Thorner Frieden 1466 alle Gebiete außer denen, die das spätere Ostpreußen bildeten. Aber selbst dort wurde der Hochmeister von der polnischen Krone lehnsabhängig, musste er dem König den Treueid schwören und ihm Heeresfolge leisten.
Um den Zerfall aufzuhalten suchte sich der Orden einen Hochmeister aus einer der mächtigsten deutschen Fürstenfamilien. 1511 trat Albrecht von Brandenburg-Ansbach aus dem fränkischen Zweig der Hohenzollern an seine Spitze. Bis zu seiner Umwandlung in ein weltliches Herzogtum war auch Preußen ein geistlicher, nur dem Heiligen Stuhl unterstellter Ordensstaat. Er leistete letzten Endes dem verhängnisvollen Partikularismus Vorschub und trug dazu bei, die Herausbildung eines deutschen Zentralstaates zu verhindern. Die immer noch riesigen Länderein des Ordens in Preußen wurden Privatbesitz des Herzogs und der Ritter, womit die ökonomische Grundlage des künftigen Junkertums entstand. 1618 wurde Preußen in Personalunion mit Brandenburg vereinigt. Als sich Kurfürst Friedrich I. 1701 zum König in Preußen krönte entstand das Königreich Preußen, das in den folgenden fast zwei Jahrhunderten zu einer europäischen Großmacht aufstieg und im 1871 gebildeten Deutschen Kaiserreich eine Vormachtstellung ausübte.
Als Ursprung Preußens wurde in der späteren Geschichtsbetrachtung nicht die Mark, sondern der deutsche Ordensstaat gesehen. Daraus resultierten die folgenschweren reaktionären Geschichtsbilder der Nachfahren der Kreuzritter, die sich nicht mit dem Scheitern ihrer Expansionspolitik abfinden wollten.
Mit dem Anspruch auf die Rückgewinnung der verlorenen Gebiete nährten sie den Gedanken der Revanche. Von Wilhelm II. stammt die chauvinistische Behauptung, der Deutsche Orden habe ein Vorbild dafür gegeben, wie man mit den östlichen Völkern umgehen müsste. Die Hitler-Faschisten nutzten die frühe Ordensgeschichte, die mythologische Glorifizierung der Ritter des einstigen Ordenslandes Preußen und ihrer Expansion für ihre Blut- und Bodenideologie zur Rechtfertigung ihrer eigenen Aggressionen.
Anmerkungen:
1 Thorn, Torun, polnische Stadt in der Wojewodschaft Bydgoszez an der Wisla, slawische Siedlung, 1231 vom Deutschen Orden als Stadt gegründet.
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