Die Kunstpädagogin Hildegard Kretschmer lässt in ihrem zweihundertvierzig Seiten zählenden Buch die westliche Malerei als Abenteuerspiel erfahrbar werden. Der Band ist eine grundlegend überarbeitete Neuausgabe des 2002 erstmals unter diesem Titel erschienenen, sehr erfolgreichen Kinder- und Jugendsachbuchs.
In zehn Kapiteln wird Malerei thematisch vorgestellt: Sommer- und Winterbilder, Pferde, die Geburt der Venus, Herrscherbilder oder Blumenbilder werden miteinander verglichen. Dies sensibilisiert für die Frage, wie gleiche Themen von verschiedenen Malern in unterschiedlichen Epochen dargestellt wurden. Ferner bietet es einem bei einem Museumsbesuch Anknüpfungspunkte und regt zu eigenständigen Vergleichen an.
Das Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, bietet aber Denkanstöße und wird vom Verlag als „Verführung für zukünftige Kunstfans“ vorgestellt. Ob erst Erwachsene eine Leidenschaft für Kunst haben können? Einen Schwerpunkt setzt Kretschmer bei Bildnissen und religiöser Malerei. Sie stellt über einhundert Kunstwerke vor, darunter fast ausschließlich Gemälde, beginnend mit einer steinzeitlichen Darstellung eines Pferdes bis zu einer Lithographie Andy Warhols. Kein Wort aber über die Malerei der vergangenen 50 Jahre. Das Register führt 77 namentlich bekannte und 7 unbekannte Künstler auf. Zu jedem Künstler werden einige Eckdaten genannt. Schade und völlig unverständlich, dass keine einzige Künstlerin von Frau Kretschmer als würdig empfunden wird, in ihren Kanon eingefügt zu werden.
Die graphische Gestaltung ist aufwendig und unkonventionell, macht aber gelegentlich den Abbildungen Konkurrenz. Verschiedene Hervorhebungen erleichtern bei der Fülle an Begriffen die Lektüre. Flecken, die an über das Buch verschütteten Orangensaft oder Kakao erinnern, sollen wohl Berührungsängste vermeiden helfen. Kunstgeschichte wird als eine lebendige, Freude bringende Beschäftigung vorgestellt.
Am Ende des Buches befindet sich ein Zeitstrahl, in dem verschiedene Epochen und Stile, von der Höhlenmalerei bis zur Pop-Art erläutert werden. Die zuvor besprochenen Bilder sind als kleine Abbildungen beigefügt wie die Aufzählung ausgewählter historischer Begebenheiten. So wird die thematische Gliederung des Buches um eine chronologische Gliederung begleitet. Danach findet man ein Glossar mit Erläuterungen wichtiger Begriffe wie „Wandelaltar“, „Historienbild“, „Bildträger“ und „Komposition“. Eine Liste der Künstler ohne deutschen Namen mit dazugehöriger Phantasielautschrift verhilft den Leser(inne)n dieses Buches, wenn sie der Kindheit und Jugend entschlüpft sind, sich die Peinlichkeit einer falschen Aussprache zu ersparen.
Kretschmar gelingt es in wenig Raum viele wertvolle Beobachtungen, Beschreibungen und Fakten zu liefern. Das „Abenteuer Kunst“ will häppchenweise gelesen werden und so ist es vermutlich auch gedacht. Spannend wird es, wenn die Autorin Fragen stellt: „Was ist überhaupt ein Bild?“ steht in der Einführung. Im letzten Kapitel mit dem Titel „Was bedeutet”¦?“, fragt sie, wozu Bilder dienten, für wen sie gemacht wurden und worauf ein Maler achten muss. Die Bildauswahl zeigt mit Ausnahme von Picassos „Guernica“, Rubens’ Bild „Die Folgen des Krieges“ und dessen Münchener „Nilpferdjagd“ sowie Grünewalds „Isenheimer Altar“ durchweg heitere Szenen und unterscheidet sich so diametral von den Schreckensbildern die bereits jedem Kleinkind in den Fernsehnachrichten zugemutet werden. Ein Buch, das man immer wieder gerne in die Hand nimmt, nicht allein wegen der vielen schönen Bilder.
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Hildegard Kretschmer: Das Abenteuer Kunst – Die Geschichte der Malerei. Prestel Verlag 2010, 240 Seiten, 150 farbige Abbildungen, 16,5í—23,3 cm, Gebundenes Buch, Pappband, € 19,99, ISBN 978-3-7913-7011-8