Die Kaiserpfalz zu Gelnhausen als Beginn des Verfalls der staufischen Pfalzherrschaft – Serie: Rund um das große Mittelalterprojekt der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen im „Stauferjahr 2010“ (Teil 4/6)

Interessant war es auf der sehr sehenswerten Kaiserpfalz in Gelnhausen, denn die Ministerin wurde – wie wir – von den fachkundigen Herren und der engagierten Leiterin des örtlichen Museums und Stadtführerin durch die Anlage geleitet. Anders als in den alten Machtzentren Athen, Rom oder Byzanz hatten die mittelalterlichen deutschen Herrscher keinen festen Amtssitz. Das hätte dieses Heilige Römische Reiche mit seinen starken Herzogs-, Grafen- und Adligendynastien nicht überlebt, wenn der gewählte deutsche König, der gleichzeitig durch Papstbestätigung Kaiser war, wenn er nur einen Amtssitz gehabt hätte. Er mußte seine Macht durch permanente Anwesenheit überall dokumentieren. Und da auch der doppelgesichtige oberste Potentat – Stichwort: die zwei Körper des Königs – sich nicht vielteilen konnte, mußten Herrschaftssitze her, die auch dann, wenn der Herrscher nicht im Lande war, klar durch die Dicke ihrer Mauern, die Höhe ihrer Bergfriede, die bauliche Kunstfertigung ihrer Pfalzanlagen dem Volke und vor allem den Gegnern mitteilten: „Hier bin ich eigentlich zu Hause, als mächtiger König und Kaiser, auch wenn ich gerade woanders bin.“

Es ging also darum, die kaiserliche Macht zu demonstrieren und als Friedrich I. diesen von dem kleinen Flüßchen Kinzig, der damals schiffbar war, umrahmten Ort auswählte, war es eine strategische Entscheidung, befand er sich doch in Freundesland, seinem eigenen Kerngebiet. Karl Weber, Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten, Hessen, und Thomas Ludwig, in derselben Institution Baudirektor und für Bauangelegenheiten und Denkmalpflege zuständig, führten dann durch die imposante Ruine, die nun für einen Besucheransturm anläßlich des Stauferjahres 2010 gerüstet ist. Aber auch sonst kommen rund 30 000 Besucher in acht Monaten, wozu die vielen Schulklassen zählen, die im Umkreis von Frankfurt einen Besuch der Kaiserpfalz obligatorisch haben und leider meist die wunderschöne Marienkirche auslassen, die mit romanischer Grundordnung noch unter den Staufern zu einer dreischiffigen Basilika ausgebaut und später gotisiert – und evangelisch wurde.

Beide bedeutende Bauwerke sind weiter von einander entfernt, denn als Friedrich I. die Stadt Gelnhausen als Freie Reichsstadt 1170 gründete, war die Stadt für die Bürger das eine, und die Pfalz als Herrschersitz und Herrschersymbol das andere. Tatsächlich sind nur zwei Aufenthalte des Kaisers auf der Pfalz historisch verbürgt, aber ganz abgesehen davon, daß nicht alles schriftlich festgehalten wurde, viel auch verloren ging, war die Kaiserpfalz auch ohne Anwesenheit des Herrschers Sitz von Hoftagen, Tunieren, Reichsversammlungen und Gerichtstagen und um sie herum siedelten die nicht geringfügige kaiserliche Entourage und der Wirtschaftsbetrieb, curtis gleich Hof genannt, sowieso. Für Gelnhausen gilt ein Zusammenwachsen von Burg, castrum, mit den repräsentativen höfischen Bauten, palatium. Letzteres, die Repräsentationsbauten mit Großem Saal, Kapelle und Kaiserwohnung sprachlich als palatium noch vom städtischen römischen Hügel Palatin abgeleitet, auf dem die spätantiken Kaiserpaläste standen, hat auch zum eingeschliffenen Begriff „Pfalz“ geführt, die das Bundesland Rheinland noch im Namen führt und in Bayern zur Provinz Oberpfalz wurde. Der Besuch der Kaiserpfalz Gelnhausen geht in der Fortsetzung weiter.

Schriftwerke:

Katalog und Essayband „Die Staufer und Italien“, hrsg. von Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter und Alfried Wieczorek, zweibändig im Schuber, Konrad Theiss Verlag Stuttgart

Tagungsband „Verwandlungen des Stauferreichs“, hrsg. von Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter und Alfred Wieczorek, Konrad Theiss Verlag

Tagungsband „Staufisches Kaisertum“, hrsg. von Stefan Burkhardt, Thomas Metz, Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter, Schnell und Steiner Verlag, Regensburg

Reiseführer „Reiselust Stauferzeit“, hrsg. von Alfried Wieczorek, Schnell und Steiner Verlag, Regensburg

Info: Das Projekt „Die Staufer und Italien“ hat das Mittelalter zum Inhalt, dessen Machtzentren sich auf Burgen konzentrierten, weshalb es eine sehr gute inhaltliche Vorbereitung oder Nachbereitung ist, sich die beiden Burgen-Ausstellungen in Berlin und Nürnberg – vergleiche unsere Artikel – anzuschauen. Über deren Kataloge schrieben wir: Grundsätzlich gibt es zu den beiden Burgenausstellungen in Nürnberg und Berlin drei Bände, denn der Begleitband „Die Burg“ zu den beiden Ausstellungen „Mythos Burg“ und „Burg und Herrschaft“ , alle im Sandstein Verlag, Dresden 2010, faßt die wissenschaftlichen Ergebnisse zusammen, die im Vorfeld zusammenkamen und mitausschlaggebend dafür sind, daß die Ausstellungen mit viel Unsinn aufräumen, was sich in bundesdeutschen Köpfen durch falsche Mär eingenistet hatte.

Natürlich kann man auch die Bände in den jeweiligen Ausstellungen einzeln erwerben, aber im Dreierpack hat man etwas fürs Leben. Was den Nürnberger Katalog angeht, so zeichnet er die acht Stationen der Ausstellungen nach, was dem Lesen und Nachsinnen des Geschauten gut tut, weil man es im Katalog im selben thematischen Zusammenhang sieht wie in der Museumsschau. Die Exponate sind fast alle bebildert und haben ausführliche Texte. Die Literaturangaben stellen sicher, daß Sie die nächsten Jahre keinen Lektüremangel kennen und das alphabetische Personenregister macht möglich, daß Sie bekannte Künstler oder Personen der Geschichte sofort finden, auch ohne die acht Stationen nach ihnen durchzublättern.

Auch für Erwachsene geeignet der Kinderkatalog „Die Burgenratten sind los“ zu „Mythos Burg“, hrsg. von G. Ulrich Großmann, Germanisches Nationalmuseum 2010, in dem kulturgeschichtliche Grundlagen auf kindlicher Fragestellung gelegt werden und ein Glossar endlich „die Motte“ erklärt: „Frühe Form der Burg mit einem turmförmigen Gebäude, das meist aus Holz errichtet war und auf einem künstliche errichteten Hügel stand“. Angenehm, wie stark dieser Katalog auf das Leben der Leute auf den Burgen, einschließlich ihres Speiseplans eingeht. Die „Armen Ritter“ werden als Rezept mitgeliefert, einmal auf rheinfränkisch, Original von 1445, dann die hochdeutsche Übersetzung. Witzig ist, daß sich das alte Deutsch liest, wie ein Ausländer Deutsch spricht.

Internet: www.staufer2010.de

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