Die Historie der Strafanstalt Waldheim

© Ch. Links Verlag

Waldheim – dieses kleine Örtchen im Zschopautal ist allen Geschichtsinteressierten spätestens seit den sogenannten Waldheimer Prozessen in den 50ern ein Begriff. Vom 9. Bis zum 15. Februar 1950 trafen in Waldheim 3442 Gefangenen der sowjetischen Militäradministration ein, die allesamt als schwere Nazi- und Kriegsverbrecher galten. Darunter waren neben vielen Nazis (KZ-Aufseher, Blockwarte, Richter, Journalisten bis zu NSDAP-Ortsgruppenleitern) auch politisch missliebige Menschen, die beispielsweise Wahlplakate abgerissen oder Flugblätter gegen die Besatzungsmacht verteilt hatten. Etliche waren wegen politischer Vergehen denunziert worden, die teilweise nicht mehr nachvollziehbar waren. Bis November 1950 wurde gegen alle Gefangenen in Schnellverfahren Gericht gehalten. Ein Gericht, das wenig mit rechtsstaatlichen Grundsätzen gemein hatte. Die meisten mussten sich selbst verteidigen, es gab kaum eine Beweisaufnahme, am Ende gab es ein paar Dutzend Todesurteile, lange Haftstrafen, auch Entlassungen. Auf allen Todesscheinen, die Delinquenten wurden vermutlich mit einer Garrotte getötet, stand als Todesursache Herz- und Kreislaufinsuffizienz.

Die Geschichte von Waldheim begann allerdings Anfang April 1716, „als drei elternlose Zigeunerkinder aus dem Amt Chemnitz im Hause aufgenommen wurden“. Neben „Zigeunern“ und „Arme, Kranke und Unvermögende Leute“ kamen auch schnell die ersten „muthwilligen Müssiggänger“ und „andere böse Buben, die nur durch Diebstahl, Rauben und Morden ihren Unterhalt suchten“ nach Waldheim. Das „Zucht, Armen und Waisenhaus Waldheim“ war begründet.

1849 zogen die ersten politischen Häftlinge ein. Karl May saß hier als Betrüger in den 1870er Jahren, im Kaiserreich wurde Waldheim massiv ausgebaut und natürlich nutzen die Nazis Waldheim auch für ihre Zwecke.

Heute ist Waldheim noch immer „Knast“ und heißt JVA Waldheim. Die Wächter nennen sich nun „Team“ und Waldheim ist der zweitgrößte Arbeitgeber der Stadt. 2016 wird die Haftanstalt 300 Jahre alt, prominente Gefangene sitzen momentan nicht ein, vielleicht macht aber Deutschlands berühmtester Steuerbetrüger Uli Hoeneß einen kleinen Abstecher ins schöne Sachsen.

* * *

Strafanstalt Waldheim: Geschichten, Personen und Prozesse aus drei Jahrhunderten, Friedemann Schreiter, 224 Seiten, Ch. Links Verlag, Berlin 2014, ISBN-13: 978-3861537762, 29,90 Euro

Vorheriger ArtikelWirtschaftsminister Gabriel stoppt 100-Millionen-Euro-Deal der Rheinmetall AG in Russland
Nächster ArtikelEcclestone-Prozess eingestellt – Bolidenboss Ecclestone zahlt 100 Millionen Dollar