Die Einsamkeit der Langstreckenfahrerin – Andre F. Nebes rasanter Kinderfilm „Das große Rennen“

Colm Meaney und Niamh McGirr in "Das große Rennen"

Ihre kleinen Probleme sind für Mary (Niamh McGirr) ziemlich große. Rennen sind ihre Leidenschaft. In der Seifenkiste saust sie fast jedem davon. Eingeseift wird Mary jedoch mehr als ihr lieb ist. Zur Begrüßung fliegt der elfjährigen auf dem Schulflur ein Schwamm an den Kopf. Über ihren besten Freund Tom (Jonathan Mason) leeren die älteren Schüler den Mülleimer aus. Umso fester halten die beiden Außenseiter zusammen. Gemeinsam üben sich Tom und Mary im Seifenkistenfahren. Doch Marys Vater Frank (Colm Meany) plagen Geldsorgen. Da setzt ausgerechnet der Vater von einem der fiesen Schulkameraden Marys ein Seifenkistenrennen an. Wer sagt, Mädchen könnten keine Rennfahrerinnen werden? Mit dem Gewinn hofft Mary, den Hof ihrer Eltern retten zu können. Doch ob das ausreicht, die Ehekrise von Kacey und Frank zu beenden? Nachdem sie trotz des väterlichen Verbots Fahrübungen unternimmt, zertrümmert Marys Vater ihre Rennkiste. Nicht einmal Tom kann sie trösten. Seine Familie zieht aus Geldnot aus dem Dorf. Doch selbst als sie auf sich gestellt ist, gibt Mary nicht auf.

Andre F. Nebes „Das große Rennen“ handelt von kleinen großen Triumphen und großen kleinen Kämpfen, wie sie das Leben mit sich bringt. Ein wenig holperig verläuft der Abenteuerfilm für Kinder aus der Feder von Drehbuchautor Rowan O`Neill. Bisweilen erscheint die knappe Handlung eher notdürftig zusammengebastelt als sorgfältig konstruiert. Doch die raue Schale und Natürlichkeit geben Andre F. Nebes „Das große Rennen“ seinen Charme. Ungekünstelt kommt die aus dem Leben gegriffene Geschichte daher. Marys Sorgen sind keine überkonstruierten Angelegenheiten. Sie quält sich mit feindseligen Mitschülern, Existenzängsten und Familienstreitigkeiten. Ihre realistischen Schwierigkeiten besitzen eine besonders dem kindlichen Publikum zugängliche Dramatik. „Das große Rennen“ ist neben dem Seifenkistenfahren auch der Wettlauf um Respekt und Selbstbehauptung, in dem Mary bestehen muss. Wie sie sich trotz Schikanen und Schikanieren durchschlägt, verlangt mehr Achtung, als irreales Heldentum. Ihre verständlichen Ängste und Selbstzweifel machen Nebes junge Hauptdarstellerin zur Sympathieträgerin. Nicht unschuldig daran ist die kecke Darstellerin Niamh McGirr. Die unverkrampfte Jungdarstellerin spielt sich mit Mut und Entschlossenheit in die Herzen der Zuschauer.

Dass sie sich in kindlicher Hoffnung mehr von dem Geldgewinn verspricht, als dieser hergeben kann, macht Mary nicht minder bewundernswert. Sie hofft wie die meisten Kinder, die Probleme der Großen, an denen sie gar keine Schuld trägt, durch ihren Einsatz lösen zu können. Weil „Das große Rennen“ von Andre F. Nebe nicht in Hollywood abgehalten wird, sondern in Marys verarmtem irischem Dorf, lösen sich mit einem Erfolg nicht alle Schwierigkeiten von selbst. Eine Siegerin ist Mary dennoch. Ihr mürrischer Filmvater Colm Meany weiß, dass die Tochter den Sturmsinn von ihm hat und liebt Mary dafür. Marys Mutter lernt, dass ihre Tochter stark ist. Nachdem „Das große Rennen“ gefahren ist, warten noch viele Hürden auf Mary. Doch ihre Mitmenschen und das Publikum hat sie überzeugt. Trotz kleiner Holprigkeiten kriegt „Das große Rennen“ dennoch die Kurve.

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Originaltitel: The Race

Deutscher Titel: Das große Rennen

Genre: Kinderfilm

Land/Jahr: Deutschland/Irland 2009

Kinostart: 22. Oktober 2009

Regie: Andre F. Nebe

Drehbuch: Rowan O ´Neill

Darsteller: Susan Lynch, Niamh McGirr, Colm Meany, Jonathan Mason

Verleih: Farbfilm Verleih

Laufzeit: 84 Minuten

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