Berlin, Deutschland (Weltexpress). Diese Bundesregierung ist doch immer für irritierende Nachrichten gut. Jetzt hat also eine Kommission empfohlen, das Fleisch teurer zu machen, damit es den Tieren besser geht; das sollen die Deutschen so wollen. Über die Mehrwertsteuer, damit der Ertrag flexibel verwendbar bleibt…
Ja, das ist bestimmt etwas, nach dem sich die Deutschen sehnen, weil sie es schon fast nicht mehr kennen: eine weitere Preiserhöhung. Nachdem die Inflation gerade mal etwas gesunken ist (die Energiepreise aber immer noch mehr als 60 Prozent über dem Wert von 2021), die Bundesregierung deshalb den niedrigeren Mehrwertsteuersatz auf Gas zurückgenommen hat, und die Netzgebühren gründlich gestiegen sind, ist es ganz sicher der tiefste innere Wunsch der Bundesbürger, für Fleisch künftig eine höhere Mehrwertsteuer zu bezahlen.
Die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ sieht das als eine Möglichkeit „für einen Finanzierungsbeitrag der Verbraucher zu langfristig verlässlichen Tierwohlprämien“; da seien sich die Kommissionsmitglieder einig.
Es genügt ein Blick auf die Zusammensetzung der Kommission, um zu erkennen, warum. Eine Mischung aus Verbandspräsidenten und Universitätsprofessoren, ein Gremium, in dem kaum jemand zu finden sein dürfte, dessen Monatseinkommen 5.000 Euro unterschreitet. Netto, versteht sich. Da legt man doch gerne ein paar Cent mehr auf den Tisch, damit das Rind, das man zu verzehren beabsichtigt, es zu Lebzeiten gut hatte.
Gewöhnliche Sterbliche, die wohlweislich in derartige Edelgremien gar nicht erst berufen werden, haben nach wie vor nicht einmal die Einkommensverluste der vergangenen Jahre ausgeglichen. Man muss nur auf die Daten schauen, wie sich der Konsum entwickelt. Aber es ist ja so wichtig, das Tierwohl. Wobei man natürlich dazu sagen muss, dass die erhobene Mehrwertsteuer selbstverständlich keine zweckgebundene Steuer ist, sondern im allgemeinen Haushalt landet (aufgeteilt zwischen Bund und Ländern), und es keinerlei Garantie dafür gibt, dass das Geld, das für glückliche Kühe aus der Tasche gezogen wird, am Ende nicht in Granaten für die Ukraine landet.
Unbestritten, an den Haltungsbedingungen des Viehs lässt sich etwas verbessern, aber es gäbe einen ganz einfachen Weg, das zu finanzieren – die Löhne so weit zu erhöhen, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich leisten kann, derartiges Fleisch zu kaufen, ohne dazu gezwungen zu werden.
Es ist schon hübsch, wenn der Präsident des Raiffeisen-Verbandes erklärt: „Es ist der Wunsch der Gesellschaft, die Tierhaltungsbedingungen in Deutschland weit über die Standards anderer europäischer Länder hinaus zu verbessern“. An sich sind ja die Agrargenossenschaften, die in diesem Verband organisiert sind, nicht die Bösen auf dem Feld der Nahrungsmittelerzeugung; aber eben auch hier gilt: Der Präsident eines solchen Verbandes hat nur noch wenig Kontakt mit den Sorgen und Nöten, die tatsächlich den deutschen Alltag prägen.
Das Schlüsselwort hier heißt nicht „Tierwohl“, sondern „Menschenwohl“. Solche simplen Dinge wie bezahlbare Mieten, funktionsfähige Schulen und ein Einkommen, bei dem man sich nicht sorgen muss, ob es bis zum Ende des Monats reicht, damit wäre für Viele schon einiges gewonnen. Und da reden wir nicht von der gerade aktuellen Edelminderheit, sondern von den ganz gewöhnlichen Durchschnittsdeutschen, diese komische Sorte, die Kinder aufzieht und einer normalen Arbeit nachgeht.
Je weiter der wirtschaftliche Niedergang Raum greift, je weiter sich das Leben (auch durch Geniestreiche wie das Heizgesetz) in eine schwer erträgliche Form des bürokratischen Chaos verwandelt, während sich Lebensstandard, -erwartung und -freude auf parallele Abwärtskurven begeben, desto absurder klingen die wohlmeinenden Phrasen, hinter denen sich die nächste Einschränkung verbirgt.
Und die Berechnungen, die vorgenommen wurden (das geschah sicher), die ergeben sollen, dass es gar kein Problem ist, wenn das Fleisch „ein bisschen teurer“ wird, gehen in die Irre. Weil die erste Reaktion der Verbraucher sein wird, den Konsum einzuschränken. Das lässt die grünen Ideologen jubeln, da sie ohnehin gerne eine Welt voller Veganer hätten. Jedoch schreddern sie eben ganz nebenbei jede Kalkulation, die aus der erhöhten Mehrwertsteuer irgendwelche Mittel generieren will, die irgendwie dann bei der Finanzierung des angestrebten „Tierwohls“ landen sollen. Man kann schon fast blind schätzen, dass die Höhe der beim Fleischverkauf erlösten Mehrwertsteuer gleich bleibt, weil sich schlicht die verkaufte Menge entsprechend reduziert.
Dabei bleibt dann die Genugtuung der Ideologen das einzige erreichte Ergebnis. Aber auch das ist schließlich nichts Neues.
Dennoch – nicht nur, dass Politik vor allem das Menschenwohl zum Auftrag hätte, und alles Andere danach kommen sollte – diese vermeintliche Errungenschaft kommt einem auf jeden Fall so vor, als erzähle einem ein Nachbar aufgeregt und freudig von der neuen Zimmerpflanze, die in seinem Fenster steht – schauen Sie, da im zweiten Fenster von rechts, ist sie nicht hübsch – und währenddessen mit einem lauten Krachen hinter ihm das ganze Haus in sich zusammenstürzt.
Im Grunde kann man die ganze deutsche Politik nur noch schwer kommentieren. Selbst wenn ein Gesetz einmal nicht katastrophal schlecht geschrieben und die Folgen des politischen Handelns ausnahmsweise einmal vorher durchdacht sind, dann geht es dabei mit Sicherheit nicht um die richtigen Dinge. Eben nicht um das Menschenwohl. Um alles, aber nicht um das Menschenwohl. Und ein klein wenig erinnern diese Kapriolen, die weitab von den Problemen der Lebenswirklichkeit geschlagen werden, an jenen berühmten Satz, der Marie-Antoinette nur unterstellt worden sein soll: „Wenn sie kein Brot haben, warum essen sie nicht Kuchen?“
Anmerkungen:
Vorstehender Beitrag von Dagmar Henn wurde am 11.4.2024 in „RT DE“ erstveröffentlicht. Die Seiten von „RT“ sind über den Tor-Browser zu empfangen.
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