Die Ausstellung „20 Köpfe/11 Geschichten – Zur Historie des Frauenfußballs in Frankfurt“ – Serie: Die FIFA und Frankfurt am Main rüsten zur Fußballweltmeisterschaften der Frauen 2011 (Teil 2/2)

Blick in den Kaisersaal beim Kick-Off zur FIFA Frauen-WM 2011 in Frankfurt am Main.

Warum nun gerade Frankfurt sich auf dieses Thema kapriziert, hat eindeutig geschichtliche Wurzeln. 1930 wurde in dieser Stadt der erste Frauenfußballverein in Deutschland gegründet: der 1. Deutsche Damenfußballclub . Der heute spielende 1. FFC Frankfurt ist bis jetzt der erfolgreichste deutsche Frauen-Fußball-Club. Das war Ausgangspunkt für eine Projektarbeit von Mädchen der Anne-Frank-Realschule, die dann vom Eintrachtmuseum weiterentwickelt wurde. Dafür ist Matthias Thoma zuständig, der zusammen mit seinen Mitarbeitern eine Ausstellung zusammenstellte, die einerseits Lesetexte bietet und dazu viele, den meisten unbekannte Bilder, so daß zwanzig Köpfe zusammenkommen, die in elf Geschichten zusammengefaßt werden. Das geht von den „Frankfurter Vorkämpferinnen“ bis „Selbst ist die Frau“, in denen von den Fußballerinnen erzählt wird. „Von Lotte Specht, der Fußballpionierin, über Ferdi Stang, Trainer der Mannschaft von Oberst Schiel, bis hin zu den Heldinnen der jüngsten Vergangenheit wie Nia Künzer, Birgit Prinz oder Steffi Jones.“, schreibt dazu die frauenfußballbegeisterte Oberbürgermeisterin Petra Roth im Ausstellungs-Begleitheft.

Bild 1 ist das Ganzkörperporträt von Lotte Specht im Fußballdreß. Sie sieht aus wie ein schmächtiger Junge, dem die Spuren des Spiels an den aufgeschürften Knien anzusehen sind und der trotzig nicht aufgibt. In der Tat hat diese Lotte Specht den ersten Fußballclub 1930 gegründet. Da waren die Goldenen Zwanziger Jahre vorbei, der Schwarze Freitag hatte die schon bisher immensen wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch seine katastrophalen Auswirkungen mit Arbeitslosigkeit und Inflation weitergetrieben, längst hockten die Nationalsozialisten schon in den Startlöchern und die bürgerlichen Parteien zeigten sich nicht fähig, gemeinsam einen bevölkerungsnahen Kurs zu fahren. In Uruguay finden die erste Fußballweltmeisterschaften statt, die der Männer natürlich, und in Frankfurt macht sich die 19jährige Tochter eines Metzgers aus dem Gallus. Das ist ein Stadtviertel in Frankfurt, das ein Arbeiter- und Handwerkerviertel war und in dem einige Straßenzüge das „Kamerun“ genannt wurden, weil man die deutsche Arbeiterschicht sozial in einen Topf mit den afrikanischen Stämmen dieser einst deutschen Kolonie Kamerun warf oder weil es dort wie in Afrika aussah, oder weil diese Gegend so weit vom eigentlichen Stadtzentrum entfernt war, wie Frankfurt vom Kamerun.

Eigentlich war die junge Lotte Specht eine Anhängerin des Frankfurter Traditionsvereins, den FSV. Das muß man heute immer erst erklären, daß natürlich ein echter Frankfurter für den Arbeitersportverein FSV eintrat, während die Eintracht die Mannschaft der Neureichen blieb. Das galt noch bis in die 60er Jahre und ist heute nur noch historisch. So sehr wirken Ligen und der Auf- und Abstieg von Vereinen auf das Bewusstsein ein. Der FSV hatte 1925 das Finale um die Deutsche Meisterschaft gewonnen, hatte also auch Lotte Specht Auftrieb gegeben, die mutig nach vorne schaute und nicht weiter nur allein zuschauen wollte , sondern das Selberspielen zum Thema machte. Und zwar in einer Anzeige in der Zeitung. In den „Frankfurter Nachrichten“ fragte sie 1930 nach Mitstreiterinnen, die sich auch einfanden und gemeinsam den 1. DDF gründeten, was eine weitere Zeitung, „Das illustrierte Blatt“ am 27. März 1930 als Titelstory brachte und Lotte Specht im beschriebenen Bild im Fußballdreß auf dem Titel zeigte.

Das ging sachte los, aber in der Tat fanden sich soviel Fußballfreundinnen, daß bald eine zweite Mannschaft aufgestellt wurde. Zuerst spielen alle in normaler Sportkleidung mit Baskenmützen als Schutz bei Kopfbällen und gleichfarbigen aufgenähten Stoffetzen, um die Mannschaften auseinanderhalten zu können. Später trugen sie weiße Trikots, auf die sie das Frankfurter Wappen nähen, den Adler, der tatsächlich ein Relikt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ist, als dessen Kaiserwahl- und Krönungsstadt Frankfurt das Symbol übernahm. Aber nicht übernehmen wollten die kickenden Damen der Deutsche Fußballbund DFB, weshalb sich dann schon 1931 der erste Frauenverein wieder auflöste. Das war rechtzeitig, denn unter den Nazis hätten selbstbestimmte Frauen keine Funktion gehabt, wären also nicht erlaubt gewesen, die Frauen, die war mit der Küche und den Kindern abgedeckt.

Nun war auch die Nachkriegszeit solchen unternehmerischen Frauen gegenüber nicht aufgeschlossen. Die prosperierende Kleinfamilie forderte ihren Tribut und als Anfang der 50er Jahre in Hamburg und Oberhausen – über die DDR wissen wir nichts – die ersten Frauenfußballmannschaften entstanden und sich gut entwickelten, war es erneut der DFB, der diese Entwicklung zerstörte, in dem er einstimmig unter Androhung von Strafe bei Zuwiderhandlung beschloß, „unseren Vereinen nicht zu gestatten, Damenfußballabteilungen zu gründen oder Damenfußballabteilungen bei sich aufzunehmen“, die Verfolgung von Frauenfußball ging noch weiter, auch die Plätze zum Spielen durften nicht zur Verfügung gestellt werden und auch Schieds- und Linienrichter sollten beim Frauenfußball nicht mitmachen dürfen.

Das war das Aus für die Frauen, denn Fußballplätze gehörten Fußballvereinen, denen es nun untersagt war, sie durch Frauen zu bespielen. Aber es gab mutige Männer neben den mutigen Frauen und immer wieder wuchs ein neues Pflänzchen Frauenfußball. Schließlich gab es eine Bewegung innerhalb der Städte, die sich überlegten, ihre städtischen Fußballplätze den Frauen zur Verfügung zu stellen, wenn es die Vereine nicht tun. Und so läuft in Frankfurt im Waldstadion am 20. April 1957 das erste Länderspiel von Frauen, eine Auswahl aus Westdeutschland gegen Ostholland, vor immerhin 4 000 Zuschauern mit der Niederlage der Deutschen von 1:6. Nicht vorrangig das Ergebnis, sondern das Spiel und die kickenden Frauen werden dann in der öffentlichen Diskussion fertiggemacht. Wir sind erst beim zweiten Bild und der zweiten Geschichte. Aber wir wissen alle, daß sich die Verhältnisse geändert haben und es heute sogar längst zum guten Ton gehört, Frauenfußball positiv zu würdigen. Welche Stationen dazu nötig waren, weist die Ausstellung auf.

Das Begleitbuch zur Ausstellung ist sehr informativ und also auch für die geeignet, die nicht nach Frankfurt am Main kommen können. Sie können es bestellen beim Herausgeber: Eintracht Frankfurt Museum, Mörfelder Landstraße 362, 60528 Frankfurt am Main.

www.fifafrauenwm2011.frankfurt.de

www.frankfurt.de/media/amt13/video/KICK_OFF_ffm_WM-Seite.flv

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