Berlin, Deutschland (Weltexpress). Die Feminismusthematik ist tagtäglich präsent und insbesondere durch die „#MeToo“-Debatte aktueller den je. Da passte der Wettbewerbsfilm von Eliza Hittman geradezu ideal in Wettbewerbsprogramm.
Der Spielfilm „Never Rarely Sometimes Always“ ist ein feministischer Film, der auf die Probleme, Sorgen, Ängste und Zweifel eines 17-jährigen Mädchens eingeht, das abtreiben will. Der Zuschauer hört und sieht, was es für die junge Amerikanerin Autumn (Sidney Flanigan) heißt, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.
Autumn lebt im ländlichen Pennsylvania. Ihr Leben wird vom Job als Kassiererin im Supermarkt und ihrer Familie geprägt. Und das verläuft in monotoner Eintönigkeit. Dies ändert sich für sie als sie erfährt, dass sie ungewollt schwanger ist. Weil sie abtreiben will und hier nicht auf die Unterstützung der Familie zählen kann, entschließt sie sich nach New York zu fahren, um die Abtreibung dort in einer entsprechenden Klinik vollziehen zu lassen. Ihre Cousine Skylar (Talia Ryder), engste Freundin und Weggefährten, begleitet sie zur seelischen Unterstützung.
In New York durchläuft Autumn dann die bürokratische und medizinische Odyssee vor der Abtreibung. In einem Schlüsselmoment des Films sitzt Autumn mit ihrer dafür zuständigen Betreuerin zusammen und muss entsprechende Multiple-Choice-Fragen zu ihrer Schwangerschaft beantworten. Dabei geht es um Verhütung, den Partner, das Sexualleben, sprich: das „Wie“. Die Protagonistin muss immer zwischen den vier Antwortmöglichkeiten auswählen, die auch den Filmtitel geben: Never, Rarely, Sometimes, Always. Die Kamera ist auf ihr Gesicht gehalten und aus dem Hintergrund hören wir die fragestellende Betreuerin. In dieser Szene offenbart sich letztlich das ganze Leid, das Autumn durchmachen muss. Am Ende ist sie, in Tränen aufgelöst, nicht mehr fähig, die Fragen zu beantworten. Wir erfahren im Film nicht wie Autumn Schwanger geworden ist. Das wird bewusst offen gelassen. Ein einschneidender Moment scheint es definitiv gewesen zu sein.
„Never Rarely Sometimes Always“ ist von ruhiger Intensität geprägt. Eliza Hittman, die Regie führte und das Drehbuch schrieb, geht es weniger um die Dramaturgie als mehr um den Weg und die Momente die Autumn durchläuft und die sie prägen.
„Never Rarely Sometimes Always“ ist gleichzeitig ein Frauenfilm, weil er ausschließlich aus weiblicher Perspektive inszeniert wurde und den Focus auf Autumn legt. Männer spielen keine Rolle beziehungsweise nur kleine am Rande.
Männer stehen vorwiegend für Situationen, in denen Frauen von ihnen angemacht werden und sie betreffen hier eher Autumns Cousine Skylar. Beispielsweise bekommt Skylar im Supermarkt anstößige Bemerkungen oder wie sie in New York mit einer Bus-Bekanntschaft (Théodore Pellerin) anbandelt, der sie natürlich gern rumbekommen möchte. Offenbar will Eliza Hittman mit dieser Szene Situationen veranschaulichen, denen sich Frauen immer wieder ausgesetzt sehen und zeigen, wie unangenehm und befremdlich es für sie ist, derart bedrängt zu werden. Diese Szene passt in die Gesamtstimmung des Films, der unterschwellig eine beunruhigende Stimmung hat. Eine Frau verloren in New York und verloren im Mechanismus des Abtreibungsvorgangs.
Das diese Stimmung aufkommt liegt an der schauspielerischenLeistung von Sidney Flanigan, die Autumn in leiser und nuancierter Form darstellt, um den schmerzhaften Weg, den sie durchläuft, spürbar zu verdeutlichen.
Eliza Hittman geht es am Ende offenbar darum, dass wir Autumns Abtreibungsprozeß situativ und spürbar mit durchlaufen. Sie zeigt diesen Weg in beklemmender Weise, ohne große Aufdringlichkeit und in erlebbaren Augenblicken. Dafür erhielt sie jetzt verdientermaßen den großen Preis der Jury der 70. Berlinale.
Filmographische Angaben
- Originaltitel: Never Rarely Sometimes Always
- Originalsprache: Englisch
- Staat: USA
- Jahr: 2020
- Regie, Drehbuch: Eliza Hittman
- Kamera: Hélène Louvart
- Schnitt: Scott Cummings
- Musik: Julia Holter
- Darsteller: Sidney Flanigan (Autumn), Talia Ryder (Skylar), Théodore Pellerin, Ryan Eggold, Sharon Van Etten
- Produzentinnen: Adele Romanski, Sara Murphy
- Ausführende Produzentin: Rose Garnett, Tim Headington, Lia Buman, Elika Portnoy, Alex Orlovsky, Barry Jenkins, Mark Ceryak
- Dauer: 101 Minuten