Nach vier Einzelrennen und vor der letzten vorolympischen Staffelprobe am Sonntag im Pustertal aber darf man konstatieren: Auch in den Einzelwettbewerben am Schwarzen Meer sind Podestplätze möglich.
Nach Rang zwei durch Andreas Henkel im Sprint und dem Doppelpodest durch Simon Schempp (1.) und Arnd Peiffer (3.) unterstrich die 36-jährige Großbreitenbacherin am Samstag in der Verfolgung über 10 km mit dem 22. Weltcup-Einzelerfolg ihrer Karriere, dass sie in der Tat ihre olympische Medaillenkollektion (2/1/1) erweitern kann. Und Simon Schempp (25) aus Uhingen, stationiert in Ruhpolding, folgte wenig später dem Beispiel der 36-jährigen Henkel und etablierte sich im Jagdrennen über 12,5 km mit seinem zweiten Weltcup-Triumph nacheinander in der Weltspitze!
Offenbar scheinen die zuständigen Trainer – Chef Uwe Müssiggang, Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig, Männer-Bundestrainer Mark Kirchner – wieder einmal im Formaufbau auf den olympischen Höhepunkt in rund drei Wochen methodisch das richtige Rezept verfolgt haben.
Henkel war als Sprintzweite in die Verfolgung gegangen und profitierte beim fehlerfreiem Durchlauf von den Fahrkarten ihrer prominenten Konkurrentinnen. Die Norwegerin Tora Berger, die derzeit erfolgreichste Skijägerin der Welt, leistete sich bei ihrer Aufholhatz von Rang sechs drei Schießfehler. Da war am Ende trotz der schnellsten Laufzeit nicht mehr als Platz drei hinter der fehlerfreien Weißrussin Nadeshda Skardino möglich. Berger übernahm damit wieder die Spitze in der Weltcup-Gesamtwertung vor der Weißrussin Darja Domratschewa. Jene hatte als Sprintdritte nach zwei Schießprüfungen ohne Patzer rund eine halb Minute Vorsprung vor den Verfolgerinnen. Doch je zwei Strafrunden nach dem Stehendschießen warfen sie (drittbeste Laufzeit) schließlich auf die fünfte Position zurück.
Henkels Rennanalyse: "Ich wusste, dass ich derzeit läuferisch mit den Besten nicht mithalten kann und habe mich voll und ganz auf das Schießen konzentriert." Nach dem letzten Schießen nahm sie 10 Sekunden Vorteil auf die Schlussrunde mit, die Skardino im Ziel auf 1,6 s reduzieren konnte. Henkel genügte dennoch die 17-beste Laufzeit. "Ich habe mich auf der Strecke nicht besonders gut gefühlt, habe aber meine Kräfte wohl richtig eingeteilt. Mein Ziel bis Olympia wird natürlich sein, im Lauf wieder zu meiner besten Form zu finden." Wie ist zu bewerten, dass sie den letzten Test vor den olympischen Wettbewerben als erfolgreichste Sportlerin absolvieren konnte?- "Na ja, damit habe ich bewiesen, dass ich zu den Läuferinnen gehöre, die man in Sotschi auf der Rechnung haben muss."
Henkel wird in Russland ihre vierten Olympischen Spiele erleben und will danach ihre Wettakmpf-Karriere beenden.
Schempp steuert nach Vancouver 2010 (5. mit der Staffel) seinen zweiten olympischen Auftritt an. Wie Henkel als erfolgreichster Athlet der vermeintlichen Generalprobe für Sotschi. Der Doppel-Sieg von Antholz ("Einfach Wahnsinn, nachdem ich zuvor noch nie gewonnen habe") dürfte ihn in der allgemeinen, medial sicher befeuerten Erwartungshaltung in den Status eines Gold-Kandidaten bei Olympia katapultieren.
"Ich denke, es gibt eine Menge Biathleten, die in Sotschi für die Medaillen infrage kommen. Okay, da bin ich wohl nun auch. Aber, um dort eine Medaillen zu gewinnen, da muss schon alles passen. Natürlich haben mir die Erfolge hier einen Motivationsschub gegeben und das Selbstvertrauen gestärkt. Klar ist, dass ich in Sotschi mein Bestes gebe. Was dabei herausschaut, wird man sehen."
Der Abiturient und Auszubildende bei der Bundespolizei war gemeinsam mit dem Antholzer Lukas Hofer als Erster in die Verfolgung gestartet. Trotz eines Schießfehlers zu Beginn blieb er wegen des Vorsprungs aus dem Sprint in der Spitzengruppe, die sich nach jedem Stopp am Schießstand veränderte. Nach einer zweiten Fahrkarte blieb er mit vorn und absolvierte das vierte Schießen fehlerfrei. So hatte er als Führender ein Polster von sieben bis zehn Sekunden vor seinen Jägern. Davon blieben ihm ("Ich habe dann gleich Tempo gemacht, um eine Lücke aufzureißen") beim Passieren der Ziellinie 1,5, s vor dem Franzosen Jean Guillaume Beatrix (1 Fehler) und 4,8 s vor dem Norweger Henrik L’Abee-Lund. Jener hatte Landsmann und Biathlon-Legende Ole Einar Bjoerndalen, der am 27. Januar seinen 40. Geburtstag feiert und als 20. mit nur einem Fehler auf Platz zwei vorgeprescht war, noch abfangen können.
Der Sprintdritte Arnd Peiffer, Dritter des Sprints, lief nach drei Fehlern noch auf den 5. Platz vor. Die beiden Mitfavoriten, Weltcup-Spitzenreiter Martin Fourcade (Frankreich/9.), und der Österreicher Dominik Landertinger (8.) hatten ihre Chancen nach jeweils vier Strafrunden eingebüßt.
L’Abee-Lund, bislang einmal auf dem Podium (Sotschi 2. im Vorjahr), verbuchte ein wenig unerwartet bei sehr speziellen Bedingungen (weicher, nasser Schnee um drei Grad, Nebeldunst, koupierter Kurs mit Steigungen und Abfahrten) die schnellste Laufzeit vor Martin Fourcade. Dritter in dieser Separatrechnung war der auf Platz 35 landende Russe Alexej Slepow. Doch fünf Strafrunden waren einfach zuviel.
Da machte es Sieger Schempp auf jeden Fall besser. Zwar nur Laufzeit Nr. 30, aber lediglich zwei Zusatzrunden (kosten etwa 25 s) und dank des Vorsprungs aus dem Sprint – da konnte er schon mal die Siegerpose vor den voll besetzten Rängen mit mehr als 70 Prozent deutscher Zuschauer zelebrieren.
Die deutschen Olympiastarter werden nun in einem Nachbartal, in Ridnaun auf ähnlicher Höhe um die 1500 m wie Sotschi, das Form-Feintuning für die olympische Bühne vornehmen.