Wir schreiben das Jahr 1787, es ist ein heißer Julitag, Hannikel und zwei seiner Räuber werden öffentlich gehenkt. Dass dieses Ende schon auf Seite 38 eines knapp 350 Seiten starken Romans beschrieben wird, ist ein genialer Kunstgriff. Lukas Hartmann benutzt die historischen Fakten um den Räuber Jakob Reinhard, genannt Hannikel, mit denen er ein Räuberleben ausmalt. Dazu erfindet er die Figur des Schreibers Grau, der im Gefolge des Sulzer Gesetzhüters und Oberamtsmannes Schäffer die Räuber jagt und findet, Steckbriefe notiert, Verhöre protokolliert und schließlich Urteile schreibt. Der Schreiber als Chronist und Erzähler, eine schlüssige und fabelhaft umgesetzte Idee. Nicht zum ersten Mal benutzt der Schweizer Autor, ehemalige Psychologe, Lehrer, Journalist und Medienberater Zeitsprünge, um seine historischen Romane aufzulockern.
An diesem „Räuberleben“ ist das Bestechendste das Mitgefühl, welches der Leser für die Sippe der Roma in diesen wie allen unsicheren Zeiten entwickelt. Nur durch Fragen, Wiedergabe der Verhörprotokolle und die leisen Zweifel des Schreibers Grau erzeugt Hartmann eine Spiegelung der Vorurteile des satten Bürgers, des braven Christen. Ganz nebenbei wird auch die feudale Egozentrik des Herzogs Karl Eugen geschildert, der sich nicht entblödete, dem Dichter Schiller nachzugeifern und einen anderen unglückseligen Schreiberling gar über zehn Jahre auf seiner Festung Asperg festzusetzen, Christian Schubart.
Fazit: Hervorragend! spannend, unterhaltsam, detailliert und einfühlsam, Geschichte der kleinen Leute, deutsche Robin Hoodeske.
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Lukas Hartmann, Räuberleben, Roman, 345 Seiten, Diogenes Verlag, Zürich, Februar 2012, 22,90 €